Kaum am Messegelände angekommen, bringt das Handy zunächst gute Nachrichten: Die IFA-App ist freigeschaltet. Vor dem Haupteingang prangt sie auf Bannern allgegenwärtig als unverzichtbarer Begleiter. Doch schon am Einlass folgt die digitale Ernüchterung: Die Akkreditierung in der Google Wallet lässt sich angeblich nicht einscannen – stattdessen heißt es: bitte ausdrucken. Lange Schlangen, lange Gesichter. Willkommen zurück im Papierzeitalter. Erst nach einer halben Stunde die Entwarnung: Das Einscannen funktioniert sehr wohl, die Mitarbeiter waren schlicht falsch informiert.
Gleich hinter dem Eingang lockt der erste Stand: IFA-Merchandise. Beutel, T-Shirts, Schlüsselanhänger – das Geschäft startet sofort. Doch Hand aufs Herz: Wer möchte wirklich im IFA-Outfit durch die Hallen schlendern?
Halle 20: „Photo, Video & Content Creation“
Hier dreht sich alles um Fotos, Videos und die Welt der Influencer. Stative, Selfie-Sticks und Zubehör für Drohnen, wohin das Auge blickt.
Unter den Ausstellern findet sich auch Potensic. Das Unternehmen wurde 2014 im chinesischen Shenzhen gegründet, wo es bis heute seine Fabrik betreibt. Neu im Portfolio ist die Drohne Atom 2, gedacht für den Privatgebrauch. Sie kostet zwischen 199 und 329 Dollar, filmt in 4K und schießt Fotos mit bis zu 8K-Auflösung. „Vor allem junge Chinesinnen und Chinesen lieben dieses Modell“, sagt Mitarbeiterin Mingrui. „Es ist sehr einfach zu fliegen.“ In China gebe es zudem spezielle Websites, auf denen sich nachvollziehen lässt, wo Drohnenflüge erlaubt sind – und wo nicht, ergänzt sie.
Mingrui von Potensic lässt das neue Dronenmodell Atom 2 fliegenMarkus Wächter/Berliner Zeitung
In Europa und den USA verkauft Potensic seit Jahren. In China erst seit einem Jahr. Auf die Frage nach dem Grund lacht Mingrui und sagt: „USA first.“ Vielleicht ist es für Privatpersonen in China doch nicht so einfach, Drohnen steigen zu lassen.
Direkt neben Potensic der Branchenriese DJI. Auch er aus Shenzhen, längst einer der Weltmarktführer. DJI zeigt die komplette Palette: kleine Drohnen für Hobbyfilmer, es gibt aber auch richtige schwere Modelle für Paketlieferungen und Katastrophenschutz, teils sogar mit Benzinantrieb.
Halle 18: Willkommen im „Home und Entertainment“
Die Südkoreaner von LG haben Halle 18 komplett gemietet. Alles dreht sich um „AI Home“. Kühlschränke, die sich dem Einkaufsverhalten und Tagesrhythmus anpassen. Wer nachts Futter sucht, bekommt das Licht gedimmt. Niemand soll beim Mitternachtssnack geblendet werden.
Mitten in der Show dann der Bruch: Der große Vorführkühlschrank läuft, das Display blinkt verheißungsvoll – nur innen herrscht Zimmertemperatur. Umweltfreundliche Demonstration oder schlicht Vorführpanne?
Auch die Waschmaschinen sind mit KI ausgerüstet. Sie erkennen, wie schwer die Trommel beladen ist, welche Textilien sich darin befinden. Das läuft unter dem Hashtag #AIwash. Zusammengefasst laufen die Produkte unter dem Projektnamen„AI Home“. All das ist aber nicht neu, Innovationen Fehlanzeige. Man verfeinert Bekanntes, etikettiert es mit KI.
Der smarte Kühlschrank von LG ist prall gefüllt.Markus Wächter/Berliner Zeitung
Wie LG hat der ebenfalls aus Südkorea kommende ewige Rivale Samsung jede Menge Geld in die Hand genommen und bespielt den gesamten City Cube. Auch hier das Übliche: Fernseher, Kühlschränke und Waschmaschinen. Auch hier überall KI. Immerhin: Der Vorführkühlschrank ist kalt. Ein kleiner Triumph über LG. Ansonsten wirkt der Auftritt aber auch nur wie eine stylishe Neuinszenierung bereits bekannter Technologien.
Halle 2.2: Die erste Überraschung mit einem Roboter
Die einzige echte Innovation findet sich in Halle 2.2: Eufy, eine Marke von Anker Innovations, präsentiert den Marswalker – einen Staubsaugerroboter, der tatsächlich Treppen steigen kann. Dazu gibt’s die Dockingstation Omni S2. Endlich Science-Fiction zum Anfassen, endlich ein Produkt, das man so noch nicht gesehen hat und das tatsächlich Sinn ergibt. Schon der Name klingt nach Blockbuster: Marswalker – das riecht nach Elon Musk, nach Aufbruch ins All. Nur führt der Weg in die Zukunft hier schlicht die Treppe hinauf. Das kleine Manko: Hoch kommt der Roboter, saugen tut er die Stufen allerdings nicht.
Auf zum Mars: Treppenstufen sind für den Marswalker von Eufy kein Problem.Markus Wächter/Berliner Zeitung
Halle 5: „Gaming Area“ mit Ausstellern aus Fernost
Auch im Gaming Bereich kommen die Aussteller aus Fernost. Die Firma Akko aus, wer hätte das gedacht, Shezhen zeigt Tastaturen und Mäuse. Bunt bedruckt mit Anime-Helden aus One Piece und Dragon Ball Z richten sie sich an Gamer und Cosplayer.
Nebenan zeigen die Chinesen von Kinstone einen Roboter für Kinder. Mit Mikrofon, Lautsprecher, Motor. Ferngesteuert per Handy kann er singen, tanzen und sprechen. Über Bluetooth mit dem Handy verbunden, wird er zur Stimme von ChatGPT. Bei einer Abnahme ab 1000 Stück koste er nur 30 Dollar, erklärt die Marketingverantwortliche.
Der Spielzeugroboter von Kinstone kann singen, tanzen, sprechen und zuhören.Markus Wächter/Berliner Zeitung
Hier drängt sich die große Frage auf: Soll wirklich ausgerechnet China die digitale Erziehung europäischer Kinder prägen? Früher kam Spielzeug von dort billig und stumm – heute spricht es. Und hört mit.
Halle 17: Massagesessel, die wie High-Tech-Särge aussehen
Keine Innovation, aber eine der raren Attraktionen findet sich in Halle 17. Dort zeigt die koreanische Firma Bodyfriend seine Massagesessel. Modelle, die wie High-Tech-Särge aussehen. Das Modell „Quantum“ bewegt den ganzen Körper, schüttelt, streckt, massiert. Wer darin sitzt, fühlt sich wie in einem Transformer Film.
Der Quantum Massagesessel von Bodyfriend: Wer darin sitzt, fühlt sich wie in einem Transformer-Film.Markus Wächter/Berliner Zeitung
Und auch das gibt es bei der IFA 2025: Ein humanoider Roboter spaziert über das Gelände. Auf die Frage, was er könne, antwortet sein Betreuer: „Er läuft.“ Gut ist der Transport für Besucher: Über das Messegelände fährt die BVG. Mit Minibussen, kostenlos und zuverlässig. Jeder darf zusteigen.
Nach zwei Stunden Rundgang bleibt vor allem das hängen: Die IFA 2025 wirkt wie ein Spiegel der Weltwirtschaft. Dominiert von Asien, insbesondere China und noch genauer: von Shenzhen. Die Drohnen, Roboter, Haushaltsgeräte und Spielzeug kommen aus Fernost, der Westen hat das Nachsehen: „Byebye!“, wie man so schön in China und jetzt gerade auch auf der IFA sagt. Ansonsten viel Show und wenig Überraschung. Die Ausnahme: Eufys Marswalker. Die Tatsache, dass ein Staubsaugeroboter der Star der IFA 2025 ist, sagt alles.
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