Russland setzt den Rückzug aus Vereinbarungen zum Menschenrechtsschutz fort. Am Montag ließ Präsident Wladimir Putin einen Gesetzentwurf ins Unterhaus einbringen, um aus der Europäischen Konvention zur Verhütung von Folter auszutreten. Russland hatte dieses Übereinkommen des Europarats 1996 ratifiziert, als es dessen Mitglied wurde. Die Konvention hat ein Komitee in Straßburg und einen Beobachtungsmechanismus geschaffen: Experten besuchen Freiheitsentzugseinrichtungen der Mitgliedsländer und verfassen Berichte mit Empfehlungen, um die Lage zu verbessern.
Laut Olga Sadowskaja von der Organisation Team gegen Folter kamen solche Delegationen 30-mal nach Russland, zuletzt 2021. Von 27 Berichten seien vier veröffentlicht, in der Folge Probleme wie die Überbelegung von Zellen gelöst worden. Dem Komitee sei es gar gelungen, einige Insassen aus der Psychiatrie zu befreien. Nun würden sich die Bedingungen verschlechtern, warnte Sadowskaja: Russen verlören „den letzten formalen internationalen Schutz“.
Folter wird offen zur Schau gestellt
Besonders Gefangene aus den von Russland besetzten Gebieten der Ukraine seien „massiver Folter und Schikane ausgesetzt“, hatte die deutsche Gesellschaft für bedrohte Völker Ende August mitgeteilt, als die Regierung ihre Austrittsempfehlung an Putin veröffentlichte. Formal wird der Schritt damit begründet, dass der Europarat die Wahl eines neuen russischen Vertreters im Komitee blockiere. Der Europarat schloss Russland im März 2022 nach dem Angriff auf die Ukraine aus. Seit September jenes Jahres ist Russland auch nicht länger Mitglied der Europäischen Menschenrechtskonvention, hat zudem ganz aufgehört, Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte umzusetzen.
Folter ist zwar verboten im Land, wird aber praktiziert. Zudem wird sie immer offener zur Schau gestellt. So wurden nach dem Terroranschlag auf die Crocus City Hall nahe Moskau im März 2024 die vier Hauptverdächtigen mit Spuren schwerer Folter vorgeführt. Moskau hatte schon Anfragen des Straßburger Komitees nach Informationen über Fälle wie den Tod des Oppositionellen Alexej Nawalnyj im Februar 2024 in russischer Haft ignoriert.