Lkw-Fahrer Frank Pietsch aus Rheinhausen staunt nicht schlecht, als sein Lastwagen am Freitagmorgen von Zöllnern der Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) zu einer Kontrollstelle im Duisburger Hafen gelotst wird. Nicht wegen der Kontrolle, „das ist ja schon Routine“, sagt der 59-Jährige. Aber als Pietsch zur Befragung aus seiner Fahrerkabine steigt, schauen ihm etwa 50 Beobachter zu. Darunter sind nicht nur Zöllnerinnen und Zöllner, sondern auch sechs Kamerateams, Reporter, einige Personenschützer mit Knopf im Ohr und etliche Anzugträger. Denn bei dieser Kontrolle schauen Bundesfinanzminister und Vizekanzler Lars Klingbeil sowie Arbeits- und Sozialministerin Bärbel Bas den Zollbeamten in des Wortes Bedeutung über die Schultern.

Die beiden SPD-Vorsitzenden sind neun Tage vor den Kommunalwahlen nach Duisburg gekommen, um sich die FKS-Kontrolle im Speditions-, Transport- und Logistikgewerbe anzuschauen und um zwei Botschaften zu senden. Sie wollen erstens verdeutlichen, dass die neue Bundesregierung für „eine härtere Gangart gegen Schwarzarbeit“ sorgen will – gegen all jene, „die sich auf Kosten der Allgemeinheit schäbig und unanständig bereichern“, wie Klingbeil als oberster Dienstherr des Zolls sagt. Die Heimatstadt der Arbeitsministerin Bas ist dafür ein guter Ort, weil die SPD-Doppelspitze zweitens ihren Genossinnen und Genossen im Wahlkampf den Rücken stärken will.

Bärbel Bas: SPD muss sich wieder auf arbeitende Bevölkerung konzentrieren

In diesem Kommunalwahlkampf erhalten die Sozialdemokraten in den einst roten Bastionen des Ruhrgebiets so viel Unterstützung von ihrer Parteiprominenz wie selten zuvor. Das liegt nicht nur daran, dass die parlamentarische Sommerpause in Berlin erst kommende Woche endet und Bärbel Bas hier zu Hause ist. Vorige Woche war auch Boris Pistorius in Duisburg, der beliebteste SPD-Politiker traf Ehrenamtler aus Katastrophenschutz und Erster Hilfe.

Die Besuche aus Berlin zeigen, welch richtungsweisende Bedeutung die Entscheider im Willy-Brandt-Haus dem Abschneiden in den einstigen Herzkammern der Sozialdemokratie beimessen. Der Aufstieg der AfD bereite ihr Sorgen, sagt Bärbel Bas in die Mikrofone: „Das ist keine demokratische Partei.“ Im Kampf gegen die AfD sei es Aufgabe der Regierung, „die Probleme der Menschen jetzt zu lösen“, etwa mit dem 500-Milliarden-Sondervermögen. Auch Duisburg werde davon profitieren. „Die Menschen merken in den Städten, ob Schulen und Straßen saniert werden oder nicht.“ Die Investitionen seien für das Ruhrgebiet wegen des Sanierungsstaus hier besonders wichtig, so Bas.

Der Kampf gegen die Schwarzarbeit sei auch einer für Unternehmer, die Tariflöhne zahlen, für die Fleißigen und Gesetzestreuen, erklärt die SPD-Chefin. Ihre Partei müsse sich wieder „auf die konzentrieren, die in diesem Land viel leisten“, auf die Arbeiter und Angestellten. Das habe die SPD zuletzt etwas versäumt.

Die Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) des Hauptzollamtes Duisburg überprüfte im Hafen Lkw-Fahrer und deren Arbeitgeber.

Die Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) des Hauptzollamtes Duisburg überprüfte im Hafen Lkw-Fahrer und deren Arbeitgeber.
© FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

Finanzminister Lars Klingbeil: Gespräche über 30-Milliarden-Lücke „konstruktiv intern besprechen“

Finanzminister Klingbeil hofft auf beträchtliche Mehreinnahmen durch den Kampf gegen Schwarzarbeit und Sozialbetrüger, dem Zoll verspricht er 1000 zusätzliche Stellen. Die Bundesregierung will mit einem neuen Gesetz härter gegen illegale Arbeit vorgehen, das dem Zoll neue Befugnisse verschafft. Arbeitsverhältnisse, die nicht der Sozialversicherung und dem Finanzamt gemeldet werden, verursachten laut Zoll 2024 einen Schaden in Höhe von 766 Millionen Euro.

Und Klingbeil hat mit Bas, Kanzler Friedrich Merz (CDU) und Markus Söder (CSU) eine 30-Milliarden-Euro-Lücke im Haushalt zu schließen. Nach dem medial ausgetragenen Streit der Koalitionäre über Sparmaßnahmen würden die vier Parteivorsitzenden die Sparvorschläge nun „konstruktiv intern besprechen statt öffentlich“, sagt Finanzminister Klingbeil in Duisburg, als Reporter der großen Nachrichtensendungen auf neuen Stoff für den Koalitionszoff hoffen.

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Lkw-Fahrer: „Es gibt schon viele schwarze Schafe“

Der Vizekanzler erkundigt sich zum Arbeitsalltag der FKS. Und lauscht, wie Zöllner Ingo Bahr (42) Lkw-Fahrer Frank Pietsch befragt. Bahr kontrolliert Personalien und Frachtbrief, stellt Fragen zum Beschäftigungsverhältnis und zu den Arbeitszeiten der letzten Tage, nach dem Bezug von Sozialleistungen. Bei anderen Lkw-Fahrern lesen die Kontrolleure auch die Fahrerkarten aus, um zu sehen, ob die Fahrzeiten zur angegebenen Wochenarbeitszeit passen. An diesem Morgen lotsen die Dienstfahrzeuge des Zolls in zwei, drei Stunden etwa 30, 40 Lastwagen aus dem Hafengebiet zum Kontrollpunkt.

Zöllner Ingo Bahr von der FKS befragt bei der Kontrolle im Hafen Lkw-Fahrer Frank Pietsch.

Zöllner Ingo Bahr von der FKS befragt bei der Kontrolle im Hafen Lkw-Fahrer Frank Pietsch.
© FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

„Im Nachgang überprüfen wir die Geschäftsunterlagen und gleichen die Daten mit der Rentenversicherung, gegebenenfalls mit der Arbeitsagentur oder dem Jobcenter ab“, erklärt Ivan Čule, Sprecher des Duisburger Hauptzollamtes.

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Lkw-Fahrer Pietsch darf nach 20 Minuten weiterfahren – alles in Ordnung und plausibel, sagt Kontrolleur Bahr. Fahrer Pietsch befürwortet die Stichproben: „Es gibt schon viele schwarze Schafe, unter denen haben auch viele Fahrer zu leiden.“

>> FKS Duisburg: 2024 Schaden von 10,5 Millionen Euro ermittelt

  • Die Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) des Duisburger Hauptzollamtes hat 2024 insgesamt 570 Betriebe kontrolliert. Dabei ermittelten die Zöllner mit Hauptsitz in Ruhrort in ihrem Bezirk eine Schadensumme von 10,5 Millionen Euro. Zum Hauptzollamt Duisburg gehören die Dienststellen Emmerich, Essen, Ruhrort und Straelen-Autobahn.
  • Die FKS kontrolliert nach dem Schwarzarbeitsgesetz sozialversicherungsrechtliche Meldepflichten, den unrechtmäßigen Bezug von Sozialleistungen, Einkommensangaben des Arbeitgebers, steuerliche Pflichten, ob Ausländer illegal beschäftigt werden, die Rechtmäßigkeit von Arbeitsbedingungen und Löhnen.