Leipzig. Im März 2020 ist Katrin Otto in die Branche eingestiegen. Kurz darauf kam Corona, und nach nur 20 Tagen musste ihr Sonnenstudio Sunny Bunny am Allee-Center schon wieder schließen. Doch sie hat es geschafft und sich am Markt gehalten. Das ist keine Selbstverständlichkeit.

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Die Pandemie hat manchem Betreiber das Genick gebrochen. Und danach kam die Inflation. Viele sparten sich den Gang auf die Sonnenbank. „Ich habe meine Preise nicht erhöht“, sagt Katrin Otto mit Blick auf gestiegene Energiekosten. So konnte sie Kunden binden und einige neu gewinnen. Auf eine stabile Lage blickt auch Bernd Prockhoff vom Sonnenallee-Studio in der Trufanowstraße. „Der Markt ist aber schon kleiner geworden, es wächst kaum noch Kundschaft nach.“

Das Sonnenstudio Sunny Bunny in der Ludwigsburger Straße hat Pandemie und Inflation überstanden.Kernzielgruppe ist geschrumpft

Das liegt daran, dass die Kernzielgruppe der 18- bis 35-Jährigen durch den demografischen Wandel geschrumpft ist, erklärt Holger Ziegert vom Bundesfachverband Besonnung, der Interessenvertretung für Solarienbetreiber. Ziegert zeichnet dennoch ein optimistisches Bild von seiner Branche. Dass die sich im dauerhaften Niedergang befinde, sei eher eine gefühlte Entwicklung. Das Problem: Lange Zeit gab es keine verlässliche Datenbasis, teilweise war sie sogar falsch. Daran arbeitet der Verband gerade und kann für Sachsen eine positive Entwicklung vermelden: Seit 2022 stieg die Zahl der Sonnenstudios im Freistaat demnach leicht − von 73 auf aktuell 77.

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Eine deutliche Abwärtsentwicklung gab es zwar mal, aber die sei länger her, berichtet Verbandssprecher Ziegert. Anfang der 2000er seien bundesweit sehr viele Anbieter am Markt gewesen. Den daraus resultierenden starken Wettbewerb haben nicht alle überlebt. Für die vergangenen Jahre sieht Ziegert hingegen kein schlechtes Geschäft − auch nicht für die beiden Leipziger Standorte seiner eigenen Franchisekette Ayk. Zwar sinke die Nutzungshäufigkeit in der Hauptzielgruppe der 18- bis 35-Jährigen, dafür spiele inzwischen die Kundschaft aus dem Bereich 40+ eine größere Rolle.

Schlechter Ruf hält sich

Insgesamt habe sich die Branche professionalisiert. Es gehe um einen verantwortungsvollen Umgang mit Solarien und ohnehin weniger um das kosmetische Bräunen, sondern mehr um positive gesundheitliche Effekte. „99 Prozent der Nutzer sind vernünftig, aber natürlich gibt es immer ein paar Irre, die es übertreiben.“

Die Solarien sind sicherer geworden, da wurde schon ein Teil der Hausaufgaben gemacht.

Dr. Dietrich Barth

Hautarzt

Dennoch haftet dem Solarium nach wie vor ein schlechter Ruf an, der auch Unternehmer wie Bernd Prockhoff stört. Seit einer Gesetzesänderung 2009 dürfen Jugendliche unter 18 Jahren nicht mehr auf die Sonnenbank. „Die Politik will uns vom Markt haben“, kritisiert der Chef des Sonnenallee-Studios in der Trufanowstraße.

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Exaktere Dosierung

Dabei hält Verbandssprecher Ziegert den Einwand hoher Hautkrebsrisiken ohnehin für nicht mehr zeitgemäß. Die Geräte hätten sich deutlich weiterentwickelt − von einer groben, wenig justierbaren Technik hin zu einer ausgefeilten Steuerelektronik. Die Strahlung lasse sich exakt dosieren − anders als beim echten Sonnenbad. „Das Gerät sieht immer noch so aus, wie es aussieht, aber es kann viel mehr.“ Er habe in den vergangenen 15 Jahren nichts mehr von Nutzern gehört, die aus einem Besuch im Studio einen Sonnenbrand davongetragen hätten.

Dr. Dietrich Barth räumt die positive Entwicklung ein. „Die Solarien sind sicherer geworden, da wurde schon ein Teil der Hausaufgaben gemacht“, sagt der Hautarzt mit Praxis in Connewitz. „Am Ende geht es um die Dosis, in einem moderaten Rahmen kann man das tolerieren.“ Wünschenswert sei deshalb die Kontrolle der UV-Strahlenbelastung für jeden Kunden. Es sei richtig, dass die Dosierung in einem Solarium exakter erfolgen könne als unter der normalen Sonne.

Hautarzt: Maßvolle Nutzung ist okay

Auch die positiven psychologischen Effekte von künstlichen Sonnenbädern müssten berücksichtigt werden, findet Barth. „Wenn jemand sagt, er braucht das, zum Beispiel im Winter, dann kann er das im gewissen Rahmen machen.“

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Der Hautarzt sieht den größeren Nachholbedarf an einer ganz anderen Stelle: „Wer in der Freizeit ohne UV-Schutz und ohne Kopfbedeckung viel in der Sonne ist, der riskiert einen Hautkrebs“, erklärt der Vize-Vorsitzende im Sächsischen Dermatologen-Verband. „Aber außer den Hautärzten thematisiert das kaum jemand.“ Bis vor wenigen Jahren habe es noch nicht einmal Schulungen für Dachdecker und andere Outdoor-Arbeiter gegeben.

Harte Arbeitszeiten

Dermatologen wie Dietrich Barth verteufeln das Solarium also nicht. Und so kann auch Katrin Otto guter Dinge bleiben. Obwohl die Bänke nicht gut ausgelastet sind und obwohl sie die komplette Woche im Sunny Bunny steht − auch sonn- und feiertags. Angestellte könne sie sich nicht leisten. Der gelernten Architektin ist ihr neues Geschäft dennoch lieber als das alte. In ihrem Architekturbüro musste sie nach geleisteter Arbeit nur allzu oft ihrem Lohn hinterherrennen. Im Sonnenstudio gilt hingegen: Erst das Geld, dann die Ware.

LVZ