Die AfD hofft vor den Kommunalwahlen auf große Stimmenzuwächse in Duisburg, einer ihrer westdeutschen Hochburgen. Die Partei fordert Oberbürgermeister Sören Link (SPD) mit einem eigenen OB-Kandidaten heraus: Carsten Groß, 54, aus Huckingen, war bis zur Nominierung öffentlich kaum in Erscheinung getreten. Wer ist der Mann und wofür steht er?
Sie sind der Unbekannte unter Duisburgs Oberbürgermeister-Kandidaten. Was sollten wir über Sie wissen?
Carsten Groß: Ich bin in Duisburg geboren und bin Stahlarbeiter. Meine Lehre als Energieelektroniker habe ich bei HKM gemacht. Dort arbeite ich im 38. Jahr. Ich bin in der Instandhaltung Krananlagen tätig.
Sie sitzen nicht im Rat, stehen nur auf Rang 8 der Reserveliste. Zumindest von außen betrachtet haben Sie in der AfD vor ihrer Nominierung keine große Rolle gespielt. Warum sind Sie ihr OB-Kandidat?
Ich bin seit 2018 in der Partei, hatte politisch noch keine Erfahrung. Ich habe mich eingearbeitet und wurde bei der letzten Kommunalwahl in die Bezirksvertretung Süd gewählt. Dann habe ich Erfahrungen auch im Ordnungsausschuss und im Schulausschuss gesammelt.
Sind Sie auch OB-Kandidat, weil Sie unvorbelastet sind? Gegen Sie wurde öffentlich noch nicht der Vorwurf erhoben, sie seien ein Rechtsextremist – anders als bei Ihrem Vorsitzenden Andreas Laasch, Ratsfrau Sabine Dehnen oder dem neuen Duisburger Bundestagsabgeordneten Stefan Keuter.
Das weiß ich nicht. Aber Rechtsextremismus liegt mir total fern. Den akzeptiere ich nicht.
Wo würden Sie sich innerhalb der AfD verorten? Im bürgerlichen Lager oder im völkisch-nationalistischen?
Bestimmt nicht. Eher bürgerlich. Ich möchte Politiker für jeden Duisburger sein, der sich hier mit uns, mit unserer Stadt identifiziert, arbeiten geht und rechtschaffend ist. Und da schließe ich auch alle Migranten mit ein, die hier fleißig arbeiten.
Die Duisburger AfD ist unter Andreas Laasch weit nach rechts gerückt, sucht die Nähe zu Rechtsaußen wie Matthias Helferich und Björn Höcke, den Herr Laasch 2024 selbst nach Rheinberg-Orsoy eingeladen haben soll. Sie sind Kandidat einer Partei, die vom Verfassungsschutz als verfassungsfeindlich eingestuft wird: Würden Sie an unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung etwas ändern, wenn Sie es könnten?
Nein, niemals. Wir sind eine Rechtsstaatspartei. Das ist mir sehr wichtig. Unser Grundgesetz und unsere Rechtsstaatlichkeit, das ist das höchste Gut unserer Gesellschaft.
Lesen Sie auch diese Artikel über die Wahl und die AfD in Duisburg:
Sie sind politisch und als Führungskraft relativ unerfahren. Trauen Sie sich den Job als Oberbürgermeister zu?
Relativ unerfahren – das würde ich nicht sagen. Ich habe fünf Jahre meine Erfahrungen gesammelt, ich habe mich weitergebildet und entwickelt. Ich traue mir das wirklich zu.
OB-Kandidat Carsten Groß: „Wir haben einen Riesenzuspruch, den wir noch nie erlebt haben“
Ihr Vorsitzender nennt Sie den „wahrscheinlichen neuen Oberbürgermeister von Duisburg“. Wie sehen Sie das?
Ja, es ist alles möglich. Die Stimmung kippt. Die Bürger wenden sich von den etablierten Parteien ab, und wir haben einen Riesenzuspruch, den wir noch nie erlebt haben. Alles ist möglich. Ich rechne damit, dass ich Oberbürgermeister werden kann.
Auf Wahlplakaten fordern Sie „Duisburg zuerst!“. Sie wollen „Duisburg wieder großartig machen“. Sind Sie ein Fan von Donald Trump?
Will ich so nicht sagen. Aber den Spruch fand ich ganz gut und der ist zutreffend für Duisburg. Wir müssen uns jetzt erst mal darum kümmern, dass Duisburg wieder schön wird und gut, weil Duisburg in einem schlechten Zustand ist. Es geht um Sicherheit, Infrastruktur, unsere Schulen. Erst wenn es mir selber gut geht, bin ich in der Lage, anderen zu helfen. Und in den Zustand muss Duisburg wieder kommen.
Sie kommen aus einer Stahlarbeiterfamilie, arbeiten bei HKM. Haben Sie Angst um Ihren Job?
Ich habe große Angst um die Stahlindustrie in Duisburg, um meinen Job auch, und um den Job meiner Kollegen. Da sind junge Familienväter dabei, die große Sorgen haben. Die zahlen Kredite ab und wissen nicht, wie ihre Zukunft aussieht.
Carsten Groß vertritt die AfD bislang in der Bezirksvertretung Süd und im Schul- und Ordnungsausschuss.
© FUNKE Foto Services | Alexandra Roth
Was ist Ihre Hoffnung, Ihr Plan für wettbewerbsfähigen Stahl aus Deutschland?
Meine Hoffnung ist, dass sich die Stahlindustrie wieder auf ihre Grundwerte besinnt. Und daraus folgt die Abkehr vom Green Steel. Durch grünen Stahl wird unser Produkt so teuer, dass wir nicht mehr konkurrenzfähig wären auf dem Weltmarkt.
Das ist der deutsche Stahl aber jetzt auch kaum, weil Stahl in China massiv subventioniert wird und auch in Indien viel preiswerter hergestellt wird. Es gibt eine weltweite Überproduktion, die Auslastung der Werke hier ist zu gering. Meinen Sie nicht, grüner Stahl könnte ein Wettbewerbsvorteil werden, weil CO₂-Ausstoß weltweit immer teurer wird?
Wir sollten uns darauf besinnen, weiter hochqualitativen Stahl zu machen. Indien und China kriegen diese Güte noch nicht hin. In der Stahlindustrie gibt es immer konjunkturabhängig Hochzeiten und Tiefs. Nach einer Depression kam immer ein Hoch. Und da hat sich Thyssenkrupp dumm und dämlich verdient. Statt sich damals auf Duisburg und NRW zu konzentrieren, haben sie die Gewinne, die wir hart erarbeitet haben, im Sumpf in Brasilien versenkt.
Sie sagen zum Green Steel: „Selbst die Gewerkschaften folgen dieser Ideologie schweigend und führen die Arbeitnehmerschaft in den Abgrund“.
Ich bin bei der IG Metall ausgetreten, nach 32 Jahren. Vor fünf Jahren war die Belegschaft schon skeptisch, dass diese Umstellung von fossilen Energien auf wasserstoffbasierte Reduktionsanlagen funktionieren kann. Jeder hat daran gezweifelt. Man konnte absehen, dass die Kosten dabei so horrend sind, dass die Stahlindustrie das nicht überleben kann. Die Diskussionen wurden in der Arbeiterschaft geführt. Die Gewerkschaften haben dieser Ideologie, die von der rot-grünen Regierung umgesetzt wurde, nicht widersprochen, sie haben nicht einmal die Probleme aufgezeigt.
Fast alle Staaten der Welt haben auf der UN-Klimakonferenz mit dem Übereinkommen von Paris einen Vertrag unterzeichnet, wonach sie Anstrengungen zum Erreichen des 1,5-Grad-Ziels unternehmen wollen. Sind Sie nicht dafür, den gewaltigen CO₂-Ausstoß in der Stahlindustrie zu senken?
Doch, ich wäre auch nicht gegen einen weichen, schrittweisen Umbau gewesen. Aber das 1,5-Grad-Ziel ist eine Illusion. Man sollte das gar nicht anstreben. Die Menschen haben zwar einen Anteil am Klimawandel, aber es hat immer Klimaveränderungen gegeben. Selbst wenn die Menschheit jetzt umschwenkt: Sie wird es nicht schaffen, diesen Klimawandel aufzuhalten.
„Kein Lehrer will in unseren Norden, weil da katastrophale Verhältnisse vorherrschen. Das wird aber nicht angesprochen von den Altparteien“
Carsten Groß
OB-Kandidat AfD
Nahezu alle Wissenschaftler bewerten das anders als Sie. Das Kommunalwahlprogramm der AfD Duisburg besteht nur aus vier DIN-A4-Seiten. Sie fordern knapp einiges, erklären aber nicht, wie das gehen soll. Sie wollen mehr Lehrer für Duisburg gewinnen. Das versucht die Stadt seit Jahren, zum Beispiel mit mietfreiem Wohnen. Wie wollen Sie das schaffen?
Es stimmt doch was in den Schulen selbst nicht. Lehrer im Duisburger Norden beklagen, dass sie nicht sicher sind, dass sie von Schülern abgefangen und bedroht werden. Das spricht sich doch in den anderen Städten rum. Kein Lehrer will in unseren Norden, weil da katastrophale Verhältnisse vorherrschen. Das wird aber nicht angesprochen von den Altparteien. Ich würde erst mal den Arbeitsalltag für die Lehrer erträglicher machen – Sicherheit schaffen in den Schulen.
Wie?
Wir wollen in allen sieben Bezirken Sicherheitszentren einrichten, wo Polizei, Staatsanwälte und Ordnungskräfte unter einem Dach zusammenarbeiten. Straftäter werden direkt der Staatsanwaltschaft zugeführt und zeitnah bestraft. Für einen 24/7-Ordnungsdienst in den Bezirken braucht es mehr Personal.
AfD-Kandidat: Außendienst des Ordnungsamtes soll massiv aufgerüstet werden
Wie viel mehr? Und haben Sie mal mit Polizei und Staatsanwaltschaft gesprochen über Ihre Pläne?
Wir haben ja nach den Tumulten vor einigen Jahren in Marxloh gesehen, dass es sogenannte Vor-Ort-Staatsanwälte geben kann. Da gibt es Möglichkeiten. Für die Bezirkszentren sehe ich eine Größenordnung von 20 zusätzlichen städtischen Ordnungskräften pro Bezirk.
140 neue Leute für den städtischen Außendienst, der schon in den vergangenen Jahren massiv aufgerüstet wurde. Sie wollen auch mehr Security im ÖPNV einsetzen. Wie wollen Sie all das bezahlen?
Man muss zum Beispiel bei ideologisch betriebenen Projekten einsparen. Wir geben gerade im Norden sehr viel Geld aus für die Leute, die unser Sozialsystem missbrauchen.
Meinen Sie die vom Land geförderten, finanziell bescheiden ausgestatteten Integrationsprojekte für südosteuropäische Zuwanderer?
Auch. Da muss ich mir mit dem Kämmerer den ganzen Haushalt anschauen, da wird man bestimmt Gelder freimachen können, damit die Bürger hier wieder sicher und gut leben können. Wir haben in Duisburg genug Geld. Es ist nur eine Frage der richtigen Verteilung.
Sie wollen auch die Stabsstelle Sozialleistungsbetrug personell aufstocken. Eigentlich müssten Sie doch recht zufrieden sein mit dem, wie die Stadt unter OB Link mit Meldekontrollen, der Stabsstelle Sozialleistungsbetrug, der Taskforce Schrottimmobilien und Missimo zur Bekämpfung des organisierten Kindergeld- und Sozialleistungsbetrugs vorgeht, oder?
Da passiert leider zu wenig. Ich mache den Leuten keinen Vorwurf, dass sie in unser Sozialsystem einwandern, das würde jeder machen, der Hunger hat. Aber es kann nicht sein, dass wir Sozialleistungen unkritisch auszahlen. Hier ist jeder Arbeitnehmer, der arbeitet und täglich seinen Job macht, herzlich willkommen. Aber die, die nur in die Sozialsysteme einwandern, die kann man ganz schnell herausfiltern. In jedem einzelnen Fall gehört überprüft, ob die Bedingungen erfüllt sind.
AfD-Chefin Alice Weidel wollte in einem Interview neulich nicht drei Dinge nennen, die gut in Deutschland laufen. Können Sie drei Dinge nennen, die in Duisburg gut laufen?
Schwierig. Schwierig. Der einzige Punkt, den ich sehe, ist der Optimismus der Duisburger, die fleißig arbeiten gehen, sich engagieren. Das ist der soziale Kitt, der unsere Gesellschaft momentan in Duisburg noch zusammenhält. Ich finde gut, dass die Duisburger noch nicht aufgegeben haben. Es fehlt nur eine andere Politik, die wieder Hoffnung macht.