2019 ermordete der Deutsche Thomas H. in einer Höhle auf Teneriffa seine Frau und einen der gemeinsamen Söhne, der zweite Sohn entkam. In diesem menschlich grausamen und rechtlich außergewöhnlichen Fall musste das Leipziger Bundesverwaltungsgericht heute eine ganz andere Frage klären: Hat der lebenslang in spanischer Haft einsitzende Doppelmörder noch Anspruch auf sein Ruhegehalt als Ex-Bundesbeamter?

Der, um den es ging, war am Donnerstag nicht persönlich in Leipzig, sondern weit weg, in einem spanischen Gefängnis. Und dort wird Thomas H. bleiben, vielleicht bis ans Ende seiner Tage: Eine lebenslange Haft kann laut spanischem Recht frühestens nach 25 Jahren überhaupt geprüft werden. Zu dieser Strafe hatte ein Schwurgericht in Santa Cruz de Tenerife den heute knapp 50 Jahre alten Thomas H. im Februar 2022 verurteilt.

Tat mit unfassbarer Brutalität und Grausamkeit

„Gottseidank haben wir derartige Verfahren sehr selten“, konstatierte der Senatsvorsitzende Markus Kenntner zu Beginn der Verhandlung am Donnerstag im Bundesverwaltungsgericht. Denn auch wenn es nicht Gegenstand dieses Prozesses war, erschüttert der Hintergrund alle Beteiligten: Am 23. April 2019 erschlug Thomas H. seine Frau (39) und den gemeinsamen Sohn (10) unter anderem mit einem schweren Stein im Bereich einer Höhle, gelegen bei Adeje, im Süden Teneriffas. Dort hatte er die Familie unter einem Vorwand hingelockt.

Nur der jüngere Sohn (damals 7) entkam – offenbar hatte der Vater auf eine Verfolgung des Kindes verzichtet, weil er glaubte, der Junge überlebe die Wildnis sowieso nicht. Doch die zynische Kalkulation ging fehl: Wanderer fanden das verstörte Kind, schließlich wurde die Polizei alarmiert und Thomas H. gefasst.

Im Februar 2022 erhielt er lebenslange Haft für den Mord an seinem älteren Sohn, dazu kamen 23 Jahre wegen Mordes an seiner Frau und 16 für den versuchten Mord am kleinen Sohn. Die Argumentation seiner Verteidigung, wonach der Angeklagte nicht Herr seiner Sinne gewesen sein, überzeugte die spanischen Richter nicht.

Auch Vorinstanzen wiesen Klage ab

Thomas H. hatte seit Oktober 2002 zuletzt als Verwaltungsamtmann im Dienst des Landes Sachsen-Anhalt gestanden, wurde jedoch bereits im Januar 2011 wegen dauernder Dienstunfähigkeit in den frühzeitigen Ruhestand versetzt.

Die Bundesagentur für Arbeit wollte im September 2022 per Disziplinarklage erreichen, dass dem Doppelmörder sein Ruhegehalt aberkannt wird. Erfolglos: Sowohl das Verwaltungsgericht als auch das Oberverwaltungsgericht in Magdeburg beurteilten die Sachlage so, dass Thomas H. durch ein deutsches Gericht hätte verurteilt werden müssen.

Bundesrichter in Leipzig sehen keine rechtliche Grundlage

In diesem Fall hätte auch für einen Beamten im Ruhestand die Regelung gegriffen, dass der Pensionsanspruch bei einer vorsätzlich begangenen Straftat mit mindestens zwei Jahren Freiheitsstrafe weg ist. So aber drehte sich das Verfahren um die Frage: Hat sich Thomas H. mit seiner grausigen Gewalttat gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung (FDGO) Deutschlands gestellt? An der darf sich nämlich auch ein Beamter im Ruhestand nicht vergreifen.

Nein, sagte jetzt auch das Bundesverwaltungsgericht: Das Verbrechen von Thomas H., so verwerflich und unfassbar es sei, könne nicht als Betätigung gegen die FDGO, also gegen den Staat und seine Verfassung, ausgelegt werden und böte damit keinen Grund, ihm die Pension abzuerkennen.

Die Anwälte der Bundesagentur für Arbeit hatten in der mündlichen Verhandlung argumentiert, dass Thomas H. zwar nicht gegen den Staat vorgegangen sei, die Werte der Verfassung aber sehr wohl verletzt und mit der Ermordung seiner Frau einen Femizid begangen habe.

Der Senat widersprach: „Die Begehung einer Straftat genügt für sich genommen zur Aberkennung des Ruhegehalts dagegen nicht. Dies gilt auch für die Begehung eines ‚Femizids‘, der in der deutschen Rechtsordnung nicht definiert ist. Abgesehen davon, dass das spanische Strafgericht die Begehung der Straftat aus geschlechtsspezifischen Gründen ausdrücklich geprüft und verneint hat, läge hierin keine Betätigung gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung“, teilt der Senat am Donnerstag mit.

Az. BVerwG 2 C 13.2