Könnte Nigel Farage tatsächlich Großbritanniens nächster Premierminister werden? Inmitten der aktuellen Asyl-Tumulte im Lande und vor dem Hintergrund allgemeiner Unzufriedenheit mit der Labour-Regierung hat der Führer der rechtspopulistischen Partei Reform UK jetzt die Nase jedenfalls weit vorn.
Den jüngsten Umfragen zufolge käme Farages Bewegung, die heute und morgen in Birmingham ihren Parteitag abhält, auf 30 Prozent der Stimmen, wenn nun Wahlen stattfänden. Der Labour Party würden dagegen nur noch 21 Prozent zufallen, die Konservativen können gerade mal noch mit 17 Prozent rechnen. Das würde die Tories wegen des britischen Mehrheitswahlrechts praktisch zur Bedeutungslosigkeit verurteilen – während Farage klarer Wahlsieger wäre, mit Anspruch auf Übernahme der Regierung in London, und mit etwas Glück sogar mit einer absoluten Mehrheit an Mandaten im Parlament.
Nun ist Keir Starmer allerdings noch keine 14 Monate im Amt. Und das heißt, dass regulär erst im Frühsommer 2029 wieder ein neues Unterhaus gewählt werden muss. Bis dahin kann sich natürlich noch einiges ändern. Aber bereits im kommenden Mai finden landesweit wichtige Kommunalwahlen sowie Wahlen zum walisischen und zum schottischen Parlament statt.
Schon jetzt werden Wahlen erobert
Und schon in den letzten Monaten hat Reform UK begonnen, neues Terrain in Gemeinden und Regionen und bei parlamentarischen Nachwahlen zu erobern. Kein Wunder, dass gegenwärtig auf der Insel so viel von Nigel Farage die Rede ist. Mit seiner immer aggressiveren Rhetorik, die oft an Donald Trump erinnert, hat sich der Reform-Chef jede Menge Aufmerksamkeit gesichert. Die einflussreiche Rechtspresse und GB News, ein relativ neuer TV-Sender, verschaffen ihm in der Öffentlichkeit die Resonanz, die er benötigt. Und um seine Millionen-Gefolgschaft in den sozialen Medien beneiden ihn die anderen Parteien ohnehin schon lang.
Scharfe Worte – wie schon zu Brexit-Zeiten
Aufsehen zu erregen und Ängste aufzurühren, versteht Farage zweifellos noch so gut wie zu Brexit-Zeiten, als er die anderen Parteien nach Belieben vor sich her trieb. Mal warnt er vor einer „Invasion der Migranten“, mal klagt er über „die Flüchtlingsplage“, „den Zerfall der Gesellschaft“ und die bald schon drohende „Gesetzlosigkeit“ im Königreich. Am Dienstag war der 61-Jährige auf Einladung der Republikaner sogar nach Washington gereist, um im Repräsentantenhaus – allerdings nur bedingt erfolgreich – auf die „schlimme autoritäre“ Situation in Großbritannien aufmerksam zu machen.
Nur wenige Tage zuvor hatte Farage angekündigt, er werde als Premier sämtliche unerlaubt ins Land kommenden Asylwerber ohne Prüfung irgendwelcher Anträge deportieren lassen und dafür sorgen, dass sie nie wieder einen Fuß auf britische Erde setzten. Auch schon in Großbritannien lebenden Migranten soll es an den Kragen gehen. Außer der „Massen-Deportation“ von 600.000 unerwünschten Ausländern ist der Austritt aus der Europäischen Menschenrechtskonvention und ein vorläufiger Rückzug aus der UN-Flüchtlingscharta geplant.
Mit Parolen dieser Art stößt Farage auf lebhaften Zuspruch vor allem da, wo seine Landsleute sich benachteiligt fühlen und um die eigene Zukunft bangen. Und wegen der erneut hohen Lebenshaltungskosten, der Kürzung von Sozialleistungen (ausgerechnet durch Labour), und der Erwartung angeblich drakonischer Steueranhebungen im Herbst ist die Nervosität derzeit überall hoch.