Berlin – Die Dienstwohnung von Friedrich Merz im achten Stock des Kanzleramtes wurde am Mittwochabend so etwas wie eine gemütliche Kanzler-WG.
Bis nach 22 Uhr saßen die Parteichefs und Spitzenpolitiker der Regierungskoalition in kleiner Runde zusammen (bei Braten und Gemüse). Man habe sich neu kennengelernt und jetzt wolle man den Herbst der Reformen starten.
Doch bei einem Projekt gibt die Union offenbar alleine Vollgas. Sie will das EU-weite Verbot von Pkw mit Verbrennungsmotoren kippen, das ab 2035 gelten soll. Man setze stattdessen auf „Plug-in-Hybride“-Motoren. (Verbrenner und E-Antrieb). Offen ist allerdings, wie weit die SPD da mitmacht.
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (58, CSU), Kanzler Friedrich Merz (CDU), die SPD-Vorsitzenden Bärbel Bas (57) und Lars Klingbeil (47) bei der Pressekonferenz nach dem Koalitionsausschuss
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Ein echtes Aus vom Verbrenner-Aus, das lehnt die SPD ab. Ihr Fraktionschef Matthias Miersch (56) ist Klimapolitiker und fest davon überzeugt, dass E-Autos die Zukunft gehören und die einzig echte Chance der deutschen Automobilindustrie sind.
Aber: Die SPD ist bereit, auch auf Autos mit Plug-in oder Range-extender-Technologie (Mix aus Verbrenner und Elektro) zu setzen. Heißt: Ausweitung der Förderung und stärkere Berücksichtigung in EU-Richtlinie zu den Flottenwerten.
Selbst die IG Metall sendet nach BILD-Informationen mittlerweile Signale in die Politik, dass sie nicht alleine auf E-Autos pocht, sondern zu mehr Technologieoffenheit und Flexibilität bereit ist.
Weil sich Union und SPD aber bisher nicht einig sind, wie die neue Auto-Strategie aussehen soll, gab es keine konkreten Beschlüsse. Auch ein von der Arbeitsebene vorbereitetes Papier kassierten die Parteichefs wieder ein.
Stattdessen verabredeten die Koalitionäre als wichtiges Zeichen an die Industrie einen Gipfel der Autobauer und Zulieferer. Der soll jetzt von Verkehrsminister Patrick Schnieder (57, CDU), Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (52, CDU), Umweltminister Carsten Schneider (49, SPD) und einem CSU-Vertreter vorbereitet werden.
CSU-Chef Markus Söder (58) will das Aus vom Verbrenner-Aus in der Koalition durchsetzen.
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Laut CSU-Chef Markus Söder solle der Autogipfel „kein Kaffeeklatsch“ werden. In BILD wird der bayerische Ministerpräsident konkreter:
„Die Automobilbranche ist und bleibt unsere wirtschaftliche Lebensader. Wenn wir nicht schnell reagieren, stehen Hunderttausende Arbeitsplätze auf dem Spiel. Deshalb müssen wir das Verbrenner-Aus jetzt stoppen. Wir brauchen Technologieoffenheit. Es ist richtig, E-Fahrzeuge zu fördern. Es wäre allerdings ein schwerer Fehler, ausschließlich auf Elektro zu setzen“, so Söder zu BILD.
Nach BILD-Informationen sollen die Hersteller selbst entscheiden, mit welchen sauberen Motoren die EU-Grenzwerte für die CO2-Neutralität erreicht werden können – ohne politische Vorgaben.
Klimaschutz geht nur mit Technologieoffenheit
Präsidentin Hildegard Müller, vom Verband der Automobilindustrie (VDA) zu BILD: „Ich begrüße die Ankündigung des Bundeskanzlers, dass er zu einem industriepolitischen Dialog mit der Autoindustrie einladen will, ausdrücklich. Wir sind überzeugt: Klimaschutz geht nur mit Technologieoffenheit.“ Der Schwerpunkt werde auf der Elektromobilität liegen. Aber: Plug-in-Hybride, Wasserstoff sowie erneuerbare Kraftstoffe müssten laut Müller als Bestandteile der Lösung anerkannt werden.“