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Vor sechs Jahren wurden die Bewohner des Hauses herausgejagt. Seitdem steht es leer und geht in Efeu und Unkraut unter: das „Dschungel-Haus“.
München – Ein ruhiger Nachmittag im Stadtteil Schwabing-West an der Kreuzung Agnesstraße und Zentnerstraße. Der Blick fällt auf einen großen, grünen Busch, der entlang der Fassade wächst. Bei genauerem Hinsehen zeichnen sich durch dieses Gebüsch einige Fenster verlassener Wohnungen ab. Im obersten Stockwerk versteckt sich ein Balkon, auf dem Blumenkübel mit Pflanzen stehen, die in der Grünmasse überflüssig wirken.
Das „Dschungel-Haus“ zwischen Efeu und Unkraut an der Kreuzung der Agnesstraße und Zentnerstraße in München. © Coline Favennec
Für Paul Bachmann, Informatik-Student an der TU München, ist es ein täglicher Anblick. Er wohnt im Viertel und die Fenster der Universitätsbibliothek, die er öfters besucht, sind direkt auf das Haus gerichtet. „Eigentlich ein schöner Blick, aber absurd, dass es existiert“ gibt Bachmann zu. Er ist Anfang des Jahres den Linken in der AG „Wohnen und Mieten“ beigetreten, und damit direkt am Puls des Themas.
Noch kann man die Fenster sehen, bevor die Pflanzen das „Dschungel-Haus“ komplett übernehmen. © Coline FavennecDas Dschungel-Haus als gescheitertes Immobilienprojekt
Bachmann kennt das Haus nicht nur aus der Ferne. Ein ehemaliger Mitschüler wohnte hier, bevor die Mieter das Haus verlassen mussten. „Die Leute wurden einfach herausgekegelt“ erklärt er. Erst seien die Mieten erhöht worden, und dann Dinge nicht saniert worden, „um Leute herauszuekeln“.
Das Haus sollte abgerissen werden, bevor es unter Denkmalschutz gestellt wurde. Laut dem Sozialreferat München sei der ungerechtfertigte Leerstand eines Hauses verboten. Die Stadt setze sich für das Verbot der Zweckentfremdung, also der Benutzung von Wohnraum für andere als die eigentlichen Wohnzwecke, ein. Doch der Investor bekam im Oktober 2020 eine Ausnahmegenehmigung. Im Gegenzug musste er „Ersatzwohnraum“ in Pasing schaffen. Somit sei „die Wohnraumbilanz insgesamt wieder ausgeglichen“ und es lege „keine Zweckentfremdung im Sinne der Satzung der Landeshauptstadt München“ vor. Das ist für Bachmann ein „dummes Konzept“, da das Haus letztendlich leer bleibe. Bei dem Investor handelt es sich um keinen anderen, als die Firma, die für das berüchtigte Sendlinger Loch bekannt ist.
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Zwischen dem Sendlinger Loch und dem „Dschungel-Haus“ zeichnet sich ein Schema an verlassenen Biotop-Baustellen ab, die der Investor M-Concept hinterlässt. Der Investor hätte nach Bachmann versäumt, den Ausgleichswohnraum in Pasing zu bauen. Auch diese Baustelle, dessen Fertigstellung eigentlich innerhalb von drei Jahren vorgesehen war, komme laut dem Sozialreferat nicht voran. Somit sei „die Auflage des Abbruchbescheids nicht erfüllt“ und die „Genehmigung zur Zweckentfremdung durch Abbruch“ widerruft worden.
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Das Leerstehenlassen von Wohnraum mit dem bloßen Ziel, den monetären Wert des Grundstückes zu steigern, sei keinesfalls ein rechtfertigender Grund. „In einer Stadt wie München, die unter einem erheblichen Wohnraummangel leidet“ sei ein solcher Leerstand „frustrierend“ für Wohnungssuchende, erklärt das Sozialreferat. Im Fall des sogenannten „Dschungel-Hauses“, werde man „sobald die Entscheidung bestandskräftig ist, konsequent auf eine Beendigung der Zweckentfremdung durch Leerstand hinwirken.“ Es könne sich jedoch noch in die Länge ziehen. Bis dahin bleibt die Baustelle an der Agnesstraße 48 ein allzu oft beobachtbares Phänomen in München. Von außen, ein zugewachsenes Haus. Einziger aktueller Bewohner: eine traurige Realität.