Vegetarier:innen und Veganer:innen hatten es lange schwer, in Gasthäuser zu gehen: Sie wurden mit Beilagen abgespeist, von denen sie nicht sicher sein konnten, in welchem Fett sie geschwommen sind. In Sachen Alternativen zu fleischlicher Ernährung hat sich in den letzten Jahren einiges getan. Das Angebot ist auch in den Supermärkten deutlich gewachsen, neue Kochbücher zeigen den enormen Variantenreichtum von pflanzlichen Produkten. Vor allem eine jüngere Generation ist sich bewusst, dass Fleischkonsum nicht nur Tierleid bedeutet, sondern auch für den Planeten problematisch ist: Die Umstellung auf eine pflanzliche Ernährung könnte zwischen 20 und 47 Prozent der ernährungsbedingten Treibhausgasemissionen einsparen.
Das bestätigt auch der neue Report des European Science Advisory Council (EASAC), dessen Geschäftsstelle an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) angesiedelt ist. Darin befassen sich Europas Wissenschaftsakademien mit dem Thema Fleischersatz. Hanna L. Tuomisto ist eine der Autor:innen des Reports und Professorin für nachhaltige Ernährungssysteme an der Universität Helsinki. Im Gespräch erklärt sie, welche Vorteile Fleischersatz hat, aber auch welche Hürden es noch zu bewältigen gibt. „Grundsätzlich beobachten wir, dass trotz dieser pflanzlichen Alternativen der Fleischkonsum nicht sinkt, sondern konstant hoch bleibt“, so Tuomisto.
Interesse an pflanzlichen Alternativen gestiegen
Hat sich das Kosum:innenverhalten in Sachen Fleischalternativen in den letzten Jahren verändert?
Hanna L. Tuomisto: Definitiv hat das Interesse der Verbraucher:innen an pflanzlichen Lebensmitteln und Fleischalternativen zugenommen. Es wurde viel in den Medien berichtet, das Bewusstsein für Umweltfragen ist gewachsen. Der Klimawandel wird auch im täglichen Leben der Menschen immer sichtbarer. Wir erleben mehr Dürren und Überschwemmungen und mehr heiße Tage, besonders junge Menschen machen sich mehr Sorgen über die Zukunft, um Umwelt und Tierrechte. Auch gesundheitliche Gründe spielen zunehmend eine Rolle dafür, dass auf Fleisch verzichtet wird.
Hat die Qualität der Fleischersatz-Produkte zugenommen?
Tuomisto: Auf jeden Fall. Die Verfügbarkeit verschiedener Arten von Fleischalternativen und die Qualität sind in den letzten zehn Jahren deutlich gestiegen. Es gibt immer wieder Trends, die unser Essverhalten beeinflussen, so wurde rotes Fleisch als weniger gesund angesehen. Deshalb ist der Verbrauch an Hühnerfleisch gewachsen. Eine Zeit lang waren an Kohlenhydraten-arme Diäten sehr in, seitdem ist der Proteinkonsum am Steigen, was wahrscheinlich auch mit der Fitness-Kultur und dem Muskelaufbau zu tun hat. Es gibt in Finnland sogar ein Protein-Brot und andere Produkte, die damit werben, dass sie proteinreich sind.
Die Fleischlobby wehrt sich gegen höhere Preise.
Was bedeutet das für den Fleischkonsum?
Tuomisto: Grundsätzlich beobachten wir, dass trotz dieser pflanzlichen Alternativen der Fleischkonsum nicht sinkt, sondern konstant hoch bleibt. Es mag am Wohlstand liegen, dass mehr Fleisch konsumiert wird. Aber auch daran, dass Fleisch noch immer sehr günstig ist. Die Fleischlobby wehrt sich gegen höhere Preise. Viele Menschen sind sich der negativen Auswirkungen des Fleischkonsums auf die Umwelt nach wie vor nicht bewusst. Aber auch die Verfügbarkeit ist ein Thema, grundsätzlich haben Supermärkte in Großstädten ein besseres Angebot an Fleischalternativen.
Insekten als Futtermittel
Im EASAC-Report ist auch die Rede von Insekten als Nahrungsquelle.
Tuomisto: In Finnland haben sogar einige Viehzüchter auf Insekten umgestellt, die vorher Geflügel- oder Schweinefarmen waren. Die Menschen waren neugierig darauf, diese Produkte zu probieren. Deshalb stieg die Nachfrage nach Insekten. Aber das Interesse hielt nicht lange an, die Menschen haben Insekten nicht regelmäßig konsumiert. Deshalb werden Insekten in Europa inzwischen eher als Futtermittel eingesetzt.
Grundsätzlich wäre es wichtig, auch in Schulkantinen und in Betrieben pflanzenbasierte Alternativen anzubieten, die gut schmecken und vielfältig sind.
Was müsste sich ändern, damit der Fleischkonsum sinkt?
Tuomisto: Neue Proteinquellen könnten dazu beitragen, die Qualität von Fleischalternativen zu verbessern. Dazu gehören nicht nur Mikroben, die darauf programmiert sind, Milch- oder Eiweißproteine zu synthetisieren, sondern auch die Kultivierung tierischer Zellen zur Herstellung von kultiviertem Fleisch und Fisch, aber auch zellkultivierte Pilze, Algen und Pflanzenzellen. Technologien zur Zellkultivierung nutzen die Fähigkeiten von Zellen, sich zu vermehren, so kann man Fleischgewebe außerhalb des Tierkörpers herstellen. Allerdings sind viele dieser Produkte in Europa noch nicht zugelassen. Die Verfahren dauern in der EU sehr lange. Grundsätzlich wäre es wichtig, auch in Schulkantinen und in Betrieben pflanzenbasierte Alternativen anzubieten, die gut schmecken und vielfältig sind. Aufklärungs- und Informationskampagnen für Verbraucher:innen über die gesundheitlichen Vorteile pflanzlicher Ernährung würden auch helfen.
Welche Vorteile sind das?
Tuomisto: Um nur einige Beispiele zu nennen: Sie fördern die Herzgesundheit, man hat ein geringeres Risiko für Typ-2-Diabetes. Nahrungsfasern, auch Ballaststoffe genannt, sind wichtig für die Verdauung und können sich positiv auf den Stoffwechsel auswirken. Ungesättigte Fettsäuren können helfen, den Cholesterinspiegel zu senken.