Sobald dieses Los aus dem Topf gefischt ist, steht allen potenziellen Gegnern der Angstschweiß auf der Stirn. Jetzt nur nicht als Nächstes gezogen werden! Den Ruf als Pokalschreck, der die Großen gnadenlos eliminiert, hat sich der FV Illertissen erarbeitet – indem er eben ständig die Großen ärgert. In den vergangenen vier Jahren konnten die Schwaben sieben Drittligisten aus dem bayerischen Landespokal werfen, in den jüngsten fünf Spielzeiten erreichte der FVI viermal das Endspiel und holte dabei drei Titel. Und zuletzt gelang sogar im DFB-Pokal eine Sensation, als Illertissen in der ersten Hauptrunde der neuen Auflage Zweitligist 1. FC Nürnberg nach Elfmeterschießen besiegte.
Diesmal sollte es nichts werden mit der Überraschung: Im Achtelfinale des Toto-Cups gaben sich die Löwen, die noch 2022 unter dem damaligen Trainer Michael Köllner am Außenseiter Illertissen gescheitert waren, keine Blöße und setzten sich ziemlich ungefährdet mit 3:1 (1:0) durch. „Im Pokal ist nur wichtig, dass man weiterkommt. Es war die erwartet schwere Aufgabe“, erklärte Löwen-Trainer Patrick Glöckner nach der Partie. Er hatte bis auf einzelne Ausnahmen auf Rotation verzichtet, auch wenn Angreifer Florian Niederlechner wegen einer leichten Blessur aus dem Drittligaspiel gegen den VfB Stuttgart II (1:1) vorerst auf der Bank blieb und von Patrick Hobsch ersetzt wurde.
Sechzig wollte diese Aufgabe so seriös wie möglich angehen, auch um den guten Eindruck aus den ersten Saisonspielen nicht gleich wieder zu verwässern und keine neue Unruhe aufkeimen zu lassen. „Wir haben die ganze Vorbereitung angelegt wie bei einem Ligaspiel und dementsprechend auch bei der Aufstellung aus dem Vollen geschöpft“, sagte Glöckner im BR-Fernsehen. Dass der Toto-Pokal für die Löwen einen hohen Stellenwert hat, unterstreicht Sport-Geschäftsführer Christian Werner immer wieder: Eines der Saisonziele sei der Gewinn des bayerischen Cups, um in den DFB-Pokal einzuziehen.
Und so ließen die weiß gewandeten Blauen vom Start weg keinen Zweifel an ihrer Entschlossenheit. Jesper Verlaat eröffnete die Partie mit einem Volleyschuss, der knapp übers Tor flog (4.), fünf Minuten später prüfte Maximilian Wolfram Illertissens Torwart Michel Witte, der den Schuss spektakulär aus der Ecke tauchte. In der 18. Minute zahlten sich die Münchner Bemühungen dann schon aus: Einen Eckball von Thore Jacobsen köpfelte Siemen Voet an den linken Pfosten, Verteidiger Max Reinthaler, der in der Liga in dieser Saison bislang noch nicht zum Einsatz gekommen ist, erledigte den Rest – 0:1.
Damit war den Gastgebern schon etwas der Zahn gezogen. 1860 machte bis zur Pause nicht mehr als notwendig, Geschäftsführer Werner bezeichnete den Auftritt nach dem Führungstor gar als teilweise „lethargisch“. Trainer Glöckner fand, sein Team habe es in Hälfte eins „extrem souverän runtergespielt, wir waren sehr dominant“. Im zweiten Durchgang musste Löwen-Torwart Thomas Dähne gegen den Schuss von Yannick Glessing sein ganzes Können aufbieten (62.), ehe drei Minuten später Kevin Volland den Kollegen David Philipp mit einem perfekten Pass in Szene setzte und dieser vor dem FVI-Tor cool blieb und zum 0:2 abschloss.
Nur kurzzeitig bricht der Pokalschreck aus den Illertissern heraus, dann macht Jacobsen für Sechzig alles klar
Spätestens zu diesem Zeitpunkt sah es nach einem ganz kommoden Spätsommernachmittag für Sechzig aus. Doch dann brach der Pokalschreck doch noch heraus aus den Illertissern: Marco Gölz spielte einen ähnlich fantastischen Pass wie zuvor Volland, Daniel Hausmann lief ein und brachte den Underdog wieder heran (76.). Dass die Münchner in dieser Saison eine größere Abgeklärtheit an den Tag legen als früher, stellten sie anschließend unter Beweis. Sie gerieten nicht ins Schlingern, spielten weiter nach vorne – und erhielten nach Foul von Robin Muth an Voet einen Elfmeter zugesprochen, den Jacobsen zum entscheidenden 1:3 verwandelte (88.).
Coach Glöckner lobte hinterher „Mentalität und Einstellung“ seiner Elf, auch wenn es immer Höhen und Tiefen im Spiel gebe: „Wichtig ist, dass man sie gut wegsteckt.“ Unterm Strich sei er mit der Leistung und dem Einzug ins Viertelfinale zufrieden.
Von Zufriedenheit konnte bei Illertissen keine Rede sein, alleine die Tatsache, dass die erhoffte Zuschauerzahl von 4000 verfehlt wurde – es kamen nur knapp 3500 –, passte ins Bild. Sportvorstand Karl-Heinz Bachthaler, Vater von Trainer Holger, richtete derweil den Blick bereits aufs DFB-Pokal-Zweitrundenspiel am 29. Oktober gegen den Zweitligisten Magdeburg. Noch sei nicht klar, ob man das Flutlicht so stark aufrüsten könne, um den DFB-Auflagen zu entsprechen und das Spiel im heimischen Stadion stattfinden zu lassen. So oder so wolle man wieder das wahre Pokalgesicht zeigen, denn Bachthaler senior kennt die Stärke der Mannschaft ganz genau: „Wir konzentrieren uns auf die wichtigen Spiele, wissen, wenn es darauf ankommt. Und in solchen Spielen kann man ja auch ein paar Euro verdienen.“