Bayern gibt Raubkunst-Werke aus der NS-Zeit an die rechtmäßigen Besitzer zurück. Vier Gemälde aus dem Bestand der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen sollen restituiert werden, wie die Sammlungen mitteilten. In einem weiteren Fall will man das Bild dem Schiedsgerichts NS-Raubkunst zur Klärung vorlegen.

Die Gemälde „Lot und seine Töchter“ sowie „Abraham bewirtet die drei Engel“ von Franz Sigrist dem Älteren sollen demnach an die Erben der ehemaligen Münchner Kunsthandlung Brüder Lion zurückgegeben werden. Die traditionsreiche Kunsthandlung Brüder Lion war 1888 von Jakob Lion gegründet worden, entwickelte sich in den 1920er-Jahren zu einer der führenden Galerien Münchens und gehörte bis 1935 zu den zehn umsatzstärksten Kunst– und Antiquitätenhandelsfirmen in München. Die beiden kleinformatigen altdeutschen Werke gelangten am 14. Dezember 1936 im Tausch gegen ein großformatiges impressionistisches Werk des dänischen Malers Peder Severin Krøyer in den Besitz der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen. Kurz darauf wurden die Brüder Lion unter den Nationalsozialisten gezwungen zu schließen.

Die Nachfahren des verfolgten jüdischen Direktors der Commerz- und Disconto-Bank Hannover, Ernst Magnus, sollen das Bild „Hl. Anna Selbdritt“ von einem Schüler von Lucas Cranach dem Älteren erhalten. Magnus war gezwungen es zu verkaufen, um die Flucht seiner Familie vor den Nazis zu finanzieren.

Auch „Am Wirtshaustisch“ von Ernst Karl Georg Zimmermann wurde als Raubkunst identifiziert. Wer die rechtmäßigen Erben sind, ist nach Angaben der Staatsgemäldesammlungen aber noch nicht eindeutig geklärt.

Die Restitutionsentscheidungen beruhen auf der Forschung des Referats für Provenienzforschung. Dieses ist seit Juli 2025 in der neu gegründeten Staatlichen Museumsagentur Bayern angesiedelt. Die Provenienzforschung hatte den Angaben zufolge ergeben, dass es sich bei den vier Bildern um NS-Raubkunst handelt. Für ein fünftes Werk, das Bild „Junges Mädchen mit Strohhut“ von Friedrich von Amerling, soll das neue, bundesweit zuständige Schiedsgericht NS-Raubkunst angerufen werden und eine Entscheidung treffen.

Die Staatsgemäldesammlungen sehen in diesen fünf Fällen einen „Ausdruck von mehr Transparenz und Tempo bei Provenienzforschung und Restitution“.

ExklusivNS-Raubkunst

:Alarmstufe Rot

Der SZ liegen interne Berichte vor, die nahelegen, dass sich in den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen 200 NS-Raubkunstwerke befinden, unter anderem von Picasso und Klee. Die Nachfahren der meist jüdischen Besitzer werden bis heute im Dunkeln gelassen.

SZ PlusVon Jörg Häntzschel

Bayern stand wegen seiner Rückgabepolitik schon lange in der Kritik. Im Februar dieses Jahres berichtete die Süddeutsche Zeitung über die Missstände in den Staatsgemäldesammlungen. Dabei ging es zunächst vor allem um den Umgang der Sammlung mit möglicher NS-Raubkunst – also Werken, die jüdischen Eigentümern im Nationalsozialismus weggenommen oder unter Zwang abgepresst wurden. Die Prüfung solcher Verdachtsfälle wurde als intransparent und schleppend kritisiert, sogar von Vertuschung war die Rede.

Anfang April musste der langjährige Generaldirektor Bernhard Maaz gehen, sein Nachfolger ist seitdem der Jurist Anton Biebl – allerdings nur vorübergehend. Der frühere Münchner Kulturreferent trat ein diffiziles Erbe an, auch weil er die staatlichen Museen zusätzlich als Change Manager insgesamt voranbringen soll.

Anton Biebl im Porträt

:Der neue Mann an der Spitze der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen

Der bisherige Münchner Kulturreferent Anton Biebl wird nicht nur die Museumsinitiative des Freistaats leiten. Nun ist er auch Generaldirektor der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen. Eine enorme Herausforderung angesichts neuer schwerer Vorwürfe.

Das Ziel ist nun, Vertrauen zurückzugewinnen und transparent zu arbeiten, vor allem bei der Debatte um die Rückgabe von NS-Raubkunst. Nach Angaben von Bayerns Kunstminister Markus Blume (CSU) haben die Staatsgemäldesammlungen seit Februar mehr als 200 Werke in die Datenbank „Lost Art“ eingestellt. Frühere Eigentümer und deren Erben können hier nach geraubten Kunstobjekten suchen, damit sie diese zurückfordern können. Die Sammlung war dafür kritisiert worden, viel zu wenige ihrer Werke mit Raubkunst-Verdacht eingestellt zu haben.

„Mit der Rückgabe dieser vier Werke können wir das grausame Unrecht an den Eigentümern nicht heilen. Aber wir können damit den Versuch der Wiedergutmachung in Richtung der Opfer unternehmen und ein Zeichen setzen: Wir arbeiten intensiv an der Aufarbeitung des NS-Unrechts – seit diesem Frühjahr mit mehr Tempo, mehr Transparenz und mehr Ergebnissen“, sagte Blume.

„Die Rückgabe der vier Gemälde ist für uns ein weiterer wichtiger Schritt, die Aufarbeitung unserer Sammlungsgeschichte fortzusetzen“, betonte Biebl. „Wir nehmen die Verantwortung für eine gründliche Provenienzforschung sehr ernst.“