Liebe Leserin, lieber Leser,
vor der Insel Scharhörn
wurde nun auch die zweite Hälfte des U-Boots geborgen, das dort seit 106 Jahren
auf dem Meeresgrund lag.
Bei einem ersten Bergungsversuch
Anfang der Woche war das Wrack auseinandergebrochen; die eine Hälfte zog der
Schwimmbagger Matador 3 auf einem Ponton nach Cuxhaven, die andere
Hälfte blieb im Wasser. Jetzt ist das U-Boot vollständig auf dem Trockenen –
immer noch kaputt natürlich, nun im besten Sinne also: vollständig kaputt.
Die misslungene Bergung
hatte im Wochenverlauf für Diskussionen gesorgt. Hamburgs Landesarchäologe
Rainer-Maria Weiss nannte das Vorgehen „stümperhaft“ und sprach von einer
„illegalen Hauruck-Aktion“. Der Bergungsort liege auf Hamburger Hoheitsgebiet,
„damit sind für alle Bodendenkmale rund um Scharhörn wir zuständig.“ Er
bezeichnete das Vorgehen als „grobe Missachtung jeglicher Regularien“.
„Ich bin ein bisschen
sprachlos und kann auch nicht wirklich verstehen, wie man dazu gekommen ist,
das so zu machen“, sagt der Sprecher der Kommission für Unterwasser- und
Feuchtbodenarchäologie im Verband der Ländesarchäologien, Jens Auer. „Aus
fachlicher Sicht ist das absolut inakzeptabel.“
Veranlasst hatte die
Bergung die Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt. „Das Wrack ist seit
1960 bekannt“, sagte ein Sprecher. Seitdem habe niemand Ansprüche angemeldet.
Als Denkmal sei das U-Boot auch nicht eingetragen gewesen. Es hätte aber leicht
zu einer Gefahr für Containerschiffe werden können, man habe deshalb handeln
müssen.
Dem kontert wiederum der
Hamburger Landesarchäologe: Statt es zu bergen, hätte man das U-Boot ein wenig
anheben und ein paar Meter weiter wieder ins Wasser legen können. Jetzt, da das
Wrack geborgen ist, geht das natürlich nicht mehr – man kann ein Denkmal ja
nicht einfach in die Nordsee werfen, auch wenn es jahrelang genau dort lag.
© ZON
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Die Generaldirektion
Wasserstraßen und Schifffahrt wollte die Überreste eigentlich verschrotten
lassen. Nun aber hat das Deutsche Marinemuseum in Wilhelmshaven Interesse
angemeldet – aber, Achtung, nur an der Hälfte. Das ganze Wrack museal
aufzubereiten und fachgerecht zu konservieren, sei zu teuer. Was mit der
zweiten Hälfte geschieht: Warten wir’s ab.
Erstmals versenkt wurde das
U-Boot, das zur Flotte der kaiserlichen Marine gehörte, nach dem verlorenen
Ersten Weltkrieg auf der Auslieferungsfahrt nach Großbritannien, mutmaßlich von
der Besatzung selbst.
Falls es noch eines
Beweises bedurft hätte, dass man etwas, das kaputt ist, noch kaputter machen
kann: Hier ist er.
Nur wie oft, ist noch offen.
Ich wünsche Ihnen einen schönen Tag!
Ihr Florian Zinnecker
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wissen Sie etwas, worüber wir berichten sollten? Schreiben Sie uns eine E-Mail
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WAS HEUTE WICHTIG IST
© David Hammersen/dpa
Gut fünf Wochen vor den anstehenden
Volksentscheiden am 12. Oktober beginnt der Versand der Abstimmungsunterlagen
für die rund 1,3 Millionen Stimmberechtigten. Der „Hamburger Zukunftsentscheid“
will erreichen, dass die Stadt bereits bis 2040 klimaneutral wird – fünf Jahre
früher als vom rot-grünen Senat geplant. Beim Volksentscheid „Hamburg testet
Grundeinkommen“ wird darüber abgestimmt, ob rund 2.000 Hamburger versuchsweise
drei Jahre lang ein Grundeinkommen erhalten sollen. Abweichend zu Wahlen müssen
Bürger für die Volksabstimmungen keine Briefwahl beantragen. Der
Abstimmungsbrief kann portofrei mit der Post versandt oder bei einem Bezirksamt
abgegeben werden. Am 12. Oktober haben zudem 185 Abstimmungsstellen geöffnet.
Die Zahl unerledigter Fälle bei der Hamburger
Staatsanwaltschaft wächst weiter – und zwar stärker als in den
Strafverfolgungsbehörden anderer Bundesländer. So haben sich die offenen
Verfahren in der Hansestadt seit 2021 fast verdreifacht, wie aus einer Umfrage
der Deutschen Richterzeitung hervorgeht. Der Deutsche Richterbund nannte die
Entwicklung „dramatisch“. So waren Ende des zweiten Quartals den Angaben zufolge
64.404 Verfahren offen. Ende 2021 waren es noch 22.900. Die Zahl der bei der
Staatsanwaltschaft neu eingegangenen Verfahren belief sich zuletzt auf über
94.000. Im vergangenen Jahr hatten unerledigte Fälle vor allem in den
Deliktbereichen Diebstahl und Unterschlagung, Kinderpornografie und Geldwäsche
die Aktenberge wachsen lassen.
Vor dem Hamburger Landgericht hat der Prozess gegen
zwei mutmaßliche Mitglieder einer internationalen Bande von Luxusautodieben
begonnen. Den 25 und 44 Jahre alten Männern wird vorgeworfen, mehr als 20
Landrover-SUVs von Jaguar und 911er-Porsche-Modelle gestohlen oder
manipuliert zu haben. Der Zeitwert der Wagen lag meist bei 100.000 Euro, teils
auch deutlich darüber. Insgesamt geht die Staatsanwaltschaft von einem Schaden
in Höhe von rund zwei Millionen Euro aus.
In aller Kürze
• Beim Baden in
der Alster ist ein Mann ertrunken. Laut Zeugen hat sich der Mann am
Donnerstag gegen 11.50 Uhr entkleidet, ist in die Alster zum Baden gestiegen
und später untergegangen. Gegen 12.20 Uhr wurde er leblos aus dem Wasser
gezogen • In der Elbe ist am Donnerstag auf Höhe des Falkensteiner Ufers
eine leblose Person im Wasser entdeckt worden. Ob es sich um den seit
Sonntag vermissten Schwimmer handelt, ist noch nicht bekannt • Die
Löwin Tembesi, die seit April 2005 im Löwen-Revier bei Hagenbeck zu Hause
war, ist eingeschläfert worden. Der Tierpark Hagenbeck teilte mit, dass die
Löwin in den letzten Wochen kaum fressen oder laufen konnte • Ein
21-jähriger Patient hat in der Nacht zu Donnerstag in der Asklepios Klinik
Altona eine Krankenschwester mit einem Messer verletzt und zwei
Polizisten angegriffen
AUS DER HAMBURG-AUSGABE
© Zivanai Matangi
Bewegt euch mal!
Warum
es in der Hamburger Kulturszene so schwierig ist, etwas wirklich Neues zu
probieren – und warum man es trotzdem unbedingt tun sollte. Lesen Sie hier
einen Auszug aus dem Gastbeitrag der Tänzerin und Choreografin Jessica Nupen.
Als ich zusagte, diesen
Text zu schreiben, ahnte ich nicht, wie sehr mich die Sache aufwühlen würde:
eine Auseinandersetzung mit der Stadt, die mich und mein künstlerisches und
berufliches Werden geprägt hat, die mir Nährboden und Prüfstein zugleich war.
Seit fast zwei Jahrzehnten lebe und arbeite ich in Hamburg. Und beobachte mal
mit Bewunderung, mal mit Ernüchterung, in welchem Verhältnis die Stadt zu ihrer
eigenen kulturellen Identität steht.
Von den Ateliers in den
Szenevierteln bis hin zur Oper und den Konzertsälen, von improvisierten Bühnen
in alten Lagerhallen bis zu Festivals in Fabriken, Gärten oder Docks: Hamburg
versteht sich gern als vibrierende Kulturmetropole. Mit ihren Ausbildungsstätten,
der „Kunstmeile“ und zuletzt auch mit verstärkten Initiativen für Kunst im
öffentlichen Raum schmückt sich die Stadt mit dem Anspruch, Theater, Musik und
bildende Kunst seien hier keine bloßen Zierden, sondern Teil des Alltags. Eine
Stadt, die von ihren Bürgerinnen und Bürgern hochgeschätzt wird und sich selbst
hohe Maßstäbe setzt.
In Deutschland und weit
darüber hinaus ist die Stadt damit ein Ausnahmefall. Überall steht das
Verhältnis zur Kunst gerade mehr denn je auf der Probe. Kürzungen und
Schließungen bringen Probenräume, Ateliers und Galerien in Existenznot – im
ganzen Land wird gespart. In Hamburg hingegen wächst der Kulturetat, ein privat
finanziertes Opernhaus ist in Planung, und mehrere traditionsreiche
Institutionen bereiten sich auf einen Generationswechsel vor.
Hinter diesem glänzenden Ruf aber verbirgt
sich eine drängende Frage: Wird die Stadt den Mut haben, ihre Chancen zu nutzen
und den Aufbruch in eine tatsächlich transformierende Kulturlandschaft wagen?
Welche Chancen und Herausforderungen Jessica Nupen für
die Zukunft der Hamburger
Kulturszene sieht, lesen Sie weiter in der ungekürzten Fassung auf zeit.de.
DER SATZ
© Robert Kiehn
„Ich habe über die Jahre unzählige selbst gemalte Bilder von Schüttiman
bekommen – einige hängen gerahmt bei uns zu Hause über der Treppe. Manche
Kinder haben sogar eigene Geschichten geschrieben.“
Der Hamburger
Grundschullehrer Heiko Schütt hat für sich eine neue Identität erfunden – als Superheld
„Schüttiman“. Nun ist er sogar im Kino zu sehen. Viola Diem hat ihn getroffen.
MAHLZEIT – Die Gastrokritik
Lange Zeit litt Hamburg
Mangel an guten Weinbars. Jetzt, so scheint es, macht alle paar Wochen irgendwo
eine neu auf. Das Kimdo in Winterhude ist trotzdem einzigartig. Denn
hier bekommt man zum Wein koreanische und japanische Speisen. Und das nicht,
weil das Betreiberehepaar originell sein will, sondern schlicht weil es die
Voraussetzungen mitbringt. Moon-Jung Kim, die Köchin, hat sich einige Snacks
ausgedacht, die keine starken Aromen wie Chili oder Knoblauch brauchen: ein
minimalistisches Bibimbap aus Reis, einem rohen Eigelb und viel Masago. Eine
hübsch angerichtete Handrolle von der Jakobsmuschel. Oder gute Tempura von
verblüffend großen Garnelen.
Die von Martin Dobner ausgewählten Weine
stammen vornehmlich aus Deutschland, Frankreich und Österreich. Alle sind mit
Kennerschaft ausgewählt, wenn auch noch nicht ersichtlich ist, was sie sonst
gemeinsam haben. Er probiere noch ein wenig herum, was bei der Laufkundschaft
ankomme, sagt Dobner.
Die findet sich jetzt,
nach kaum zwei Wochen, schon reichlich ein im kleinen Lokal in der Gertigstraße
– sicher auch weil man draußen sitzen kann. Wer hier einkehrt, sollte Zeit
mitbringen; Dobner ist im Service allein. Dafür kommt man so in den Genuss
seiner liebenswert altmodischen, herzlichen Gastfreundschaft.
Kimdo,
Gertigstraße 23, Winterhude. Tel. 0151 – 53417567
DARAUF KÖNNEN SIE SICH FREUEN
Heute und morgen können
Sie beim „Walk@Talk“ die Vielfalt der Hamburger Galerien entdecken. 32
Hamburger Galerien zeigen ihr Programm, von Werken aus dem 20. Jahrhundert bis
zur zeitgenössischen Kunst. Der Eintritt ist frei. Es gibt auch geführte
Rundgänge in unterschiedlichen Stadtteilen, für die man sich anmelden sollte.
„Walk@Talk“; 5. und 6. September, die teilnehmenden Galerien und Rundgänge finden Sie hier
MEINE STADT
Fischauktionshalle am Morgen © Eva Klock
HAMBURGER SCHNACK
Im Café sitzen
drei um die 80-jährige Damen, schick angezogen, bei Kaffee und Kuchen. Eine
erzählt genervt von einem Cabrio, das im Schneckentempo vor ihr gefahren ist. „Und
dann geht an der Kreuzung das Verdeck auf, und ich sehe den Fahrer. Das war so
ein Opa mit Kappe und Sonnenbrille!“
Gehört von Marcella
Voigtländer
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