„Hello, is there Volker?“ Als das Telefon vor wenigen Monaten klingelte, war Volker Jehle ausgesprochen überrascht darüber, eine englisch sprechende Person zu hören. Am anderen Ende: ein Mitarbeiter des amerikanischen Verlages Urlink Print & Media LLC.

Ob er die Rechte an dem Buch „A Travel Journal. (Mis)adventures in Europe, Asia, and Australia“ habe, wollte der Mitarbeiter wissen. Die Rechte hat er durchaus, immerhin ist Jehle der Autor des deutschen Originals. Das ist 2011 unter dem schlichten Titel „Reisen“ erschienen. Aber wieso will er das wissen? Und was hat der Anruf mit dem Times Square in New York und dem 11. September zu tun?

Leidenschaft fürs Sammeln

Aber von Anfang: Volker Jehle sitzt am Esstisch in seiner Küche, vor ihm eine frisch gebrühte Tasse Kaffee. „Ein Filterkaffee nach alter Methode“, sagt Jehle und zeigt auf die Regale entlang der Küchenwand. Mehr als 20 alte Kaffeemühlen stehen hier. Jehle ist leidenschaftlicher Sammler: Briefmarken, Münzen, Märklin-Lokomotiven, Schnecken, Muscheln. Sein Sohn Martin Jehle, erfolgreicher Filmemacher und Dozent, hat gar einen autobiografischen Kurzfilm übers Sammeln gedreht. Mit ihm in der Hauptrolle: sein Vater Volker Jehle und seine Leidenschaft fürs Sammeln.

Seit der Kindheit fasziniert

Muscheln sammelt er schon seit seiner Kindheit – fein säuberlich dokumentiert. 1982 schenkte Jehle dem Naturkundemuseum Reutlingen seine Schnecken- und Muschelsammlung. „Teilweise mit meinen alten Aufschrieben in Kinderschrift“, erinnert sich Jehle. In der Hand hält er eine große Muschel mit wellenartig geformten Zacken und betrachtet sie fasziniert: „Ist das nicht unglaublich?“

Akribisch dokumentieren, sortieren, katalogisieren – das liegt dem gebürtigen Albstädter. 15 Jahre lang hat er den Bestand der Musikhistorischen Sammlung Jehle, die im Stauffenberg-Schloss in Lautlingen untergebracht ist, bestückt. Mehr als 5000 Seiten zählt die Bestandsaufnahme der rund 300 Exponate.

Im Lautlinger Schloss, einst Dreh- und Angelpunkt im Leben der Familie Stauffenberg, ist unter anderem die Musikhistorische Sammlung Jehle untergebracht. (Archivbild)Bild vergrößern

Im Lautlinger Schloss, einst Dreh- und Angelpunkt im Leben der Familie Stauffenberg, ist unter anderem die Musikhistorische Sammlung Jehle untergebracht. (Archivbild) (Foto: Dagmar Stuhrmann)

Gegründet wurde die Sammlung als private Sammlung seines Vaters Martin Friedrich Jehle. Sammeln liegt also in der Familie – und die Leidenschaft für das Musische ebenso. Volker Jehle ist Schriftsteller, Literaturwissenschaftler und Herausgeber. Eloquent, charmant und mit einem angenehmen Sinn für Humor erzählt der 70-Jährige über seine Werke, stets darauf bedacht, sein Gegenüber nicht zu langweilen.

Roman „Ulrike“ wurde verfilmt und in Amerika publiziert

Naben zahlreichen wissenschaftlichen Büchern widmet sich Jehle ab und an auch der Belletristik. Sein Roman „Ulrike“ wurde gar verfilmt unter dem Titel „Komm, wir träumen“. Es folgte das internationale Debüt: Die Amerikanerin Patricia Stanley übersetzte sein Buch und brachte es in den USA heraus. Bekannt ist die bereits verstorbene Amerikanerin vor allem für die Übersetzungen der Werke Wolfgang Hildesheimers. Hildesheimer, der unter anderem für seine Mozart-Biografie bekannt ist, war wiederum ein Freund Jehles.

Internationaler Erfolg

So kam es, dass Patricia Stanley auch Jehles Reisetagebuch übersetzte und 2015 in Amerika publizierte. In den Augen von Außenstehenden ist das ein großer Erfolg. Jehle ist ein internationaler Autor. „Naja“, winkt Jehle bescheiden ab. Kommerzieller Erfolg sei noch nie Ansporn seiner Arbeit gewesen.

Jetzt – exakt 10 Jahre später – der Anruf aus Amerika. Ob Jehle Interesse habe, dass das Buch in einer Neuauflage erscheint? „Klar habe ich zugesagt“, betont der Schriftsteller.

Die Australier haben ein lockeres Verhältnis zu ihren Biestern.

Zitat aus „Reisen“ von Volker Jehle

Mit dem „Käfer“ nach Marokko, Abenteuer auf Island oder in Sri Lanka: Jehle erzählt in seinem Buch persönliche Erlebnisse, in gewohnt amüsantem Ton. Viele Besonderheiten habe er beispielsweise in Australien erlebt. Obwohl es ein exzellentes Weinland ist, muss man für eine Flasche mindestens 15 Dollar (rund 11 Euro) hinblättern. Allgemein war Jehle über die sogenannten „Bottle-Shops“ überrascht, die ausschließlich Alkohol verkaufen. Einfache Supermärkte haben die Alkohol-Lizenzen dagegen nicht.

Volker Jehles „Reisen“ ist in Amerika in einer Neuauflage unter „A Travel Journal“ erschienen. Auf dem Cover ist ein Holzschnitt von Michael Wendel zu sehen. 12 Holzschnitte hatte der Künstler seinerzeit eigens für Jehles deutsche Erstauflage gemacht.Bild vergrößern

Volker Jehles „Reisen“ ist in Amerika in einer Neuauflage unter „A Travel Journal“ erschienen. Auf dem Cover ist ein Holzschnitt von Michael Wendel zu sehen. 12 Holzschnitte hatte der Künstler seinerzeit eigens für Jehles deutsche Erstauflage gemacht. (Foto: Olga Haug)

Weit mehr war er aber über die australische Tierwelt erstaunt. „Die Australier haben ein lockeres Verhältnis zu ihren Biestern.“ Handteller große Spinnen oder die weltgrößten Krokodile – „immer diese Superlative“.

11. September – wohl ein perfekter Tag für Werbung

Damit die Vermarktung seines Reisetagebuchs in Amerika ein voller Erfolg wird, bedarf es freilich eines guten Marketings. Und der amerikanische Verlag denkt groß: Werbung am weltberühmten Times Square. Die Lektorin habe dafür auch einen ganz bestimmten Tag vorgeschlagen: der 11. September – der Tag der verheerenden Terroranschläge 2001 in den USA, darunter auf das World Trade Center in New York. Der Grund, sich ausgerechnet diesen Tag auszusuchen, ist aus Sicht der Lektorin ein simpler: Dann seien die meisten Menschen in New York.