Mannheim / Neustadt an der Weinstraße / Metropolregion Rhein-Neckar – Wohl niemand hat Mozarts Königin der Nacht so häufig gesungen wie sie. Insgesamt mehr als 250 Mal trat sie in ihrer Paraderolle auf – und das, obwohl ihre Lieblingsrolle eigentlich die der Liù in Puccinis Turandot war. Neben Mozart wurde sie vor allem mit Strauss, aber auch mit Donizettis Lucia di Lammermoor, später auch mit der Mimi aus La Bohème viel umjubelt. Dabei wollte Erika Köth als Kind zunächst Tänzerin werden. Doch die gebürtige Darmstädterin erkrankte an Kinderlähmung, was ihre Träume schnell zerstören sollte. Dass sie auch über eine wunderbare Stimme verfügte, wussten nicht nur ihre Eltern: Als sie im 2. Weltkrieg eine Handelslehre begann, und der Luftalarm die Belegschaft regelmäßig in die Schutzräume zwang, forderte ihr Vorgesetzter sie immer wieder auf zu singen, um den Kolleg:innen damit die Angst zu nehmen.

Nach dem Krieg arbeitete Erika Köth zunächst beim Arbeitsamt. Dort stellte sich ein Künstler vor, der Sänger:innen suchte – und so vermittelte sie sich kurzerhand selbst. Mit Erfolg: 1947 gewann sie einen Gesangswettbewerb des Radio Frankfurt und erhielt kurze Zeit später ihr erstes Engagement am Pfalztheater Kaiserslautern. 1950 wechselte sie ans Badische Staatstheater Karlsruhe und verbrachte dort insgesamt drei Jahre, die für sie laut eigener Aussage die prägendsten ihrer gesamten Karriere werden sollten. Else Blank als Gesangslehrerin und Otto Matzerath als GMD gaben ihr das Rüstzeug für ihren weiteren Berufsweg. Bereits 1953 wechselte Erika Köth dann an die Bayerische Staatsoper in München und blieb dort Mitglied bis zu ihrem Abschied von der Bühne im Jahr 1978. Im Jahr 1960 wurde sie zusätzlich Mitglied der Deutschen Oper Berlin. Daneben hatte sie zahlreiche Gastauftritte, etwa an der Wiener Staatsoper oder der Mailänder Scala und war auch einig Jahre bei den Salzburger Festspielen engagiert. Ihr Debüt an der MET in New York blieb ihr 1959 aufgrund einer Bronchitis jedoch verwehrt. Dafür machte sich die Köth zunehmend auch als Liedsängerin einen Namen, vielbeachtet etwa ihre Reise durch die damalige Sowjetunion im Jahr 1961, bei der überwiegend die deutschen Kunstlieder auf dem Programm standen. Besonders setzte sie sich für die in Vergessenheit geratenen Lieder Hugo Wolfs ein.

In ihrer rund 30 Jahre dauernden Karriere sang Erika Köth mit fast allen Größen ihrer Zeit. Unvergessen die bis heute als Referenzaufnahme geltende Interpretation der Constanze in Mozarts Entführung aus dem Serail an der Seite Fritz Wunderlichs und unter der Leitung Eugen Jochums. Zahlreiche Aufführungen mit Sängern wie Rudolf Schock, Nicolai Gedda oder auch Guiseppe di Stefano, mit Sängerinnen wie Hertha Töpper, Lilian Benningsen, Anneliese Rothenberger, Elisabeth Schwarzkopf oder Brigitte Fassbender sowie mit Dirigenten wie Hans Knappertsbusch, Joseph Keilberth, Karl Böhm, Rudolf Kempe oder Lorin Maazel. Besonders hervorzuheben ist die Zusammenarbeit mit dem Dirigenten Ferenc Fricsay, von dem Erika Köth sagte, sie hätte ihm wohl ihre größten Erfolge zu verdanken, auch wenn der gemeinsame Weg durch den frühen Tod des Dirigenten nur von kurzer Dauer war.

Als Koloratursopranistin lag ihre Stärke vor allem in den makellos und mit großer Klarheit vorgetragenen Koloraturen. Die vier gefürchteten hohen f der Königin der Nacht erklomm die Köth mit einer beeindruckenden Leichtigkeit, wie ihre Stimme insgesamt eher „leicht“ war. Dadurch war sie aber auch prädestiniert für die Sopranrollen Mozarts, das Operettenfach, weniger aber für die hochdramatischen Rollen. Sie selbst meinte einmal über sich in der Rolle der Gilda, dass ihr insbesondere der erste Akt in keinster Weise entsprach. „Das bist nicht Du“, so kritisch und offen war sie nicht nur sich selbst gegenüber. Sie nahm auch sonst kein Blatt vor den Mund, legte sich gegebenenfalls mit Dirigenten oder Regisseuren an, wenn für sie die Schönheit des Stücks in Gefahr schien. Einer ihrer Leitsprüche war deshalb auch: „Schön geht vor laut“.

Erika Köth wirkte zeitlebens volksnah, humorvoll und ohne jede Form der Prätention. So trat sie beispielsweise von 1969 bis 1984 mehrfach mit deutschem Volksliedgut in der Fernsehunterhaltungssendung „Der Blaue Bock“ auf, etwas, was bei vielen anderen namhaften Opernsänger:innen bis heute als verpönt gilt.

Noch während ihrer Karriere widmete sich Erika Köth vermehrt dem Unterrichten des sängerischen Nachwuchses. 1973 erhielt sie eine Gesangs-Professur an der Hochschule für Musik Köln, 1980 einen erweiterten Lehrauftrag an der damaligen Staatlichen Hochschule für Musik Heidelberg-Mannheim, den sie bis kurz vor ihrem Tod im Februar 1989 ausübte. Darüber hinaus gab sie Meisterkurse in ihrer Wahlheimat Neustadt an der Weinstraße und engagierte sich in der von August Everding gegründeten „Singschul“ in München, aus der in den 1990er Jahren die heutige Theaterakademie hervorging.

Am 15. September wäre Erika Köth 100 Jahre alt geworden. In Erinnerung an die großartige Sängerin und Dozentin veranstaltet die Staatliche Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Mannheim den anlässlich des Jubiläums ins Leben gerufenen „Erika Köth-Wettbewerb“, welcher am 18. und 20. Oktober stattfindet und an dem Gesangsstudierende der Hochschule teilnehmen können. Das Finale und die Preisvergabe am 20. Oktober finden um 19:00 Uhr öffentlich im Rittersaal des Mannheimer Schlosses statt; interessierte Besucher:innen sind an diesem Abend herzlich willkommen.

Quelle: Musikhochschule in der UNESCO City of Music Mannheim