Irgendwie meint die Leipziger CDU-Fraktion, mit einem Kampf gegen Radstreifen auf dem Promenadenring bei ihren Wählern punkten zu können. Und auch wenn ihre Anträge dazu im Stadtrat die Kompetenzen dieses Stadtrates bei weitem überschreiten und vor allem keine vernünftige Alternativlösung bieten, schickt die Fraktion immer neue Anträge dieser Art ins Verfahren. Den jüngsten dieser Art lehnt das Mobilitäts- und Tiefbauamt jetzt in einer ausführlichen Stellungnahme ab.

„Bei Schließung des Fahrradweges auf dem Ring zwischen Gewandhaus und Neuem Rathaus fällt eine weitere Spur weg, die auch außerhalb sog. Rushhour überdurchschnittlich belegt sind“, hatte die CDU-Fraktion ihren Antrag begründet.

„Wie an anderer Stelle des Rings kann der parallele Weg am Rande des Ringgrünes den Radverkehr aufnehmen, wie es aktuell zwischen Gewandhaus und Universitätsstraße angeordnet ist. Dazu muss sicher der Fußverkehr attraktiv angepasst werden, damit keine weiteren Konflikte konstruiert werden.“

Mit der Realität haben diese Vorstellungen wenig zu tun. Aber das Mobilitäts- und Tiefbauamt (MTA) erklärt auch ausführlich, dass solche Regelungen partout nicht in die Hoheit des Stadtrates gehören.

Es geht um die Sicherheit aller Verkehrsteilnehmer

„Die Planung und der Bau von Radverkehrsanlagen sind grundsätzlich das fachliche Ergebnis von Abwägungen unter Beachtung der örtlichen Gegebenheiten, der verkehrsrechtlichen Erfordernisse und der verbindlich anzuwendenden technischen Regelwerke. Dabei ist dem grundgesetzlich geschützte Recht auf körperliche Unversehrtheit, das sich in den Aspekten der Verkehrssicherheit aller Verkehrsteilnehmer ausdrückt, besondere Beachtung zu schenken“, erläutert das MTA.

Es geht nun einmal nicht nur um den motorisierten Verkehr. „Damit die lokale Straßenverkehrsbehörde ihrer gesetzlichen Pflichtaufgabe, der Gewährleistung von Sicherheit und Ordnung im öffentlichen Straßenverkehr, gerecht werden kann, bedarf es der Handlungsfähigkeit der Verwaltung, zu der bei Erforderlichkeit auch die Einbeziehung der Straßenbauverwaltung gehört. Durch lokale politische Entscheidungen herbeigeführte Einschränkungen bei der Wahrnehmung dieser Pflichtaufgaben wären rechtswidrig.“

Und dazu kommt eben der Gerichtsbeschluss von 2018.

„Mit dem Urteil vom 06.09.2018 des sächsischen Oberverwaltungsgerichts wurde das Radfahrverbot auf der Fahrbahn und die Radwegbenutzungspflicht in Teilbereichen auch im Abschnitt zwischen Augustusplatz und Neuem Rathaus durch einen direkten Begründungszusammenhang mit der dort bestehenden geringen Kfz-Belegung für unzulässig erklärt, sodass diese aufgehoben werden müssen“, betont das MTA.

Und ergänzt: „Aber auch ohne dieses Urteil hat die Straßenverkehrsbehörde die Pflicht, im Rahmen ihres pflichtgemäßen Ermessens im Bereich des im Antrag genannten räumlichen Umgriffs die Verkehrssicherheit für alle Verkehrsteilnehmer zu gewährleisten. Daher muss auch die Option offenbleiben, die Planung von Radverkehrsanlagen auf der Fahrbahn vornehmen zu können.

§ 45 Abs. 7 der aktuellen StVO nennt als Ermächtigungsgrundlage zum Handeln der Straßenverkehrsbehörde nun ausdrücklich auch die ‚Bereitstellung angemessener Flächen für den fließenden und ruhenden Fahrradverkehr sowie für den Fußverkehr‘, ‚sofern die Leichtigkeit des Verkehrs berücksichtigt ist und die Sicherheit des Verkehrs nicht beeinträchtigt wird‘.“

Es gibt in diesem Ringabschnitt keine Überlastung

Reicht es da also, wenn die CDU-Fraktion hier ein besonderes Gedränge in der Rushhour heraufbeschwört?

Nein, stellt das MTA fest: „Dabei ist, wie in der StVO ausgeführt, sowohl die Leichtigkeit des Rad- und Fußverkehrs als auch die des Kfz-Verkehrs zu berücksichtigen. Bei Tempo 50 und Einhaltung des gebotenen Sicherheitsabstands hat eine Fahrspur unter idealen Bedingungen eine maximale Leistungsfähigkeit von 2.000 Kraftfahrzeugen pro Stunde. Im Stadtverkehr bestimmen Lichtsignalanlagen mit nur phasenweiser Freigabe der Strecke die Leistungsfähigkeit von Straßenabschnitten. In der Regel wird daher von einer Leistungsfähigkeit von ca. 12-15.000 Kraftfahrzeugen pro Tag und Fahrspur ausgegangen.“

Und wie sieht es nun mit dieser konkreten Fahrspur aus?

„Die aktuelle Belegung auf der nördlichen Fahrbahn am Wilhelm-Leuschner-Platz (nur Richtung Westen) beträgt ca. 12.500 Kraftfahrzeuge am Tag und liegt damit innerhalb der Spannweite der Leistungsfähigkeit einer Fahrspur. Die zwei aktuell vorhandenen Fahrspuren sind daher nicht Kennzeichen einer Überlastung, sondern bei Verteilung der 12.500 Kfz/Tag auf die beiden bestehenden Fahrspuren mit je 6.250 Kfz am Tag pro Fahrspur eine deutliche Unterauslastung.

Die innergemeindliche Hauptverkehrsstraße (HS III) ist zudem nicht als Bundesstraße klassifiziert und damit auch nicht für den Fernverkehr vorgesehen. Die Kfz-Verkehrsmengen am Wilhelm-Leuschner-Platz betrugen vor 20 Jahren im Gesamtquerschnitt noch 40.000 Kfz/Tag und sind seit Schließung des Autobahnrings dauerhaft rückläufig.“

Da hat die CDU-Fraktion also schlichtweg eine Überlastung herbeifantasiert, die mit der tatsächlichen Belegung dieses Ringabschnitts gar nichts zu tun hat.

Der lange Weg zu neuen grünen Radstreifen

Tatsächlich lässt sich das MTA sogar sehr viel Zeit, bevor es neue Radfahrstreifen anlegen lässt. Vorher wird oft jahrelang erst einmal geprüft.

Oder mit den Worten des MTA: „Bevor Radverkehrsanlagen eingeordnet werden können, wird untersucht, welche Fahrspuraufteilungen und Verkehrsführungen für den Verkehrsablauf optimal sind. Hierbei wird auch die Leistungsfähigkeit der Ampelanlagen berücksichtigt.

Die aktuelle Führung des Radverkehrs im Seitenraum zwischen Gewandhaus und Schillerstraße entspricht nicht den aktuellen technischen Regelwerken über die Anlage von Fuß- und Radverkehrsanlagen und den Beschlusslagen der Ratsversammlung. Demnach müsste durchgängig eine getrennte Führung des Fuß- und Radverkehrs erfolgen, die 2,5 m Breite für den Gehweg und an dieser Stelle (mit Blick auf die Qualitätsstandards des RVEP 2030+) auch 2,5 m Breite für einen Einrichtungsradweg vorsieht.“

Aber bevor der nächste Abschnitt auf der Fahrbahn verkehrsgrün eingefärbt wird, wird es noch dauern. Das ist dann die eher vertröstende Auskunft für die Radfahrer, die hier weiterhin einen Schlängelparcours fahren müssen, wenn sie von Ost nach West wollen.

„Unabhängig dieser Ausführungen liegen aktuell noch keine konkreten Planungen zur weiteren Radverkehrsführung entlang der Innenseite des Promenadenrings zwischen Universitätsstraße und Schillerstraße vor. Ziel ist es jedoch, durchgängige Radverkehrsanlagen auf der Fahrbahn unter Beibehaltung der Leistungsfähigkeit der gesamten Verkehrsanlage anzuordnen“, so das MTA.

Man kann den Radverkehr nicht von der Hauptstraße verbannen

Und auch zum weiteren Begehr der CDU-Fraktion, den Fahrradverkehr vom Ring wieder auf innerstädtische Fahrradstraßen zu verlegen, wird das MTA deutlich.

„Auch das zweite Begehr des Antrags wird abgelehnt. Bereits mehrfach und zuletzt durch VII-A-00567-VSP-01 wurde festgestellt, dass abgesetzt von der Hauptverkehrsstraße verlaufende Radverkehrsrouten (z.B. die Fahrradstraßen am Dittrichring) nicht von der Prüfung der Notwendigkeit der Einrichtung von Radverkehrsanlagen auf Hauptverkehrsstraßen entbinden.

Hier gilt nach den gesetzlichen Vorgaben bereits der Verlauf eines Radweges in einer Entfernung von mehr als 5 m von der Fahrbahn entfernt als eigenständige Verkehrsführung, die daher nicht mehr der Hauptverkehrsstraße zugerechnet werden kann.

Eine Untersuchung der Ziele und Bedarfe für den Radverkehr hat zudem bereits stattgefunden und ist zuletzt durch Beschluss zum Radverkehrsentwicklungsplan 2030+ und dem darin enthaltenden Beschlusspunkt zur 1. Fortschreibung des Hauptnetz Rad am 23.05.2024 durch den Stadtrat zum Ausdruck gebracht worden. Demnach ist im Hauptnetz Rad bereits seit 2020 der gesamte Promenadenring als sogenannte IR II-Route im Sinne der Richtlinie für die integrierte Netzgestaltung von 2008 ausgewiesen. Damit hat der Promenadenring die Netzfunktion einer Radvorrangroute.“

Was dann wohl eher die Radfahrer verblüfft, denn vor diesem Hintergrund dauert die Ausweisung von Radfahrstreifen auf dem Promenadenring dann doch erschreckend lange.