Eine größere Abwanderung von Wissenschaftlern könnte die USA langfristig wirtschaftlich schädigen. Neben dem Verlust von Humankapital sowie von potenten Steuerzahlern würde allerdings auch der Wissenschaftsstandort USA massiv geschwächt werden. Dieses Phänomen wird „Braindrain“ (wörtlich: „Gehirnabfluss“) genannt und hätte auch weitreichende Folgen für den internationalen Austausch in der Forschung. Wie der Präsident der Hochschulrektorenkonferenz Rosenthal hervorhebt, sei Wissenschaft Teamwork und lebe vom Austausch. „Die Vielfalt an Perspektiven und Hintergründen trägt wesentlich zum wissenschaftlichen Fortschritt bei.“

Kritik an der Idee des Abwerbens kommt auch von Joybrato Mukherjee, dem Präsidenten des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD). Mukherjee sagte Anfang März dem Portal table.media, dass der DAAD „kein Interesse“ an „Abwerbeaktionen“ habe. Vielmehr liege der Fokus darauf, Institutionen sowie Wissenschaftler in den USA zu unterstützen und Kooperationen zu intensivieren. Mukherjee warnt zudem vor überstürzten Reaktionen in diesem sensiblen Bereich.

Um Forschenden in den USA jedoch dann eine Perspektive zu bieten, wenn sie einen Umzug ihres Lebens- und Arbeitsmittelpunktes in Erwägung ziehen, müssen in Deutschland und der Europäischen Union noch bestimmte Weichen gestellt werden.

Das Fachmagazin „Nature“ kritisiert, dass viele Forscher eine übermäßige Regulierung und Bürokratie sowie eine konservative Einstellung zur Risikobereitschaft in Europa beklagen. Zudem habe „Europa noch einiges zu tun, um seine eigenen Verfahren zur Vermarktung von Innovationen zu verbessern“, wie das Magazin schreibt. Ein erster Schritt sei das EU-weite Innovationsgesetz von EU-Kommissarin Sachariewa, das die Forschungsförderung in der EU voranbringen soll.

Auch der Präsident der Hochschulrektorenkonferenz Rosenthal fordert, geeignete Rahmenbedingungen für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler „aller Karrierestufen, Disziplinen und fachlichen Schwerpunkte“ aus den USA zu schaffen. Dabei sollen Politik und Fördermittelgeber aktiv unterstützen, um einen Start zu ermöglichen.

„Es ist daher zu begrüßen, wenn Bund und Länder oder die Europäische Kommission weitere Mittel zur Verfügung stellen, um die Möglichkeiten der Aufnahme zu erweitern“, erklärt er. Dazu zählten nicht nur Förderprogramme, sondern auch geeignete Visabestimmungen. Rosenthal wünscht sich, dass generell Wert auf „eine Willkommenskultur in unserer Gesellschaft“ gelegt werden solle, um das freie Forschen zu unterstützen und Menschen, egal von wo aus sie nach Europa kommen, willkommen zu heißen.