Oberhausen – Hilferuf aus dem 6. Stock eines Mehrfamilienhauses: Hier lebt Frank S. (60) – ans Bett gefesselt, beide Unterschenkel amputiert. „Seit einem Jahr war ich nicht mehr draußen“, klagt er.
BILD besucht ihn in seiner Wohnung in Oberhausen (Nordrhein-Westfalen). Der Fahrstuhl bringt uns hoch, am Ende des Flurs eine angelehnte Tür. „Kommt rein! Ich bin hier!“, ruft er. Sein Wohnzimmer ist zugleich Krankenzimmer. Sein Pflegebett steht an der Wand, daneben ein Rollstuhl, der sichtlich unbenutzt aussieht. Verstaubt, mit Urinflasche, Briefen, Pflegemitteln.
Mikrowellengerichte gibt es nur kalt
„Hier bin ich gefangen. Einmal am Tag kommt der Pflegedienst, aber die machen nur das Nötigste. Meist esse ich kalte Mikrowellengerichte“, sagt Frank S. Die Einkäufe erledige mal ein freundlicher Nachbar, mal seine Verlobte. „Aber sie hat ebenso wie ich kaum Geld, den Bus zu mir kann sie sich nur zweimal die Woche erlauben.“ Sie schafft es auch nicht, ihn in den Rollstuhl zu heben. Der Pflegedienst, der Frank im Bett wäscht, könnte theoretisch helfen – doch wenn er von einem Ausflug zurückkäme, wäre niemand mehr da, um ihn wieder ins Bett zu legen. Was bleibt: Hilflosigkeit.
Frank hat sich mit seinem Leben im Bett resigniert abgefunden
Foto: Tim Foltin
Frank S. lebt auf zwei Quadratmetern: Fernseher vor dem Bett, daneben ein Ventilator. Die Fernbedienungen liegen griffbereit. Rechts hängt ein Körbchen mit Trockenshampoo, Deo, Rasierer. Das Leben hat es nicht gut gemeint mit ihm. Die Lehre als Fahrzeugpolsterer musste er nach einem Unfall beim Fußballspielen abbrechen. Als Gartenhelfer beim Bauhof bekam er nur Jahresverträge. Er pflegte seine Eltern bis zu deren Tod, verlor auch zwei Brüder früh. Dann die Schock-Diagnose: schwere Diabetes!
Zum Aufstehen fehlt Frank S. die Kraft
„Erst wurde mir ein Zeh amputiert, dann der halbe Fuß, ein Unterschenkel – später der andere. Vom vielen Liegen habe ich wunde Stellen, bekam eine spezielle Matratze. Doch von der kann ich aus eigener Kraft nicht mehr aufstehen“, sagt Frank S. Früher fuhr er mit dem Rad auf die Halde Haniel, ging stundenlang mit Retriever-Mischling Timmy Gassi. „Ich wäre so gerne mal wieder draußen. Ich hätte nie gedacht, dass ich mal so traurig enden würde.“
BILD-Besuch am Krankenbett
Foto: Tim Foltin
Nach seinen Angaben lebt der Oberhausener von 500 Euro Rente, 164 Euro Bürgergeld und 131 Euro Nachbarschaftshilfe. Die Miete (800 Euro) zahle die Stadt. Frank S.: „Mehr bekomme ich nicht, am Telefon will mir niemand helfen, an meiner Situation etwas zu ändern. Ich muss aus diesem Bett, muss duschen, meine schlaffen Muskeln trainieren.“
Die Stadt Oberhausen erfuhr durch BILD von seiner Lage. „Wir greifen den Hilferuf auf“, so ein Sprecher – zuständig sei aber eigentlich die Pflegeversicherung. Die AOK Rheinland erklärte, man wolle versuchen, die Situation zu verbessern. Ein Fahrdienst und eine Versorgung mit Mahlzeiten sei bereits angeboten worden. „Das stimmt nicht“, widerspricht Frank S.
Frank S. war noch nie im Urlaub
Der Oberhausener hofft weiter, dass sein größter Traum wahr wird – der erste Urlaub seines Lebens. „Früher wollte ich immer über die Route 66 durch Amerika reisen“, sagt er, „heute wäre mir jeder Urlaub irgendwo in Deutschland schon genug.“