Maodo Lo bei der EM
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Ein Berliner Basketballer mit einem Faible für den besonderen Moment
Di 02.09.25 | 19:15 Uhr | Von Jakob Lobach
Bild: IMAGO / Alexander Trienitz
Maodo Lo ist kein gewöhnlicher Basketballer. Bei der Basketball-EM glänzt er mit besonderen Momenten, abseits des Parketts sticht seine Persönlichkeit heraus – allerdings ohne die Extravaganz seiner berühmten Künstler-Mutter. Von Jakob Lobach
Fast gemächlich, aber stetig tickten die digitalen Uhren in der Nokia Arena von Tampere herunter. Maodo Lo hatte sie im Blick. Ein Handwechsel durch die Beine nach links, einer nach rechts. Ein Hauch von Furcht legte sich auf das konzentrierte Gesicht von Gegenspieler Azuolas Tubelis. Der Litauer wusste, was nun passieren würde. Jeder, der Maodo Lo kennt, wusste es. Ein letzter Handwechsel, lang und blitzschnell, zwei seitliche Schritte, ein Wurf. Während die Sirene dröhnte, rauschte der Ball durch das Netz.
Dieser Wurf, dieser sogenannte Step-Back-Dreier zum Ende des ersten Viertels im EM-Spiel gegen Litauen ist schon ein paar Tage her. Trotzdem ist er Basketball-Liebhabern im Kopf geblieben – so wie vieles im Kopf bleibt, was Lo mit dem Ball in den Händen macht. Der Berliner ist ein Spieler für die besonderen Basketball-Momente.
Ibrahimagic kennt Lo schon lange
Auf den Nationalspieler ist Verlass, wenn auf der größten Bühne große Spiele gespielt werden. Aber es ist noch mehr als das.
Maodo Lo schafft selbst dann besondere Momente, wenn deren Umstände ganz und gar gewöhnlich sind. Er tat dies einst im Trikot von Alba Berlin und tut dies auch bei der diesjährigen Europameisterschaft wieder, wo Deutschland am Mittwoch gegen Finnland (19:30 Uhr) Platz eins in der Gruppe B perfekt machen will.
Dieses Ziel teilt Maodo Lo sich unter anderem mit Alan Ibrahimagic, dem Ersatz-Bundestrainer, der einmal mehr den noch nicht vollends genesenen Alex Mumbru vertreten wird. Auch Ibrahimagic ist in Berlin zu Hause – und erlebte dort schon vor 20 Jahren einen der besonderen Lo-Momente. „Als ich Maodo das erste Mal gesehen habe, da war er zwölf“, erzählte er am Dienstagnachmittag, „ich bin in die Halle gekommen und da war dieser Junge, der als Einziger den Kopf oben hatte beim Dribbeln.“ Mehr noch: „Er hat Handwechsel gemacht und dabei Sicherheit und Selbstbewusstsein ausgestrahlt.“
Ungewöhnliche Karriereschritte
Für Ibrahimagic war das damals Grund genug, sich den Namen ‚Maodo Lo‘ zu merken. Und dennoch schwebte der als jugendliches Talent stets unter dem Radar. Er spielte bei der DTV Charlottenburg statt bei Alba Berlin – von den Jugendnationalmannschaften ganz zu schweigen. Statt Profi zu werden, ging er in die USA ans College – erst an ein sehr kleines, dann vier Jahre lang an die Columbia University in New York.
Es war ein Schritt, der im Nachhinein viel über Maodo Lo aussagt. Columbia ist akademisch eine der besten Universitäten der USA, sportlich hingegen definitiv nicht. Wer dort studiert, muss mehr tun als Basketball spielen, muss mehr wollen, als der stereotypische Athlet mit sportlichen Scheuklappen zu sein. Bei Lo fängt dies damit an, dass er der Sohn der Künstlerin Elvira Bach ist – in den 80er Jahren eine Vertreterin der Neuen Wilden.
Der Blick über den Tellerrand hinaus
Große Bilder, schwungvolle Formlosigkeit, kräftige und grelle Farben prägten damals ihren Neoexpressionismus. Die Malerei als oft wuchtiger Ausdruck der eigenen großen Emotionen. Elvira Bach sieht man ihre Kunst in ihrem eigenen expressionistischen Aussehen eindeutig an. Bei ihrem Sohn hat sie eher intrinsisch Spuren hinterlassen. Einzig Los Spielstil auf dem Basketballparkett ist elegant und extravagant. Aber er kleidet sich weder besonders bunt, noch ist er besonders laut. Im Gegenteil: „Er ist ein sehr angenehmer, ein sehr ruhiger Mensch“, sagt Alan Ibrahimagic.
Nichtdestotrotz ist Lo an Kunst und Kultur interessiert – nicht umsonst verbrachte er den Großteil seiner professionellen Karriere in Städten wie München, Berlin, Mailand und Paris. Städte mit Geschichte und Charakter, mit Museen und Galerien. Hinzu kommt, dass Lo nicht nur an vielen Dingen interessiert, sondern auch in vielen Dingen sehr reflektiert ist. Sei es der Umgang mit persönlichen Schicksalsschlägen, wie dem frühen Tod seines älteren Bruders, gesellschaftlichen Themen oder psychologischen Phänomenen. Wenn man sich mit Lo unterhält, dann denkt er nach, bevor er einem antwortet. Und wenn es der Rahmen des Gespräches erlaubt, dann antwortet er nicht nur, sondern stellt auch selbst Fragen.
Auch in Tampere, rund um die EM, ist Lo einer der Spieler, die noch am wenigsten in den üblichen antrainierten Plattitüden sprechen. Nach dem zweiten Gruppenspiel gegen Schweden beispielsweise wurde Lo, dessen EM-Vorbereitung von einer Knieverletzung, verpassten Trainingseinheiten und Testspielen durchzogen war, nach seiner körperlichen Verfassung gefragt. Zwar lachend, aber doch ernsthaft stellte der 32-Jährige infrage, „ob ich nochmal auf hundert Prozent komme in meiner Karriere.“
So überraschte es kaum, dass Deutschlands Trainerteam Lo zuletzt beim absurd hohen Sieg gegen Großbritannien lieber schonte, nachdem dieser zuvor über ein unangenehmes Gefühl in seinem lädierten Knie geklagt hatte. Gegen Finnland und in der K.o.-Phase in Riga will und soll Lo allerdings definitiv wieder auf dem Parkett stehen – möglichst mit dem Rhythmus, den er sich zum Turnierstart erspielt hat.
„Er war bislang schon sehr wichtig für uns und wird das im weiteren Turnier auch bleiben“, sagte sein Trainer am Dienstag und begründete dies wie folgt: „Wenn Maodo sich auf dem Feld wohlfühlt, dann macht er dort Sachen, die nicht viele können.“ In anderen Worten: Maodo Lo ist immer gut für den nächsten besonderen Moment.
Sendung: rbb24, 01.09.25, 21:45 Uhr