Der Weltfriedenstag, jedes Jahr am 1. September begangen, ist ein Mahnmal gegen Krieg, Militarismus und Faschismus. Er erinnert an den Überfall der nationalsozialistischen Wehrmacht auf Polen im Jahr 1939, der den Beginn des Zweiten Weltkriegs markierte. In Halle (Saale) war dieser Tag Anlass für zahlreiche Veranstaltungen, Demonstrationen und Redebeiträge. Unter breiter Beteiligung verschiedenster Gruppen wurden aktuelle politische Entwicklungen ebenso kritisch beleuchtet wie historische Verantwortung betont. Im Zentrum stand dabei die Ablehnung von Aufrüstung, Militarisierung und Kriegslogik.

Kundgebung am Boulevard: Gedenken, Mahnung und politische Forderungen

Bereits am Nachmittag versammelten sich auf dem Boulevard Vertreterinnen und Vertreter zahlreicher Organisationen zu einer Friedenskundgebung. Aufgerufen hatten Die Linke, Linksjugend [’solid], der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB), die Omas gegen Rechts, die VVN-BdA (Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschist*innen) sowie die Deutsche Friedensgesellschaft.

Christoph Starke vom Friedenskreis erinnerte in seiner Rede an die historische Bedeutung des Weltfriedenstags. Er warnte davor, dass es zunehmend Bestrebungen gebe, die deutschen Kriegsverbrechen des 20. Jahrhunderts als „düsteres Kapitel“ einfach zu vergessen. „Wir setzen ein Zeichen dagegen“, so Starke, und betonte die Notwendigkeit, die von Deutschland ausgegangenen Gräueltaten immer wieder ins kollektive Gedächtnis zu rufen. Zudem machte er auf die gegenwärtige weltweite Lage aufmerksam: Nahezu 50 bewaffnete Konflikte zähle man aktuell – Tendenz steigend. Diese Entwicklungen dürfe man nicht hinnehmen. Deutliche Kritik äußerte er an der deutschen Aufrüstungspolitik und der Diskussion um die Wiedereinführung der Wehrpflicht, die Anlass zur Sorge gäben.

Gisela Döring schlug vor, das geplante „Zukunftszentrum“ um den Zusatz „für Frieden“ zu erweitern – um dessen friedenspolitische Ausrichtung zu betonen. Sie beklagte, dass 80 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs die Welt nach wie vor von blutigen Kriegen geprägt sei. 30 Millionen Menschen seien aktuell auf der Flucht – doch statt auf deren Schicksale zu schauen, gehe es in der internationalen Politik vor allem um „Rohstoffe“, „Landnahme“ und „Machtinteressen“. Weltweit werde hochgerüstet, auch in Deutschland. Döring kritisierte eine „gigantische Aufrüstung“ und sprach von einer „gesellschaftlichen Militarisierung“. Den Appell des Verteidigungsministers, Deutschland müsse „kriegstüchtig“ werden, lehnte sie vehement ab: „Da machen wir nicht mit. Wir zahlen nicht für eure Kriege. Wir wollen nicht kriegstüchtig, sondern friedensfähig sein.“ Außerdem sprach sie sich für eine Rücknahme der jüngsten Verschärfungen im Asylrecht aus. Europa dürfe keine Festung sein.

Ralf Buchterkirchen von der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) wies darauf hin, dass der Zweite Weltkrieg kein Unglück, sondern ein „von Menschen gewolltes und durchgeführtes Verbrechen an der Menschheit“ war. Doch aus der Geschichte habe man offenbar wenig gelernt – Rechtsextremisten seien erneut im Aufwind. Krieg sei wieder ein Mittel der Politik geworden, wie der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine zeige. Dabei brauche es nicht mehr Waffen, sondern langfristige Lösungen. Krieg treffe immer die Schwächsten – wie der „kompromisslose Krieg im Nahen Osten“ belege. Zwar nutze die Hamas Zivilisten als Schutzschilde, doch auch die israelische Antwort sei „nicht nur aus friedensethischer Perspektive fragwürdig“. Buchterkirchen betonte, Konflikte dürften nicht mit militärischen Drohungen oder Aufrüstung gelöst werden. Die eingesetzten Mittel sollten stattdessen dem sozialen Frieden zugutekommen.

Wulf Gallert, Vizepräsident des Landtags von Sachsen-Anhalt (Die Linke), erinnerte daran, dass der 1. September als Antikriegstag dauerhaft im kollektiven Gedächtnis verankert bleiben müsse – als Mahnung, die Schrecken des Nationalsozialismus nie zu vergessen. Der Gedenktag solle nicht bloß eine symbolische Veranstaltung bleiben: „Und das können wir nur, in dem wir nicht auf dem Sofa sitzen, sondern uns in der Öffentlichkeit zeigen.“ Gallert stellte die Ausrichtung der Bundespolitik auf „Kriegsfähigkeit“ infrage und sprach sich stattdessen für „Friedensfähigkeit“ aus. Er kritisierte die geplanten Kürzungen beim Bürgergeld, während gleichzeitig über 5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts – rund 200 Milliarden Euro – in die Rüstung investiert werden sollen. Die geplanten Waffen sollen größtenteils aus den USA kommen. „Denen geht es nicht um Sicherheit, sondern darum, dass ihre Rüstungskonzerne Geld verdienen. Und dafür sollen wir bluten“, sagte Gallert. Zur Diskussion um die Wehrpflicht äußerte er Unverständnis: Es habe lange geheißen, es gebe zu wenige junge Leute und Fachkräfte – nun sollen junge Männer für den Wehrdienst und junge Frauen für ein soziales Pflichtjahr verpflichtet werden. Das sei widersprüchlich. Auch die angebliche militärische Überlegenheit Russlands stellte er infrage: „Die EU hat mehr Menschen unter Waffen als Russland.“ Aufrüstung führe in eine gefährliche Spirale. Investitionen sollten stattdessen in Bildung, Klimaschutz, Kitas und Schulen fließen. „Wir wollen keine Aufrüstung. Wir wollen, dass Menschen in diesem Land vernünftig leben können.“

Andreas Dose vom DGB nannte die Rückkehr zu militärischen Konflikten „besorgniserregend“. Schätzungsweise mehr als 200.000 Menschen würden in diesem Jahr weltweit durch Kriege sterben. Ukraine und Nahost seien nur die sichtbarsten Konflikte. Die zunehmenden Spannungen zwischen Großmächten wie den USA, China und Russland führten zu einer globalen Konfrontationspolitik, in der Europa nur noch Spielball sei. Er warnte vor einer Entwicklung, in der Bildung, Soziales und öffentliche Daseinsvorsorge unter der Aufrüstungspolitik litten und forderte die Bundesregierung auf, „die Spirale der Aufrüstung zu stoppen.“

Eine Sprecherin der Linksjugend [’solid] kritisierte das Werben der Bundeswehr an Schulen und im öffentlichen Raum, wo ein verklärtes Bild des Soldatenberufs vermittelt werde. Sie äußerte zudem Kritik an der israelischen Kriegsführung in Gaza sowie an der deutschen Regierung, die nicht nur zuschaue, sondern durch Waffenlieferungen mitverantwortlich sei.

Marktplatz-Kundgebung des Friedensbündnisses: Antikapitalistische und antiimperialistische Töne

Später folgte eine große Kundgebung auf dem Marktplatz, organisiert vom Friedensbündnis Halle (Saale). Mit dabei waren unter anderem: die Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend (SDAJ), das Solidaritätsnetzwerk Halle, der Freidenker-Verband, die Internationale Jugend Halle, die Deutsche Kommunistische Partei (DKP), das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) sowie die Gruppe Students for Palestine.

Alexander Müller (Students for Palestine) warf Israel vor, seit 70 Jahren Menschen zu vertreiben, zu töten und zu berauben. Es sei an der Zeit, für die Freiheit Palästinas einzutreten. Ziel müsse ein „Frieden ohne Apartheid“ sein – ein Frieden, in dem Menschen in ihre Heimat zurückkehren könnten. Deutschland mache sich durch Waffenlieferungen und politische Unterstützung mitschuldig an den israelischen Kriegsverbrechen.

Martin vom Solidaritätsnetzwerk sah die Ursache für globale Kriege im kapitalistischen System selbst. Solange die Welt von imperialistischen Machtblöcken dominiert werde, seien Kriege unvermeidbar. Die Lösung sei daher, den Kapitalismus zu überwinden und für eine sozialistische Gesellschaft zu kämpfen.

Sylvia Winkelmann-Witkowsky (BSB-Kreisverband Halle-Saalekreis) kritisierte die mediale Kriegsrhetorik: Überall werde vom Angriff Russlands im Jahr 2027 gesprochen – eine kritische Friedensdebatte finde kaum noch statt. „Wir werden ganz gezielt auf einen kommenden Krieg vorbereitet.“

Als Hauptrednerin sprach Sevim Dağdelen, ehemalige Bundestagsabgeordnete (BSW). Sie griff die Bundesregierung und ihre Prioritäten scharf an: Bundeskanzler Merz erkläre den Sozialstaat für nicht mehr finanzierbar, während am selben Tag der Vizekanzler in der Ukraine neue Finanzhilfen verspreche. Sie hinterfragte die Logik dieser Politik: „Ein nicht mehr finanzierbarer Sozialstaat – aber ein nicht gewinnbarer Krieg wird weiter bezahlt?“ Dağdelen bezeichnete den Ukraine-Krieg als militärisch nicht zu gewinnen und sprach der Bundesregierung eine „gefährliche Selbstüberschätzung“ zu. Die Propaganda der Alternativlosigkeit von Aufrüstung nannte sie „lächerlich“. „Wir sollten uns nicht für dumm verkaufen lassen“, sagte sie. Menschen, die diesen Krieg gegen Russland befürworteten, hätten den Bezug zur Realität verloren. Ihr Fazit: „Wie lange wollen wir diesen Wahnsinn noch dulden?“

Frank Oettler (MLPD): Warnung vor Kriegsvorbereitung und AfD-Nähe

Frank Oettler von der MLPD hielt eine separate Kundgebung ab. Er bezeichnete die gegenwärtige Lage als „blutigen Ernst“: Die Bundesregierung bereite sich systematisch auf einen neuen Krieg vor – unter anderem durch die Gründung eines nationalen Sicherheitsrats. Leidtragende seien wieder die Arbeiter*innen, die als „Kanonenfutter verheizt“ würden. Oettler warnte vor der Annäherung führender Wirtschaftsakteure an die AfD, die er als „Militaristenpartei“ und „faschistische Truppe“ bezeichnete. Diese sei bereit, Krieg zu führen und die Arbeiterbewegung zu unterdrücken – so wie es bereits 1933 geschehen sei.

Abschluss mit Gebet und Demonstration

Am späten Nachmittag fand in der Marktkirche ein interreligiöses Friedensgebet statt. Vertreter verschiedener Religionen trugen Texte aus ihren heiligen Schriften und Friedensbitten vor – ein Zeichen für Dialog und gemeinsames Eintreten für ein friedliches Miteinander. Zudem zog eine Demonstration des Solidaritätsnetzwerks durch die Innenstadt.