„Es kann jeden Tag vorbei sein“
Michelle hat in den vergangenen anderthalb Jahren nicht nur mehr Follower, sondern auch ein Kind bekommen. Auf Instagram ist ihr Alltag als junge Mutter Thema. Ihre Tochter selbst zeigt sie dort aber bewusst nicht. „Die Leute wissen, dass wir ein Kind haben. Aber ihren Namen sagen wir nicht, und ihr Gesicht bleibt privat. Wenn sie irgendwann alt genug ist, darf sie selbst entscheiden, ob sie ins Netz möchte“, sagt Michelle.
Ein einfacher Job ist es nicht.
Michelle Cooper
Influencerin aus Dresden
Dieser Teil ihres Berufs sei sehr gut planbar, meint sie. Andere Aspekte nicht. „Ein einfacher Job ist das nicht“, sagt Michelle. Körperlich sei das Influencer-Dasein natürlich weniger belastend als ihre frühere Ausbildung im Einzelhandel, dafür „geht er auf die Psyche“. Denn im Influencer-Geschäft könne es jederzeit vorbei sein: „Wenn du mal eine Zeit lang nichts postest, bist du schnell weg.“
Zwischen 25.000 und 100.000 Euro im Jahr
Die finanziellen Schwankungen zeigen, wie unsicher die Branche ist. Bezahlt werden Influencer wie Michelle für Werbung. In verschiedenen Videos bewirbt sie beispielsweise einen Wellnessanbieter in Dresden oder Umstandsmode während der Schwangerschaft. Die Aufträge bekommt sie über ihre Agentur und entscheidet dann, wofür sie Werbung macht, erklärt Michelle. Verlässlich ist das nicht immer: „Ich hatte ein Jahreseinkommen von 25.000 Euro, aber auch schon von über 100.000 Euro. Das ist total unterschiedlich, jeder Monat ist anders.“ Planungssicherheit gebe es nur bedingt, auch wenn ihr Partner ein festes Einkommen hat. Michelle versucht zu sparen, aber mit Kind fällt das nicht immer leicht.
Ich habe den bürokratischen Aufwand am Anfang unterschätzt.
Michelle Cooper
Influencerin aus Dresden
Hinzu komme der bürokratische Aufwand: Krankenversicherung, Steuer, Buchhaltung. „Ich mache das meiste über Elster, mit verschiedenen Programmen und mein Mann hilft mir. Trotzdem kostet es viele Nerven.“ Besonders am Anfang habe sie die Komplexität unterschätzt, hohe Steuernachzahlungen leisten müssen. „Vor drei, vier Jahren habe ich ordentlich draufgezahlt. Damit rechnet man am Anfang nicht“, erzählt sie. Das gehe vielen in der Branche so, vor allem jungen Menschen.
Auch das sächsische Finanzamt hat ein Auge auf Influencer im Freistaat geworfen. Auf Nachfrage von MDR SACHSEN teilte die Behörde mit, dass für den Zeitraum 2015 bis 2023 mehr als 1.700 Accounts bei 37 Agenturen und Portalen gemeldet wurden. Man habe die Influencer auch über mögliche Strafverfahren bei Verstößen gegen das Steuerrecht aufmerksam gemacht. Wie viele in Sachsen ihren steuerlichen Pflichten nicht nachgekommen sind, konnte das Finanzamt nicht sagen.
Dauerpräsenz als Normalität
Der Beruf bedeutet auch Dauer-Online-Sein. Vor ihrer Schwangerschaft verbrachte Michelle bis zu 15 Stunden täglich am Handy. „Gefühlt war es 24/7. Jetzt mit Kind sind es noch etwa 30 Stunden pro Woche.“ Stress empfindet sie dabei allerdings kaum: „Es ist ja etwas, das mir Spaß macht.“ Trotzdem gehören so auch die Schattenseiten wie Kritik und Hate-Kommentare zum Alltag: „99 Prozent sind lieb, ein Prozent nicht. Da heißt es: drüberstehen, blockieren, nicht hinsehen.“
Ohne Plan B geht es nicht
Was, wenn die Aufträge ausbleiben? Einen Plan B hat Michelle im Kopf: Zurück in den Einzelhandel oder in den Bereich Social Media Marketing. Jungen Menschen, die vom Influencer-Dasein träumen, rät sie aber zur Vorsicht: „Mach es, wenn du es liebst, aber hab ein zweites Standbein. Eine Ausbildung oder Arbeit nebenbei ist wichtig.“ Für Michelle ist klar: Der Job bringt Chancen, verlangt aber auch Disziplin, Ausdauer und die Fähigkeit, mit Druck umzugehen.