Erst vor einem Jahr ist Laurent Freixe an die Spitze von Nestlé gerückt. Der 63 Jahre alte Franzose sollte dem größten Lebensmittelkonzern der Welt wieder zu mehr Wachstum und Schlagkraft verhelfen. Doch nun ist diese Mission mit einem Paukenschlag zu Ende gegangen. Freixe wurde mit sofortiger Wirkung entlassen, weil er eine verdeckte Liebesaffäre mit einer ihm direkt unterstellten Mitarbeiterin hatte. Dies teilte Nestlé am Montagabend mit.
Mit der, wie es wörtlich heißt, „nicht offengelegten romantischen Beziehung“, habe Freixe gegen den hauseigenen Verhaltenskodex verstoßen. Vorausgegangen war eine Untersuchung, die vom Verwaltungsratspräsidenten Paul Bulcke und dessen designiertem Nachfolger Pablo Isla, der als „Lead Independent Director“ im Aufsichtsgremium sitzt, beaufsichtigt und durch externe Rechtsberater unterstützt worden sei.
„Dies war eine notwendige Entscheidung“, erklärte Bulcke gemäß der Pressemitteilung. Nestlés Werte und Führung (Governance) bildeten das Fundament des Unternehmens. Bulcke dankte dem von ihm selbst vor Jahresfrist auf den Thron gehobenen Freixe für dessen langjährigen Dienst für Nestlé. Zum neuen Vorstandsvorsitzenden des Konzerns ernannte der Verwaltungsrat einen Mann aus den eigenen Reihen: Philipp Navratil.
Seit Juli Gerüchte um eine Affäre
Gerüchte über eine Liebesaffäre von Freixe tauchten erstmals Ende Juli in der Öffentlichkeit auf. Seinerzeit kolportierte der Zürcher Finanzblog „Inside Paradeplatz“, dass sich der verheiratete Freixe in eine türkische Marketing-Mitarbeiterin verliebt habe, die im Frühling 2022 von Istanbul an den Konzernsitz im schweizerischen Vevey gewechselt sei. Im September 2023 sei die Frau zum „Vice President“ Marketing und Kommunikation in Amerika aufgestiegen – das war die Region, die Freixe seinerzeit leitete. Angeblich hat sie den Konzern in diesem Frühjahr verlassen.
Der neue Mann an der Spitze des Konzerns, Philipp Navratil, ist 48 Jahre alt und hat einen schweizerischen und einen österreichischen Pass. Er gehört seit Anfang dieses Jahres der Konzernleitung an. Er hat seine gesamte Karriere bei Nestlé verbracht. Navratil begann im Jahr 2001 in der internen Revision. Nach mehreren Stationen in Zentralamerika avancierte er 2009 zum Länderchef von Nestlé Honduras. 2013 übernahm er die Leitung des Kaffee- und Getränkegeschäfts in Mexiko.
Sieben Jahre später übernahm er die Verantwortung für die globale Strategie der Kaffeemarken Nescafé und Starbucks. 2024 stieg er zum Chef der Nestlé-Tochtergesellschaft Nespresso auf. Bulcke lobt Navratil für dessen „dynamische Art“ und dessen „kooperativen und integrativen Führungsstil“. Der neue Chef soll die „Wachstumsstrategie mit hohem Tempo vorantreiben“ und die Effizienzmaßnahmen weiter beschleunigen. Der strategische Kurs werde nicht geändert.