Dieser Dienstag wird dem Bemühen der Bundeswehr, in Zeiten erhöhten sicherheitspolitischen Drucks ein attraktiver Arbeitgeber zu sein, nicht sonderlich geholfen haben. Das Berliner Landgericht hat die beiden ehemaligen Bundeswehrsoldaten des Wachbataillons Robby B. (36) und Benjamin Kr. (31) wegen gemeinschaftlicher schwerer sexueller Nötigung und Körperverletzung eines Kameraden zu jeweils einem Jahr und zehn Monaten sowieso einem Jahr und acht Monaten auf Bewährung verurteilt. Die Staatsanwaltschaft hatte eine Vergewaltigung angeklagt.
Ein dritter Soldat, Tino Ka., muss wegen Körperverletzung und unterlassener Hilfeleistung mit einer Geldstrafe von 6400 Euro rechnen. Hintergrund der Taten waren traditionelle Einführungsriten, wie sie in den Streitkräften, zumindest den Aussagen der Verurteilten zufolge, nach wie vor üblich sind.
Der Prozess war von Absurditäten und Unappetitlichkeiten überschattet worden. B. und Kr. hatten in der vergangenen Woche gestanden, den mittlerweile 24-jährigen Ex-Soldaten Phillip Z. zwischen Februar und Mai 2021 in der Julius-Leber-Kaserne in Berlin-Wedding misshandelt zu haben. Sie hätten ihren Kameraden Z. urplötzlich festgehalten, seine Geschlechtsteile befummelt und seinen Anus mit einem Fingerhütchen penetriert, heißt es in der Anklageschrift.
Bundeswehr-Soldat vergewaltigt: Normales Ritual bei der Truppe?
Nicht aus Erregung oder sexueller Befriedigung, so hatte Bobby B. (35) über seine Anwältin erklären lassen. Sondern weil es eine Art von Ritual sei, eine normale Form der Drangsalierung von Neulingen in der Kompanie. Eine Drangsalierung, die quasi dazu gehöre und die er selbst habe mitmachen müssen. Das Ritual ist als „Zäpfchen einführen“ bekannt. Der Vorgesetzte von Phillip Z. wiederum, Tino Ka., hatte den Vorgang nicht verhindert und an einem weiteren Ritual teilgenommen – dem sogenannten „Schweinehaufen“. Insgesamt sechs Soldaten sollen auf Z. gesprungen sein und ihn unter sich begraben haben.
Der misshandelte 24-jährige Z. hatte als erster Zeuge ausgesagt. Was in der Kaserne geschehen sei, belaste seinen Alltag bis heute. Er leide unter Schlafstörungen, Albträumen, Panikattacken. Bis zu seinem Ausscheiden aus dem Dienst Anfang 2025 sei er in Therapie gewesen. Er selbst habe die Angriffe aber in der Einheit nicht angezeigt.
Erst durch einen Kameraden wurde die Polizei viele Monate später informiert. Gleichzeitig stießen die Beamtinnen und Beamten im Zuge von Ermittlungen gegen die mutmaßlich rechtsextreme Gruppe „Wolfsrudel“ innerhalb des Bataillons auf Audiodateien, die B. und Kr. mit dieser Gruppierung in Verbindung brachten. Die „Wolfsrudel“-Ermittlungen führten zu keinen Ergebnissen, aber wohl dazu, dass Robby B. und Benjamin Kr. laut eigener Aussage die Bundeswehr verlassen mussten. Sie beteuerten vor Gericht, keine extremistische Einstellung zu haben und fühlten sich vorverurteilt. Tatsächlich hatte das Bundesverwaltungsgericht die Durchsuchung ihrer Stuben für unrechtmäßig erklärt.
Verteidiger sehen Nötigung, kein Sexualdelikt
Viel drehte sich im Prozess derweil um die Frage, ob es in der Kaserne tatsächlich zu einer Penetration gekommen ist oder nicht. Skurrilerweise hatten B. und Kr. genau das und damit eine Vergewaltigung gestanden. Das Opfer Z. aber bestand darauf, eine Penetration verhindert zu haben. Seine Anwältin erklärte das mit einem „Schutzmechanismus“. Die Verteidiger der Angeklagten wiederum sprachen von einem „falschen Geständnis“ ihrer Mandanten unter Druck.
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Sie plädierten in diesem Sinne dafür, den Vorfall nicht als Sexualdelikt zu werten, sondern als Nötigung. Das „Zäpfchen einführen“ sei nur aus einer veralteten Gruppendynamik heraus zu verstehen, wie sie Männerbünden wie der Bundeswehr eigen sein würden. Die „aus der Zeit gefallenen“ Riten bedeuteten ursprünglich Aufnahme, nicht Erniedrigung. Eine Ansicht, die die Kammer ausdrücklich nicht teilte, obgleich sie die Penetration nicht mehr zweifelsfrei feststellen konnte. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.