Hans Robert Hanning ist wahrscheinlich noch vor dem Bundestrainer der bekannteste Mann im deutschen Handball – jedenfalls in der Kurzform Bob. So nennt ihn jeder, auch wenn über ihn gesprochen wird, den Nachnamen braucht es dann gar nicht mehr. Als in der vergangenen Woche sein wichtigster Mitarbeiter bei den Füchsen Berlin über ihn sprach, sagte dieser allerdings nicht „Bob“. Er sagte: „Die Transferpolitik liegt momentan beim Geschäftsführer.“ Und weil der Mann, der das sagte, Stefan Kretzschmar, als Sportvorstand eigentlich für die Transferpolitik zuständig, ist, stellte sich erst recht die Frage, was das zu bedeuten hat.

Um Transferpolitik geht es dabei allenfalls vordergründig. Tatsächlich geht es gerade um viel mehr beim deutschen Meister. Um die Weichenstellung für die Zukunft. Und um die Frage, ob Hanning und Kretzschmar davon noch eine gemeinsame Vorstellung entwickeln können. Nach allem, was in dieser Woche zu sehen und zu hören war, liegt die Vermutung nahe: eher nicht. Die Handballszene jedenfalls wartet schon auf den großen Knall in der Hauptstadt.

„Er ist Angestellter des Vereins“

Was Hanning dazu am Telefon sagt, lässt Spielraum für Interpretation: „Wir suchen nach Lösungen, die für den Verein richtig sind.“ Er sagt aber auch: „Die Aussagen von Stefan, die Personalplanung einzustellen, finde ich grenzwertig. Er ist Angestellter des Vereins.“ Am Sonntag hatte Hanning dazu am Dyn-Mikrofon noch ein paar andere Sachen gesagt, er redete sich geradezu heiß, sodass der 39:27-Auftaktsieg gegen den Bergischen HC erst recht zur Randnotiz wurde.

Eigentlich müssten bei den Füchsen ja alle gerade noch mit einem Lächeln übers Parkett schweben. Dem Meistertitel, dem ersten der Vereinsgeschichte, folgte zwar die Niederlage im Champions-League-Finale gegen Magdeburg, aber als in dieser Saison der erste Titel zu vergeben war, waren die Berliner wieder da: Supercup gegen den THW Kiel. Vor zwei Wochen waren vier Jung-Füchse dabei, als die deutsche U 19 Weltmeister wurde, ein weiterer Ausweis der konkurrenzlos guten Nachwuchsarbeit. Und pünktlich zum Saisonstart verkündete der Verein die Verlängerung der Verträge mit Kapitän Max Darj und dem Ur-Berliner Fabian Wiede.

Gesprochen wird seitdem allerdings nur über Verträge, die noch nicht verlängert sind, allen voran jene von Sportvorstand Kretzschmar und Meistertrainer Jaron Siewert, beide laufen am Saisonende aus. Eine Situation, die insbesondere bei Kretzschmar für Unverständnis sorgt. „Es ist ein Zustand, wo man natürlich gerade in der Luft hängt. Es ist für alle Beteiligten eine angespannte Situation“, sagte er. „Ich finde das nicht gerade hundertprozentig gut oder hilfreich. Aber wenn es so ist, dann ist es halt so.“

Was gut und hilfreich ist, darüber reklamiert bei den Füchsen aber letztlich einer die Hoheit: Hanning. In seinem Zeitplan, sagt dieser, gebe es „keinen Druck“. Es werde im Laufe des September Entscheidungen geben, so wie er das vorher auch schon angekündigt habe.

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Über diesem Zeitplan liegt zugleich noch ein anderer. Hanning hat angekündigt, sich in drei Jahren zurückzuziehen. Für ihn geht es darum, den Klub, den er zu dem gemacht hat, was er ist, auch darüber hinaus so aufzustellen, wie er das für gut und hilfreich hält. „Ich will nicht an dem gemessen werden, was wir erreicht haben, sondern wie ich den Verein hinterlasse“, sagt er.

In diesem Plan spielt der Name Paul Drux eine zentrale Rolle, der frühere Nationalspieler absolviert nach seinem Karriereende gerade ein Trainee-Jahr beim Hauptsponsor. Ob Kretzschmar und Siewert hingegen noch eine spielen, und wenn ja, wie lange? Ungewiss. Hanning sagt: „Ich bin mit Jaron im Gespräch, mit Kretzsche habe ich am vergangenen Montag ein Gespräch gehabt, in den nächsten Tagen und Wochen werden wir noch mal Gespräche führen müssen.“

Paul Drux absolviert nach seinem Karriereende gerade ein Trainee-Jahr beim Hauptsponsor.Paul Drux absolviert nach seinem Karriereende gerade ein Trainee-Jahr beim Hauptsponsor.dpa

Offenkundig ist schon in der Meistersaison nicht alles Gold gewesen, was an der Oberfläche mit den Auftritten des Teams um Superstar Mathias Gidsel glänzte. Auf dem Weg zum Titel sei alles dem Erfolg untergeordnet gewesen, sagt Hanning. Aber: „Vieles, was wehgetan hat, geht jetzt in Verarbeitung.“ In der Sommerpause horchte die Handballszene auf, als Präsident Frank Steffel, ein Hanning-Vertrauter, die Frage in den Raum warf, wann Siewert, gerade zum „Trainer des Jahres“ gekürt, womöglich selbst etwas Neues machen wolle.

Siewert, 31 Jahre alt und seit 2020 Cheftrainer, ist von Hanning stets gefördert worden. Allerdings gab es immer mal wieder Zweifel, ob der junge Coach sich wirklich zu dem entwickeln würde, was der Mentor und Macher in ihm sah. Am Ende sprach der Erfolg für ihn – und womöglich dafür, dass Hanning auch weiter etwas in ihm sieht.

Hanning und Kretzschmar sind fast Nachbarn

Zu Kretzschmar wiederum scheint die Distanz noch einmal gewachsen. Schon in der Vergangenheit gab es unterschiedliche inhaltliche Auffassungen, bis hin zur grundsätzlichen Ausrichtung. Während es für Hanning stets unverhandelbar war, Spitzenleistung und Jugendförderung als zwei Seiten derselben Medaille zu sehen, hätte Kretzschmar gerne noch mehr in Spitze und Tiefe des Kaders investiert. Kürzlich entschied Hanning, dem Jung-Nationalspieler Max Beneke mit einer Leihe nach Eisenach zu mehr Spielzeit zu verhelfen, Kretzschmar knurrte insgeheim.

Aktuell möchte der sich nicht mehr zu dem Thema äußern – der Fokus soll auf dem Sport liegen, am Mittwoch tritt das Team in Göppingen an, am Samstag dann kommt Magdeburg zum Spitzenspiel. Die Art und Weise allerdings, wie die beiden Alpha-Füchse zuletzt öffentlich miteinander umgesprungen sind, legt den Schluss nahe, dass hier inzwischen auch eine persönliche Ebene erreicht ist. Hanning und Kretzschmar sind fast Nachbarn an einem traumhaften See nördlich von Berlin, zu Hannings Handball-Buch hat Kretzschmar ein Kapitel beigetragen. Das gemeinsame bei den Füchsen könnte nun zu Ende gehen.