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Chefarzt Prof. Roman Ganzer baute ab 2017 an der Asklepios-Stadtklinik eine Spezialabteilung für Urologie auf.Chefarzt Prof. Roman Ganzer baute ab 2017 an der Asklepios-Stadtklinik eine Spezialabteilung für Urologie auf. © Arndt Pröhl

Münchens ehemaliger Oberbürgermeister Christian Ude machte kürzlich seine Diagnose Prostatakrebs öffentlich. Der Tölzer Chefarzt Prof. Roman Ganzer findet es gut, dass für diese Krankheit sensibilisiert wird.

Bad Tölz – Prostatakrebs ist die häufigste Krebserkrankung bei Männern – doch richtig gerne spricht man(n) nicht darüber, was sich im Unterleib abspielt. Der ehemalige Münchner Oberbürgermeister Christian Ude hingegen rückte das Thema kürzlich in den Fokus, als er seine eigene Erkrankung öffentlich machte. Für Patienten in der Region ist die Asklepios-Stadtklinik in Bad Tölz eine wichtige Anlaufstelle. Ihre Abteilung für Urologie führt seit 2019 das Konzern-interne Siegel eines „Exzellenz-Zentrums“. Im Kurier-Interview erklärt Chefarzt Prof. Roman Ganzer, warum die richtig durchgeführte Früherkennung so wichtig ist – und heute auch ohne Tastuntersuchung auskommt.

Herr Prof. Ganzer, finden Sie es gut, dass Christian Ude für das Thema Prostatakrebs sensibilisiert?

Das ist natürlich jedem selbst überlassen, aber es ist gut, wenn jemand Prominentes auf die Thematik aufmerksam macht. Denn bei Prostatakrebs handelt es sich um den häufigsten bösartigen Tumor bei Männern in der westlichen Welt. In Deutschland gibt es ungefähr 66.000 Prostatakrebs-Neuerkrankungen pro Jahr.

Tölzer Chefarzt spricht über Prostatakrebs

Wie viele Prostatakrebs-Patienten behandeln Sie in der Asklepios-Stadtklinik in Bad Tölz?

Wir haben letztes Jahr etwas über 220 radikale Prostatektomien, also Prostataentfernungen, durchgeführt. Zudem stellen wir jede Woche zahlreiche Erstdiagnosen durch Fusionsbiopsien, also Probenentnahmen bei Patienten mit einem auffälligen MRT-Befund. Zudem werden Patienten mit metastasierten Prostatakrebserkrankungen bei uns behandelt. Die Zahl ist jedes Jahr steigend. Wir haben in erster Linie Patienten aus der Region, aber auch aus dem Allgäu, dem Raum Chiemsee und aus München.

Woran können Männer merken, dass sie Prostatakrebs haben?

Am häufigsten tritt Prostatakrebs mit knapp über 70 Jahren auf. Bei Männern unter 45 kommt er sehr selten vor. Ganz typischerweise ist es so, dass Männer, die die Diagnose trifft, sagen: „Ich habe doch überhaupt keine Beschwerden gehabt.“ Männer gehen vielleicht zum Urologen, weil sie schlecht Wasser lassen können. Das sind aber eher die Beschwerden der gutartigen Prostatavergrößerung. In einem fortgeschrittenen Stadium können falsch eingeschätzte Rücken- oder Flankenschmerzen auftreten. Das tritt auf, wenn der Patient schon Metastasen hat, etwa in der Wirbelsäule. Aber das finden wir heutzutage zum Glück sehr selten als Erstdiagnose.

Pro und Contra des PSA-Tests

Daraus würde ich den Schluss ziehen, dass es sehr wichtig ist, zur Vorsorgeuntersuchung zu gehen.

Die gesetzliche Krankenkasse zahlt ab dem 50. Lebensjahr einmal jährlich eine Abtastung der Prostata und der Leistenlymphknoten sowie eine Befragung des Patienten. Wobei laut der aktuellen Studienlage die Abtastung der Prostata für die Früherkennung nicht geeignet ist. Hier kommt der PSA-Wert ins Spiel. PSA bedeutet „Prostata-spezifisches Antigen“. Er kann bei krankhaften Veränderungen der Prostata erhöht im Blut nachgewiesen werden.

Über diesen Wert wird aber auch kontrovers diskutiert, und die Kassen zahlen die Bestimmung des PSA-Werts im Blut nicht.

Krankhafte Veränderungen können neben dem Prostatakrebs auch eine gutartige Vergrößerung oder entzündliche Prozesse sein. Eine unkontrollierte Anwendung des PSA-Tests kann auch Schaden anrichten.

Prostata: Haustierkrebs und Raubtierkrebs

Welchen Schaden?

Es gibt vereinfacht dargestellt den Haustierkrebs und den Raubtierkrebs. Einige Karzinome verlaufen vor allem in höherem Alter harmlos und würden unentdeckt zu Lebzeiten keine Beschwerden machen. Andere sind sehr aggressiv. Bei einem sinnvollen Screening-Programm will man beim jungen Mann die aggressiven Tumore finden, die man dann behandelt. In der Realität aber passiert es häufig, dass bei Männern in hohem Alter der PSA-Wert erstmalig untersucht wird. Dann können in der Folge Tumore entdeckt werden, die sich harmlos verhalten. Wenn dann trotzdem eine unnötige Operation oder Bestrahlung empfohlen wird, spricht man von Übertherapie. Dabei können Nebenwirkungen wie Inkontinenz, Impotenz und bei der Bestrahlung Darmbeschwerden die Folge sein, ohne dass ein Nutzen daraus entsteht.

Also lieber keinen PSA-Wert feststellen lassen?

Auf der anderen Seite gibt es seit 2023 die Ergebnisse einer sehr wichtigen deutschen Screening-Studie, die PROBASE-Studie. Dabei hat man junge Männer ab dem 45. Lebensjahr eingeladen, entweder einen PSA-Test machen zu lassen oder nur eine Abtastung der Prostata. Von den Tumoren, die man über den PSA-Wert entdeckt hat, wären nur 14 Prozent durch die Abtastung erkannt worden. Bei Männern mit einem PSA-Wert unter 1,5 Nanogramm pro Milliliter wird jetzt empfohlen, sich erst nach fünf Jahren wieder testen zu lassen. Je höher der Wert, desto engmaschiger die Kontrollen. Unsere Fachgesellschaft empfiehlt die Tastuntersuchung daher nicht mehr. Gerade die jüngeren Männer aber sollten ab dem 45. Lebensjahr ihren PSA-Wert bestimmen lassen.

Prostatkrebs: Relativ geringe Sterblichkeit

Was bedeutet eine Prostatakrebsdiagnose für mich? Muss ich dann sagen: Meine Tage sind gezählt?

Die Häufigkeit von Prostatakrebs steht in krassem Gegensatz zur Sterblichkeit. In Deutschland stehen den jährlich 66.000 Neuerkrankungen 14.000 Todesfälle gegenüber. Das heiß, die Wahrscheinlichkeit, daran zu sterben, ist viel geringer als bei anderen Krebsarten. Die Sterblichkeit tritt bei den sehr aggressiven Tumoren auf und bei sehr spät erkannter, sehr fortgeschrittener Erkrankung. Auch da sind wir heute deutlich weiter mit den Therapiemöglichkeiten. Wir haben an der Asklepios-Stadtklinik einen Kollegen in der Abteilung, der sich ausschließlich mit der medikamentösen Behandlung von metastasierten urologischen Krebserkrankungen befasst. Trotzdem muss man davon ausgehen, dass ein sehr ausgeprägter metastasierter Prostatakrebs doch nach einigen Jahren nach verschiedenen Therapien zum Tod führen kann.

Muss jeder betroffene Mann operiert werden?

Man muss den Befund vom Pathologen abwarten, ob es sich um einen wenig aggressiven oder eher aggressiven Krebs handelt. Wenn ein Mann eine Lebenserwartung von über zehn Jahren hat, dann empfehlen wir bei einem aggressiven, lokal begrenzten Tumor die Operation oder die Bestrahlung. Es kommt aber auch vor, dass wir Männern empfehlen, entweder nichts zu tun oder zu einer sogenannten aktiven Überwachung raten – nämlich dann, wenn wir davon ausgehen, dass sich der Krebs sehr langsam entwickelt.

Operation mit Da-Vinci-Roboter

Die große Angst vieler Männer ist, durch die Operation inkontinent oder impotent zu werden.

Da hat sich extrem viel getan. Heute operieren wir sehr schonend. Bei uns an der Klinik werden alle Operationen minimalinvasiv mit dem Da-Vinci-Roboter durchgeführt. Die Patienten gehen in der Regel am vierten Tag nach der Operation nach Hause. Die Möglichkeiten, die Kontinenz und die Potenz zu erhalten, sind dabei etwas besser im Vergleich zur OP mit einem offenen Schnitt. Die wenigsten Patienten bei uns behalten eine bleibende Inkontinenz. Die meisten führen danach ein weitgehend normales, aktives Leben. (ast)