Jeder kennt „Every Breath You Take“. Es ist der größte Hit, den The Police jemals hatten. Einer der berühmtesten Songs der Achtziger. Acht Wochen lang stand er im Sommer 1983 auf Platz eins der US-Charts. 2019 erklärte BMI ihn offiziell zum „meistgespielten Song in der Radiogeschichte“ und brach damit den 22-jährigen Rekord von „You’ve Lost That Lovin’ Feelin’“. 1997 stand er weitere elf Wochen an der Spitze, als Diddy und Faith Evans daraus die Hip-Hop-Hommage an den verstorbenen Notorious B.I.G. machten: „I’ll Be Missing You“. Es ist einer der beliebtesten Songs der Welt – der berühmteste Hit, den Sting je geschrieben hat.

Von Studio-Prügeleien zur Klage

Oder doch nicht? Genau das ist nun eine juristische Frage. Diese Woche traf die Musikwelt ein Schock, als seine Ex-Bandkollegen Andy Summers und Stewart Copeland ihn vor dem London High Court verklagten. Sie fordern, 42 Jahre nach Veröffentlichung von „Every Breath You Take“ als Mitautoren genannt und bezahlt zu werden.

Die drei Briten hassten sich bekanntermaßen, vielleicht wirkt das also nur wie die neueste Runde ihrer endlosen Streitereien. Sie nahmen den Song auf, während sie sich im Studio regelmäßig prügelten. Sting sagte, er habe die halbe „Synchronicity“-Tour mit einer gebrochenen Rippe gespielt, nachdem er sich hinter der Bühne mit Copeland geprügelt hatte. Doch dieser Fall ist einzigartig: Es gibt kein Präzedenzfall, dass eine so berühmte Band Jahrzehnte später vor Gericht über Songwriting-Credits für einen geliebten Hit streitet. (The Band haben sich vielleicht in Bars beschwert, aber nie geklagt.) Wer, bitte, führt 42 Jahre Krieg um ein Liebeslied?

Das Besondere hier: Es gibt überhaupt keine Unklarheit darüber, wer was gemacht hat. Niemand hat je bestritten, dass Sting die Texte, Akkorde und die Melodie schrieb – wie fast immer bei The Police. „Unsere aktuelle Single, ‚Every Breath You Take‘, schrieb sich selbst, größtenteils, weil sie aus einer sehr alten Tradition stammt“, sagte Sting 1983 dem „Musician Magazine“. „Es ist sehr atavistisch und doch bedeutet es heute etwas. Ich wachte mitten in der Nacht in Jamaika auf, setzte mich ans Klavier, und die Akkorde und der Song kamen in zehn Minuten. Ich schrieb ihn auf, ging wieder ins Bett. Es ist eine Art zu sagen: Es gibt noch immer etwas Bedeutungsvolles und Nützliches an der alten Art, eine Rock’n’Roll-Ballade zu schreiben. Aber es ist nicht völlig abgeleitet – ich höre da etwas anderes: eine Spur von Traurigkeit.“

Summers’ Riff als Zankapfel

Sein ursprüngliches Demo war ein komplett fertiger Song, mit einem Hammond-Orgel-Part, den sie später durch Andy Summers’ Gitarren-Arpeggios ersetzten. Das Demo enthält dieselben Worte und dieselbe Melodie wie die finale Version des 1983er Erfolgsalbums „Synchronicity“. Doch in den letzten Jahren behauptet der 82-jährige Summers, sein Riff verdiene eine Co-Autorenschaft. „‚Every Breath You Take‘ wäre in den Müll gewandert, bis ich darauf gespielt habe“, sagte Summers 2023 in Jeremy Whites Podcast. „Es ist ein sehr umstrittenes Thema – es ist sehr lebendig im Moment.“ Er deutete bereits damals rechtliche Schritte an: „Beobachten Sie die Presse, mal sehen, was im nächsten Jahr passiert. Mehr kann ich nicht sagen.“

Die drei Mitglieder von The Police haben sich bisher nicht zur Klage geäußert. Sting und seine Firma Magnetic Publishing Limited sind als Mitangeklagte aufgeführt. 2022 verkaufte Sting die Rechte an seinem gesamten Songwriting-Katalog – solo und mit The Police – an Universal Music Group für geschätzte 250 Millionen Dollar.

Es war der größte Hit von 1983, aber er hat nie die Radiowellen verlassen – mit seinem verführerischen Klang und seiner unheimlichen Stimmung. Jahrzehntelang stellte niemand ernsthaft infrage, dass Sting ihn schrieb, so wie er auch alle anderen Hits schrieb. Doch alle drei spielen hier brillant: Summers’ Gitarre, Copelands massive Snare, Stings Bassdröhnen bei Minute 2:58. Man kann jederzeit hören, was jeder spielt, weil Hugh Padghams Produktion so klar und sparsam ist. Das einzige Rätsel im Sound ist das seltsam, aber großartig scheppernde Klavier – gespielt von Sting. Er macht mit einem Ein-Ton-Klaviersolo das, was Neil Youngs „Cinnamon Girl“ mit einem Ein-Ton-Gitarrensolo tat.

Songwriting oder nur Arrangement?

Es gibt also keine Zweifel, was jeder beigetragen hat. Der Streit dreht sich allein darum, was „Songwriting“ ist – und was nur „Arrangement“. Musiker diskutieren das seit Ewigkeiten, doch früher machte man Geld mit Plattenverkäufen. Heute sind die weggebrochen, also sind Tantiemen aus Verlagsrechten wichtiger denn je. Mit zunehmendem Alter der Musiker – und wachsendem Durst ihrer Enkel – werden die Kämpfe hässlicher. Wie Adam Gopnik im „New Yorker“ schrieb: „Jede Biografie oder jedes Memoir aus der Musikwelt ist am Ende ein Buch über Musikverlage.“ Spandau Ballet-Songwriter Gary Kemp wurde einst von seinen Bandkollegen verklagt – außer seinem Bruder. Hatte der Saxofonist von „True“ Anspruch auf ein Fünftel der Urheberschaft? Laut Richter: nein.

Sting selbst sagte oft, dass „Every Breath You Take“ nicht der originellste Song der Welt sei. 1993 gestand er in einem Interview: „‚So Lonely‘ habe ich komplett von Bob Marley geklaut. Total. ‚No Woman, No Cry‘ schneller gespielt, mit leicht anderer Melodie. Dieselben Akkorde – C, G, a-Moll, F. Das Akkordschema von ‚Every Breath You Take‘ ist genauso generisch. Es ist ‚Stand by Me‘, es ist ‚Slip Slidin’ Away‘ von Paul Simon, und auch die Lyrics sind nicht besonders originell – direkt aus einem verdammten Reimlexikon. Aber irgendwie hat dieser Song etwas Einzigartiges, und ich weiß nicht, was es ist.“

Kämpfe im Studio

Kein Wunder also, dass die Aufnahme-Sessions wie Krieg waren, mit Prügeleien im Studio. „Sting wollte, dass Stewart einfach nur einen ganz geraden Rhythmus spielt, ohne Fills oder irgendwas“, erinnerte sich Produzent Padgham. „Und das war das komplette Gegenteil von Stewarts Stil. Stewart sagte: ‚Ich will meinen verdammten Drum-Part spielen!‘ Und Sting sagte: ‚Ich will nicht, dass du deinen verdammten Drum-Part spielst! Ich will, dass du spielst, was ich will!‘ – und so ging es weiter. Es war wirklich schwierig.“ Copeland selbst meinte: „Die Momente, in denen ich am nächsten dran war, ihn umzubringen, waren, wenn er zu mir kam und mir irgendwas über das Hi-Hat erzählen wollte.“

Die Kämpfe dauerten an, bis Summers sein Arpeggio-Riff einbrachte. „Ich habe mich nicht hingestellt und damit geprahlt“, sagte er 2022 dem „Guitar World“. „Es ging mehr darum, diese anderen Bastarde zufrieden zu stellen.“ Er sieht es so: Er habe den Song gerettet. „Der Song wäre sonst weggeworfen worden. Sting und Stewart konnten sich nicht einigen, wie Bass und Schlagzeug laufen sollten. Wir waren mitten in ‚Synchronicity‘ und Sting sagte: ‚Na los, mach es zu deinem eigenen.‘ Ich spielte es in einem Take. Alle standen auf und klatschten. Und natürlich ging das verdammte Ding um die ganze Welt, direkt auf Platz eins in Amerika. Und das Riff ist heute ein unsterblicher Gitarrenpart, den jeder Gitarrist lernen muss.“ Sting erzählte die gleiche Geschichte: „Musikalisch schrieb ich den Song und die Gitarrenparts und sagte dann zu Andy: ‚Mach es zu deinem eigenen.‘“

Dauerstreit ums Songwriting

Sie stritten sich ständig ums Songwriting, selbst in den frühen Tagen. Copeland und Summers bekamen pro Album ein oder zwei Credits. „Das Hauptproblem war das Songwriting“, sagte Sting später. „Ich gab einen Teil meiner Verlagsrechte ab, nur um die Band zusammenzuhalten. Jeder wollte Songwriter sein.“ War es nicht offensichtlich, dass er der Schreiber der Hits war? „Ich kann das nicht wirklich beantworten, aber ich war derjenige, der alle Hits schrieb. Ich dachte, das sei unstrittig. Aber wir hatten trotzdem unzählige Kämpfe darüber.“

Summers und Copeland durften auch Songs zu „Synchronicity“ beisteuern – mit eher schwachen Ergebnissen. Summers lieferte das „beleidigend schreckliche“ „Mother“, das kürzlich Platz eins in ROLLING STONES Liste „Terrible Songs on Great Albums“ erreichte (noch vor „Maxwell’s Silver Hammer“). Copelands „Miss Gradenko“ war immerhin nicht ganz so schlimm wie „Mother“. Doch beide Songs auf demselben Album wie „Every Breath You Take“, „King of Pain“ und „Wrapped Around Your Finger“ zu platzieren, war skandalös. Im Vergleich wirkt sogar „De Doo Doo Doo, De Da Da Da“ wie ein Meisterwerk à la Nabokov.

Glanzleistungen abseits von Sting

Immerhin: Summers schrieb mit „Omegaman“ das beste Stück auf „Ghost in the Machine“. Außerdem erfand er „Behind My Camel“, das 1980 den Grammy für „Best Rock Instrumental“ gewann. Sting hasste den Song so sehr, dass er das Band im Garten vergrub, bis Andy es wieder ausgrub. Copeland lieferte Highlights auf „Reggatta de Blanc“, etwa „Does Everyone Stare“. Später fand er seine kreative Nische in Filmsoundtracks wie Francis Ford Coppolas „Rumble Fish“. „Meine Kompositionen gehen weitgehend in externe Projekte“, sagte er. „Denn in der Band gibt es eine Art Einheit des Sounds bei Stings Material, und ich weiß, was ich damit zu tun habe.“

The Police lösten sich kurz nach „Every Breath You Take“ auf, nach der „Synchronicity“-Stadiontour – aus purem gegenseitigen Hass. 1986 trafen sie sich kurz für ein schwaches Remake von „Don’t Stand So Close to Me“, 1992 bei Stings Hochzeit und 2007 für eine hochlukrative Reunion-Tour. Sie spielten auch bei Al Gores „Live Earth“-Konzert – mit John Mayer an der Gitarre und Kanye West, der rappte: „Sting, you the only Police good in the hood.“ Das nächste gemeinsame Projekt kam erst diese Woche, als Jazzmusiker Christian McBride sein neues Album veröffentlichte – mit „Murder by Numbers“, einem B-Seiten-Song, den Sting und Summers zusammen schrieben. Beide spielen auf der McBride-Version – hoffentlich in getrennten Räumen, um ein Blutbad zu vermeiden.

Ein düsteres Liebeslied

Ironisch, dass gerade dieser Hochzeitshit eine so konfliktreiche Entstehungsgeschichte hat – und mit der Klage noch konfliktgeladener wird. Doch die Saga steckt voller seltsamer Details. Zum Beispiel: „More Than I Can Say“ von Leo Sayer, ein heute fast vergessener Top-Ten-Hit von 1981. Als ich „Every Breath You Take“ das erste Mal hörte, dachte ich: „Wie kommen die damit durch?“ Antwort: Sie kamen durch, weil es niemandem auffiel. Sayers Version klingt fast identisch, auch wenn The Police sie vermutlich nie gehört hatten.

Und Puff Daddys Version? Sting sagte dem ROLLING STONE: „Mit den Einnahmen habe ich ein paar meiner Kinder durchs College gebracht.“ Letzten Herbst meinte er, der Prozess gegen den Rap-Mogul habe das Lied nicht „beschmutzt“: „Es ist immer noch mein Song.“

Historische Vergleiche

Bislang galt der Streit in The Band als der berüchtigtste Fall. Schlagzeuger Levon Helm wetterte jahrelang gegen Robbie Robertson wegen der Credits. (Helms Behauptungen wurden dadurch relativiert, dass er zwar eine lange Solokarriere hatte, aber kaum Songs schrieb.) Robertson sagte 2000: „Ich schrieb Songs, bevor ich Levon überhaupt traf. Tut mir leid, ich habe einfach härter gearbeitet als alle anderen. Jemand musste vorangehen, jemand musste die Karte zeichnen. Die Jungs waren für die Arrangements zuständig – aber das ist eben ihr Job.“

Ein „vergifteter“ Klassiker

Für Sting war der Song jedoch immer persönlich. „Es ist oberflächlich ein Liebeslied, sehr verführerisch und romantisch“, sagte er. „Aber in Wahrheit geht es darum, jemanden bis ins Letzte zu kontrollieren und seine Bewegungen zu überwachen.“ Viele Fans übersahen diese düstere Ebene. „Es ist nicht wie ‚Stand by Me‘, das nur eine noble Bedeutung hat. ‚Every Breath You Take‘ ist sehr mehrdeutig und ziemlich böse.“

Als Gegengift schrieb Sting 1985 seinen Solo-Hit „If You Love Somebody, Set Them Free“. „Ich musste das Antidot schreiben, nachdem ich die Leute mit diesem schrecklichen Song vergiftet hatte“, erklärte er. Vielleicht ist das der Grund, warum der Konflikt um diesen Song nie endet. Es ist ein zeitloser Klassiker mit einer langen, verdrehten Geschichte. Und 42 Jahre nach seinem Siegeszug wird die Geschichte von „Every Breath You Take“ immer noch bizarrer.