Cover:  Jean-Remy von Matt: Am Ende

Stand: 03.09.2025 14:09 Uhr

„Geiz ist geil“, „3,2,1 Meins“ und „Bild Dir Deine Meinung“ – Werbeslogans, die sich bis heute ins kollektive Gedächtnis gebrannt haben. Sie alle stammen aus der Feder von Jean-Remy von Matt. Mit 72 Jahren hat er sich mittlerweile aus der Werbebranche zurückgezogen. Mit seiner Autobiografie „Am Ende“ will er nun einen Schlussstrich unter sein kreatives Leben ziehen.

von Jakob Gaberle

Andere Biografien sind chronologisch aufgebaut, Jean-Remy von Matt gibt seinem Leben ein Ranking. 96 Kapitel habe er über sein Leben geschrieben. Die gab er anschließend sechs Lektorinnen und Lektoren. Auf einer Skala von eins bis zehn haben sie die Kapitel bewertet. Auszüge, die durchschnittlich weniger als fünf Punkte bekommen haben, sind aus dem Buch geflogen. Am Ende blieben 77 Kapitel Leben übrig, die von Matt nun rausbringt. Das erste hat 9,6 Punkte bekommen, darauffolgende Kapitel werden immer schlechter, sagt der Autor.

Ein Buch, das nicht zu Ende gelesen werden will

Zu dieser unorthodoxen Aufmachung hat sich von Matt entschieden, weil er selbst nicht alle Bücher zu Ende liest: „Weil ich das Gefühl hatte, der Autor hat sein Pulver verschossen. Jetzt wiederholt er sich noch dreimal, aber ich hab’s begriffen, […] lieber fang ich noch ein neues an.“ Deshalb habe er mehr Erkenntnisgewinn aus zweieinhalb Büchern, als wenn er eins zu Ende lesen würde. Sein „Buch will gar nicht zu Ende gelesen werden, sondern es lädt dazu ein, ja, abzubrechen. Man kriegt leider nur kein Geld zurück“, erzählt er auf dem Roten Sofa sitzend.

Autor und Werber Jean Remy von Matt auf dem Roten Sofa

Er spricht über sein ungewöhnliches Buch „Am Ende“ und erzählt, warum Kreativität mehr Förderung verdient.

Eine Ohrfeige als Erweckungserlebnis

Das Licht der Welt erblickt Jean-Remy von Matt 1952 in Brüssel, aufgewachsen ist er in der Schweiz. Bei DAS! erzählt er, wie sein kreatives Schaffen begann. In der Grundschule bekam seine Klasse die Aufgabe, einen Titel zu gestalten – Thema: Die siegreichen Schlachten der Eidgenossen gegen die Habsburger. „Und ich dachte, so ein Erfolg muss gebührend gefeiert werden. Und meine Banknachbarin Miriam, die hatte gerade Nasenbluten. Ich habe gesagt: Gib mir ein bisschen von deinem Blut in meinen Farbkasten. Und hab den Titel mit dem Blut gemalt.“ Seine Lehrerin soll ihn dann mit einer Ohrfeige bestraft haben. Doch statt Strafe war es für den jungen Jean-Remy eine Erweckung, wie von Matt erzählt – mit: „Kreativität ist eine Ordnungswidrigkeit“ zieht er seine ganz eigene Lektion aus besagter Schulaufgabe.

In Mönchskutte mit Einheitshaarschnitt

Später besuchte Jean-Remy von Matt vier Jahre lang eine Klosterschule. Nur dreimal im Jahr durfte er das Internat verlassen. Innerhalb der Klostermauern waren die Regeln hart: „Es gab keine Medien, es gab kein Fernsehen, kein Radio, keine Zeitungen, Zeitschriften und auch keine eigenen Bücher, sondern nur die Bücher aus der Klosterbibliothek – Heidi war das Interessanteste.“ Der Mangel an Medien war für den Klosterschüler Stein des Anstoßes, selbst welche zu produzieren: „Da fing ich an, Texte zu schreiben, so Songtexte, Gedichte und so weiter, da habe ich zum ersten Mal textlich mich verausgabt. Und dann ging es weiter, irgendwann hatte ich dann meinen ersten Tag als Werbetexter, also das war der Tag, an dem mein Leben einen Sinn bekam.“

Werbebranche im Wandel

50 Jahre nach von Matts Einstieg in die Werbewelt mit Anfang 20 hat er sich mittlerweile aus dem Tagesgeschäft seiner Kreativagentur zurückgezogen: „Ich habe es eher ein paar Jahre zu lang gemacht, habe dann auch gemerkt, es wird nicht besser, sondern eher schlechter.“
Auf das KI-Model angesprochen, das zuletzt in der Modezeitschrift Vogue für die Bekleidungsmarke Guess geworben hat, stellt von Matt fest: „Ich glaube an den Selbsterhaltungstrieb der Arbeitswelt. Wir Menschen werden Themen finden, wo wir einen Unterschied machen können. […] Aber es sind irre Umwälzungen im Gang. Es ist definitiv Fluch und Segen.“ Ein Segen für die Kreativen sei es, weil sie seiner Erfahrung nach Probleme mit dem Anfangen haben. Schnell ein paar Ideen generiert, könne man sich daran dann hochhangeln. „Aber auf der anderen Seite: Das ganze kreative Mittelmaß ist praktisch ausgelöscht. Es ist kein Markt mehr, dafür wird nichts mehr bezahlt. Das löst KI natürlich besser.“

„Sieben Autobiografien, eine von mir geschrieben“

Und damit ist die Werbelegende wieder bei ihrer Autobiografie angekommen. Als von Matt auf Amazon Rezensionen seines Buches anschauen will, fällt ihm etwas auf: „Sieben andere Autobiografien von mir mit wilden Titeln auf Englisch, mit ganz verschiedenen Titelseiten, Fotos von mir, Illustrationen von mir und so, die ich nie gesehen habe.“ Sein Verlag vermutet, dass das Trittbrettfahrer sind, die eine schnelle Mark am Medienrummel rund um „Am Ende“ verdienen wollen würden. Von Matt habe die „Biografien“ trotzdem alle bestellt: „Also ich habe jetzt auf meinem Coffee-Table sieben Biografien von mir, eine von mir geschrieben.“

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