Nietenkopfmaske Siebenarmiger Leuchter (Foto: Nicole Cronauge | Bistum Essen)
Anzeigen
Essen. Ein lange verschollenes Fragment des berühmten Siebenarmigen Leuchters ist nach Essen zurückgekehrt. Die Nietenkopfmaske ergänzt nun die Ausstellung im Domschatz und erzählt ein Stück bewegte Kunstgeschichte.
Kleines Kunstwerk mit großer Geschichte: Dank einer guten Vernetzung in die Kunstszene und engagierter Unterstützung aus der Region ist es dem Essener Dom gelungen, ein lange verloren geglaubtes Fragment des Siebenarmigen Leuchters zurück nach Essen zu holen. Nur 2,1 mal 4 Zentimeter groß ist die sogenannte Nietenkopfmaske, die einst am Fuß der um 990 geschaffenen, ältesten christlichen Nachbildung des antiken jüdischen Tempelleuchters ihren Platz hatte. Am Freitag, 29. August 2025, haben die Leiterin des Essener Domschatzes, Andrea Wegener, und Dompropst Michael Dörnemann diese kleine Kostbarkeit der Öffentlichkeit vorgestellt. Gut erkennbar zeigt das Exponat aus feuervergoldeter Bronze einen Kopf, der zu den mindestens 28 detailreich verzierten Nieten am Fuß des über 1000 Jahre alten Leuchters gehört hat. „Aufgrund der Herstellungstechnik ist jedes dieser kleinen Objekte ein Einzelstück“, betont Wegener.
Fehlende Niete wurde durch einen Nachguss ersetzt
Dass die nun zurückgekehrte Niete fehlte und im Jahr 1920 durch einen Nachguss ersetzt wurde, war am Essener Dom schon lange bekannt. Wegener: „Wir wissen jedoch weder wann die Nietenkopfmaske entwendet wurde, noch warum – und schon gar nicht durch wen.“ Theoretisch könne dies irgendwann zwischen dem Mittelalter, der Aufhebung des Essener Frauenstifts Anfang des 19. Jahrhunderts oder auch später passiert sein. Ab 1904 lässt sich das Fehlen am Siebenarmigen Leuchter fotografisch belegen. Zumindest lässt sich jedoch rekonstruieren, wie die Nietenkopfmaske vor einigen Jahrzehnten wieder aufgetaucht und wie sie dann den Weg zurück nach Essen gefunden hat. Entscheidend war hier ein privater Kunstsammler in der Schweiz. „Er hatte sich auf frühmittelalterliche Kunst spezialisiert und die Nietenkopfmaske von einer Kunsthandlung in Würzburg erworben“, weiß Wegener. Das Alter der Niete und das Material – Bronze – waren bekannt, nur die ursprüngliche Herkunft des Objekts war auf dem Weg bis nach Würzburg verloren gegangen. So begann der Schweizer Sammler zu forschen, sprach mit Fachleuten für Kunstgeschichte und stieß irgendwann auf die Information über die fehlende Nietenkopfmaske des Essener Leuchters, den er dann auch selbst in Augenschein nahm. Nach und nach wurde aus der ersten Vermutung die später auch durch Materialproben abgesicherte Erkenntnis: Das Schweizer Sammlerstück ist das fehlende Fragment des Essener Leuchters.
Von der Schweiz über Menschen nach Essen
Von dieser Anfang der 2000er Jahre gewonnenen Erkenntnis bis zur Rückführung nach Essen dauerte es allerdings noch weitere gut 20 Jahre. Der Schweizer Sammler behielt sein Exponat, stellte es aus und war auch mit dem Essener Domschatz in Kontakt. Doch ein Verkauf ins Ruhrgebiet stand nicht zur Debatte. Dies änderte sich erst nach dem Tod des Sammlers, als dessen Erben die Kunsthandlung Julius Böhler mit der Vermarktung der Sammlung beauftragten. Die Fachleute in dem Münchener Traditionshaus wussten um die Bedeutung der Nietenkopfmaske für den Essener Dom und boten sie dem Domschatz an. Wegener, Dörnemann und Arnd Brechmann, der Vorsitzende des Münsterbauvereins, erkannten die einmalige Chance, dieses Kleinod endlich zurück nach Essen zu holen – und mit ihnen die Sparkasse Essen, die Bank im Bistum Essen und die Kanzlei Aulinger Rechtsanwälte, die gemeinsam mit dem Münsterbauverein den Kaufpreis von 15.000 Euro spendeten. „Wir sind froh und dankbar für die großherzige Unterstützung dieser Unternehmen und des Münsterbauvereins, durch die es möglich wurde, dieses spannende Puzzleteil aus dem Erbe der Essener Stifts- und Stadtgeschichte nun dauerhaft im Domschatz zu präsentieren“, bedankt sich Dörnemann.
An ihrem ursprünglichen Platz im Fuß des Siebenarmigen Leuchters wird die Nietenkopfmaske künftig jedoch nicht zu sehen sein. „Ein Einbau wäre ohne Beschädigungen nicht realisierbar“, erklärt Wegener. Der Leuchter sei schon zu lange mit dem Nachguss ausgestattet, als dass man an diesem historisch einmaligen Exponat nun wieder etwas verändere. Stattdessen wird die Nietenkopfmaske im Domschatz zu sehen sein. Im Handschriftenraum im Obergeschoss kann man sich in das auf der Niete abgebildete Gesicht vertiefen, auf einer Tafel die Geschichte nachlesen – und dann durch ein Periskop in den Dom bis zum Siebenarmigen Leuchter schauen. „So schaffen wir die Verbindung zwischen dem früheren und dem heutigen Standort der Nietenkopfmaske“, sagt Wegener.
Siebenarmiger Leuchter ist frisch gereinigt
Der einst von der Essener Äbtissin Mathilde gestiftete Leuchter lohne aber auch ohne die wiedererlangte Nietenkopfmaske einen Blick aus der Nähe, betont Wegener. Denn erstmals seit 1987 wurde das 2,26 Meter hohe und 1,88 Meter breite Objekt in den vergangenen Wochen einer intensiven und fachkundigen Reinigung unterzogen. Von einem Gerüst aus hat die Kölner Restauratorin Anke Freund das kostbare Stück gereinigt. Das sei dringend nötig gewesen, berichtet Wegener: Kerzenruß, Weihrauch und Staub jährlich zehntausender Gäste hätten sich mit der Zeit auf der 1000 Jahre alten Bronze abgelagert. „Jetzt ist die herausragende Qualität des Leuchters wieder gut erkennbar“.
INFO: Öffnungszeiten
Der Siebenarmige Leuchter im Essener Dom kann täglich während der Öffnungszeiten des Doms (in der Regel täglich von 6.30 bis 18.30 Uhr), außerhalb der Gottesdienste besichtigt werden. Die Nietenkopfmaske ist Teil der Ausstellung des Essener Domschatzes, die dienstags bis sonntags von 11 bis 17 Uhr geöffnet ist. Der Eintritt kostet 5, ermäßigt 4 Euro.