Die Europäische Kommission hat auf den Filmfestspielen von Venedig die zweite Ausgabe ihres European Media Industry Outlook vorgestellt – und sie fällt alarmierend aus. Während die europäische Film- und TV-Branche nach der Pandemie ihre Produktionsleistung gesteigert hat, verliert sie im Wettbewerb mit globalen Technologieriesen weiter an Boden.
Henna Virkkunen, Exekutiv-Vizepräsidentin der EU-Kommission für technologische Souveränität, Sicherheit und Demokratie (Credit: IMAGO / ABACAPRESS)
Laut European Media Industry Outlook, den die Europäische Kommission bei den Filmfestspielen von Venedig präsentierte, ist der europäische Medienmarkt – von Film über Fernsehen bis Gaming und XR – „konzentriert auf eine Handvoll nicht-europäischer Akteure, insbesondere aus den USA und China“. Plattformen wie YouTube, Netflix oder Disney+ sichern sich dank globaler Reichweite den Großteil der Erlöse und bestimmen über Algorithmen und Distribution zunehmend, welche Inhalte beim Publikum ankommen.
Die Zahlen unterstreichen die Schieflage: In den Kinos der EU entfielen 2024 66 % der Ticketverkäufe auf US-Filme, während europäische Werke lediglich 29 % erreichten. Auf Streaming-Plattformen beträgt der Anteil europäischer Titel zwar 20 % der Kataloge, doch die tatsächliche Nutzung liegt bei mageren 16 %. Schockierend sind diese Zahlen jedoch nicht. Auch vor der Pandemie dominierte das US-Kino das europäische Boxoffice. Was laut Bericht bedenkenswert sei, ist die Entwicklung einer weiteren Zentrierung des Markts und der Wegfall eines Wettbewerbs innerhalb Europas.
Gleichzeitig nimmt die Produktionsleistung zu: 2023 wurden 1.779 Filme in der EU hergestellt, ein Plus von 3 % gegenüber dem Vorjahr. Der Produktionswert liegt inzwischen 16 % über Vorkrisenniveau. Doch die Finanzierung bleibt stark abhängig von öffentlicher Förderung – 26 % der Budgets stammen aus direkten Zuschüssen, weitere 21 % aus steuerlichen Anreizen.
Auf Unternehmensebene wächst die Dominanz amerikanischer Konzerne weiter. Comcast, Disney, Netflix und Google vereinen bereits 40 % der Umsätze der Top-100-Unternehmen in Europa auf sich. Der Anteil europäischer Anbieter sank seit 2016 um acht Prozentpunkte auf 59 %. Die größten Player auf EU-Seite bleiben ARD, RTL Group und Canal+.
Der Bericht warnt, dass die Branche Gefahr läuft, bei zentralen Technologien wie KI, Cloud-Services oder Blockchain-Lösungen dauerhaft von US- und China-Anbietern abhängig zu bleiben. Nur sieben Medienfirmen finden sich aktuell unter den 800 forschungsstärksten Unternehmen weltweit.
Positiv hebt die Studie die hohe Reputation europäischer Inhalte hervor – vom Qualitätskino über High-End-Serien bis hin zu Independent Games. Auch Beschäftigung und Profitabilität haben sich insgesamt stabilisiert. Doch die Kommission sieht in der aktuellen Entwicklung „Risiken für die wirtschaftliche Resilienz, die kreative Freiheit und die kulturelle Einflusskraft Europas“.
Die Empfehlungen fallen deutlich aus: stärker auf Publikumsbedürfnisse eingehen, in eigene Technologien investieren, IP-Marken konsequenter verwerten und den Aufbau europäischer Start-ups fördern. Mit dem geplanten AgoraEU-Programm, das Creative Europe Media ablösen soll, will die EU die Weichen für diesen Kurs stellen. Insgesamt 9 Milliarden Euro sind dafür eingeplant.
Henna Virkkunen, Exekutiv-Vizepräsidentin für Technologische Souveränität, Sicherheit und Demokratie, ist daher trotz der Umwucht im Markt optimistisch gestimmt: „Die 2025er Ausgabe des European Media Outlook zeigt deutlich: Die europäische Medienbranche verfügt über ein starkes Fundament – von hochwertigen Filmen und Videospielen bis hin zu vertrauenswürdigen Nachrichtenmedien. Die Präsenz europäischer Inhalte bei der diesjährigen Biennale di Venezia unterstreicht diese Exzellenz. Mit mehr Investitionen, dem Einsatz führender Technologien und publikumsnahen Strategien können wir die Wettbewerbsfähigkeit und Unabhängigkeit des Sektors entscheidend stärken. So sichern wir die einzigartige Rolle der Medien für Demokratie, kulturelle Vielfalt und Europas Position im internationalen Wettbewerb.“
Den ganzen Bericht finden Sie hier.