Stand: 05.09.2025 23:53 Uhr
Im Film „A Silent Friend“ der Ungarin Ildikó Enyedi spielt der Hamburger Thalia-Schauspieler Johannes Hegemann einen Studenten, der 1908 die erste Frau an der Universität Marburg unterstützt. Am Freitag feierte der Film Weltpremiere in Venedig. Ein Gespräch.
Bereits 20 Filme haben beim 82. Filmfest Venedig Weltpremiere im Wettbewerb gefeiert. Am Freitag folgte die Produktion der Ungarin und Berlinale-Siegerin Ildikó Enyedi („Körper und Seele“). Sie entstand zum Großteil in Marburg und in Budapest – mit Unterstützung der Moin Filmförderung. Der Film mit drei Episoden hat einen internationalen Cast, darunter Tony Leung Chiu-wai („In the mood for love“) und Bond-Schauspielerin Léa Seydoux.
In der ersten Episode spielt der in Jena geborene Wahl-Hamburger Johannes Hegemann mit – an der Seite von Luna Wedler. Im Venedig-Gespräch mit NDR Kultur vor der Weltpremiere erzählte der Theaterschauspieler von seiner zweiten Kinorolle nach Andreas Dresens „In Liebe Deine Hilde“ und von der Arbeit mit Regisseurin Enyedi. Außerdem verriet er, was für eine wichtige Funktion der Smoking des eigenen Vaters aus den Achtzigerjahren für die Weltpremiere hat.
Der Film von Ildikó Enyedi läuft als letzter von 21 Filmen im Wettbewerb des Festivals. Was spielen Sie darin für eine Rolle?
Der 28-jährige Johannes Hegemann hat es mit seiner zweiten Kinorolle direkt bis zum Filmfest Venedig geschafft.
Johannes Hegemann: Das ist ein Episodenfilm. Er spielt in drei verschiedenen Zeiten, immer am gleichen Ort. Im Jahr 1908, spiele ich als Student mit. Es spielt alles an der Uni Marburg. Es geht in dieser Epoche darum, was extrem ungewöhnlich war, dass eine Frau an die Uni zugelassen wird, um dort zu studieren. Diese Rolle spielt Luna Wedler.
Die akademischen Männer an der Uni sind dem erstmal nicht besonders positiv gegenüber eingestellt. Meine Figur ist da lockerer, zugänglicher und freut sich. Die beiden freunden sich auch an, vielleicht ist es sogar ein bisschen mehr, als Freundschaft. Das bleibt aber vage. Er ist sehr zugewandt und hat keine Vorurteile, von wegen: Frauen könnten nicht studieren oder was man 1908 teilweise geglaubt hat.
Video:
Vom Theater ins Kino: Porträt des Hamburger Schauspielers Johannes Hegemann (5 Min)
In „Silent Friend“ geht viel um Botanik. Wie viel Recherche haben Sie für Ihre Rolle als Student mit dem Werk des schwedischen Botanikers Carls von Linné gehabt?
Hegemann: Ich habe mich ein bisschen mit Carl von Linné, vor allem mit seinen Pflanzen-Darstellungen, beschäftigt. In der ersten Version des Drehbuchs von Ildikó Enyedi war alles noch auf Englisch. Bei den vielen botanischen Fachbegriffen musste ich alle drei Sätze etwas nachschlagen. Aber dann habe ich mich da reingefuchst.
Der Titel des Filmes lautet „A Silent Friend“. Wer ist Ihrer Meinung nach in Ihrem Kapitel von 1908 der „Silent Freund“, der stille Freund oder Freundin?
Hegemann: Also der oder die Protagonistin des Filmes ist ein Baum. An unserer Uni beobachten wir für die biologische Forschung Pflanzen – aber was ist, wenn die uns beobachten? Es sind auch Lebewesen, die in irgendeiner Form mitkriegen, wenn um sie herum etwas passiert. Dieser Baum – darum gibt es diese drei Zeiten -, ist viel beständiger als so ein Menschenleben. Der Baum beobachtet stumm diese verschiedenen Zeiten, die an ihm vorbeiziehen. Durch den Baum kriegt das aktuelle Geschehen eine andere Verhältnismäßigkeit. Das ist für mich der Silent Friend, aber ich muss dazu sagen, ich habe den Film noch nicht gesehen und warte auf die Weltpremiere.
Wo ist Ihre in Schwarz-Weiß gedrehte historische Episode entstanden? Was für ein Kostüm haben Sie als Student von 1908 getragen?
Hegemann: Teilweise in Marburg und auch in Budapest. Gerade die Außenszenen in dem botanischen Garten sind komplett in Budapest gefilmt worden. Der Anzug für meine Rolle war der Zeit entsprechend aus sehr dickem Stoff geschnitten. Wir haben im Mai in Budapest gedreht, das war ganz schön warm mit diesen dicken Jacken.
Das Drama „Silent Friend“ von Ildikó Eneydi feierte am Freitag Weltpremiere. Es konkurriert mit 20 Filmen um den Goldenen Löwen.
Was tragen Sie im Vergleich dazu zur Weltpremiere am Lido?
Hegemann: Da trage ich einen alten Anzug, einen Smoking meines Vaters. Ich hatte mir erst etwas anderes vorgenommen. Man wird immer von so krassen Mode-Labels ausgestattet, denen es wichtig ist, dass man mit deren Zeug über den Teppich läuft. Da war ich in Verhandlungen, es sah ziemlich gut aus.
So sahen Johannes Hegemann (von links), Luna Wedler und Enzo Brumm bei der Weltpremiere aus.
Dann ist aber etwas schiefgegangen und ich stand kurzfristig ohne Anzug da. Aber mein Vater hat einen alten Smoking aus den Achtzigern, der auch ziemlich gut ist, der passt ihm schon lange nicht mehr. Der hat heute schon wieder so einen Style. Der passt mir wie angegossen – das ist krass: Ich habe die gleiche Statur, wie mein Vater vor 40 Jahren.
Wie war die Zusammenarbeit mit Ildikó Enyedi, die oscarnominiert war mit ihrem Berlinale-Sieger „Körper und Seele“ und sinnliches Kino macht?
Hegemann: Die war ziemlich toll. Ich habe das sehr genossen. Sie ist sehr präzise in der Arbeit, sie hat eine tolle Schauspielführung und ist auch streng. Das ist gut.
Was bedeutet es, mit den Weltkinogrößen Tony Leung, bekannt aus „In the Mood for Love“ oder Léa Seydoux, der Bond-Schauspielerin, in derselben Produktion zu arbeiten?
Hegemann: Es ist toll, in einem Film zu sein. Ich habe Seydoux auch getroffen, einen Drehtag hatten wir zusammen. Es war aufregend und cool, weil ich viele Filme mit ihr gesehen habe, natürlich auch mit Tony Leung.
Und wie war die Zusammenarbeit mit Luna Wedler, mit der Sie Ihre Szenen haben?
Luna Wedler (links im Bild) spielt die erste Frau, die 1908 an der Uni Marburg zum Studium zugelassen wird.
Hegemann: Luna und ich verstehen uns privat total gut und haben schnell eine gute Wellenlänge gefunden. Wir haben viel in den Drehpausen gelacht. Luna ist eine Hammer-Kollegin, super vorbereitet, präzise, eine mega-Schauspielerin.
Wie ist denn das Gefühl, hier an den Lido zu kommen und mit Blick auf den Strand Weltpremiere zu feiern?
Hegemann: Ich war vor anderthalb Jahren mit „In Liebe, Eure Hilde“ von Andreas Dresen bei der Berlinale. Das war auch schon groß und trubelig. Hier ist nochmal ein anderer Vibe. Dadurch, dass es eben Sommer ist und Italien. Es macht auf jeden Fall Spaß. Das ist unglaublich, wer hier so herumläuft, Jude Law war hier und Adam Sandler. Venedig ist eine verrückt schöne Stadt.
In welche Richtung geht es nach Ihrer zweiten Kinorolle weiter: mit Film, Fernsehen, Theater?
Hegemann: Ich bin am Thalia Theater Hamburg jetzt nicht mehr fest angestellt. Ich mache noch eine Sache als Gast weiter, aber ich gehöre nicht mehr zum festen Ensemble. Das ist auch okay, gerade an diesem Zeitpunkt, um mich aufs Drehen zu konzentrieren. Da habe ich auch Lust drauf. Im Herbst kommt, das passt perfekt zu Hamburg, ein Film über die Hamburger Entertainerin Olivia Jones raus, eine Biografie. Ich spiele sowohl Olivia Jones sowie Oliver Knöbel, den Mann hinter der Figur Jones‘. Da freue ich mich sehr drauf.
Das Gespräch führte Patricia Batlle.
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