Am Ernst-Reuter-Platz in Stuttgart-Giebel gibt es alles, was die Bewohnerinnen und Bewohner für den täglichen Bedarf brauchen. Und seit Mai auch ukrainische Hausmannskost. Drei große Tiefkühlschränke empfangen die Besucher im Multi Cook, dem Laden von Nataliia Nyehai. Aber das Herz des Ladens sind sie großen Eisschränke nicht. Denn das schlägt in der Küche.
Die Variationen sind schier unendlich
Durch ein großes Fenster hinter der Theke lässt sich vom Verkaufsraum aus beobachten, wie Nataliia und ihre drei Mitarbeiterinnen hier den Inhalt der großen Kühltheken zubereiten. Gerade werden Wareniki von einer Mitarbeiterin gemacht – von Hand. Es gibt das ukrainische Nationalgericht mit Fleisch, süßem oder gesalzenem Käse, Kartoffeln und Pilzen, Leberwurst oder als süße Variante mit Kirschen. Die Variationen sind schier unendlich.
Drei große Tiefkühlschränke empfangen die Besucher im Multi Cook. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski
Wie alles im Multi Cook sind auch die Teigtaschen hier so zubereitet „wie von Oma oder Mama zuhause“, so die Inhaberin. Neben Wareniki gibt es Suppen wie Borschtsch, Kürbissuppe oder Suppe mit Fleischbällchen „mit einer richtigen guten Bouillon“ verspricht Nataliia. Ebenfalls zahlreich vertreten: Pfannkuchen, mit den unterschiedlichsten Füllungen zum Beispiel mit Huhn und Pilzen oder mit karamellisierten Äpfeln. „Pfannkuchen habe ich natürlich immer schon gemacht. Mit karamellisierten Äpfeln aber nicht, das habe ich nun gelernt“, erklärt Nyehai, die immer schon gern „gekocht und gegessen“ hat, wie sie lachend erzählt. Nun gehören rund 60 Gerichte zu ihrem Standardrepertoire. In den Gerichten stecke dabei nur das Beste: „Ich kaufe alles von guter Qualität auf dem Stuttgarter Großmarkt“, so die Geschäftsfrau.
„Wareniki sind ein bisschen wie Maultaschen“
Nach der Zubereitung geht es für alle Gerichte – ob Pfannkuchen, Fisch oder Teigtasche – in den Schockfroster und danach in den Verkaufsraum. „Die Menschen sind so viel eingespannt. Haben so viel Stress. Hier bekommen sie Hausmannskost und gesundes, nahrhaftes, selbstgekochtes Essen, das sie daheim nur warm machen müssen“, erklärt die Ukrainerin das Konzept weiter. Wie die Gerichte daheim zubereitet werden müssen, steht auf jeder Packung: „Auf jedem Gericht gibt es einen QR-Code, wenn man diesen scannt, kommt man zu einem Video, das die Zubereitung zeigt“. So kommen beispielsweise die Wareniki gefroren in gesalzenes Wasser. Nach fünf bis sieben Minuten sind die gefüllten Teigtaschen dann fertig. Wer kein Smartphone zur Hand hat, kann die Anleitung auch auf der Packung nachlesen.
Bei so viel Auswahl ist es schwer, einen Favoriten zu benennen. Nataliias Herz schlägt aber für die Teigtaschen: „Die sind ein bisschen wie Maultaschen“, erklärt sie lachend. Und auch weitere Gemeinsamkeiten zwischen deutscher und ukrainischer Küche lassen sich beim Blick ins Sortiment ausmachen. Kohlrouladen, Sauerkraut, handgemachte Bratwürste mit spezieller Form und Füllung, sind der deutschen Hausmannskost nicht unbekannt.
„Ich habe immer gearbeitet und wollte nicht daheim rumsitzen“
Das Ladenkonzept von Multi Cook ist nicht neu. „In der Ukraine ist es sehr verbreitet und sehr bekannt. Ich war daheim selbst immer Kundin“, erzählt die Ukrainerin. In über 30 Ländern hat das Franchiseunternehmen über 700 Filialen. In Deutschland gibt es neben dem Geschäft im Giebel seit Mai auch noch eine Niederlassung in Berlin.
Die Idee zum Laden hatte Nataliia schon vor einer Weile – das Multi Cook Konzept kennt sie aus ihrer Heimat der Ukraine, aus der sie vor drei Jahren mit ihrem heute 13-jährigen Sohn geflohen ist. Nach der Flucht vor dem Krieg stand sie dann vor der großen Frage, wie sie das Leben ihrer kleinen Familie weitergestalten würde. „Ich habe immer gearbeitet und wollte nicht daheim rumsitzen“, so die alleinerziehende Mutter, die mit ihrem Sohn in Esslingen wohnt. Und so wurde die Idee zur Ladeneröffnung geboren. Ein Jahr dauerte es von der Gründung der GmbH bis zu Eröffnung im Mai 2025.
Seitdem kommt der Laden gut an: „Viele Ukrainer, ich würde sagen 80 Prozent, kommen zum Einkaufen. Aber auch Deutsche. Ich habe bisher nur gutes Feedback bekommen“, berichtet die Geschäftsfrau, die in der Ukraine in einer Fabrik, die Backwaren wie Brote produzierte, angestellt war. „Dort habe ich Marketing, Management und vieles mehr gemacht“. Heute macht sie all das in ihrem eignen Geschäft. Zehn Stunden am Tag hat der Laden geöffnet – zehn Stunden pro Tag ist die Ukrainerin vor Ort. On top kommen rund zwei Stunden am Tag, die sie daheim für die Buchhaltung und andere Büroarbeiten aufbringt: „Das sind schon viele Stunden“, gibt sie zu. Aber beschweren möchte sie sich nicht. Denn hier in ihrem eigenen Geschäft zu stehen, anderen Geflüchteten einen Arbeitsplatz zu geben und die Menschen mit leckerem Essen zu versorgen macht sie unglaublich stolz und glücklich.
Multi Cook Stuttgart, Krötenweg 3, Stuttgart-Giebel, Mo-Sa 9-19 Uhr, www.instagram.com/multicook_stuttgart