Dirigent Christoph von Dohnányi steht zum Publikum gewandt, hinter ihm das Orchester

AUDIO: Ein Kämpfer für die Kultur: Dirigent Christoph von Dohnányi gestorben (4 Min)

Stand: 08.09.2025 16:15 Uhr

Er machte sich einen großen Namen als Operndirigent, war 20 Jahre lang Chef des Cleveland Orchestra und prägte als Chefdirigent des damaligen NDR Sinfonieorchesters in den 2000ern die Konzerte in Norddeutschland. Am Sonnabend ist Christoph von Dohnányi mit 95 Jahren verstorben, wie seine Ehefrau der dpa sagte.

von Ludwig Hartmann

„Zufrieden ist kein Zustand, den man erstreben sollte. Man sollte in Frieden sein, in Frieden mit sich selbst und mit dem, was einen umgeben hat“, so Christoph von Dohnányi. Es war ein bewusstes Leben voller musikalischer Arbeit, das Christoph von Dohnanyi gut neuneinhalb Jahrzehnte gelebt hat. Sich nicht mit seinem Talent zufrieden zu geben, sondern konzentriert und verantwortungsvoll etwas daraus zu machen, es zu nutzen und weiterzuentwickeln, das war ein erfolgreich gelebter Grundsatz von ihm. „Christoph von Dohnányi hat dazu beigetragen, das Renommee des Orchesters weltweit zu vergrößern – auch durch die umjubelten New Yorker Konzerte 2007 in der Carnegie Hall und vor den Vereinten Nationen zum 50. Jahrestag der Römischen Verträge“, würdigte NDR Intendant Hendrik Lünenborg seinen Einfluss auf das Orchester des NDR. „Er war ein Visionär und Wegbereiter der Elbphilharmonie, dessen Einfluss wir weiterhin mit großer Dankbarkeit und Respekt anerkennen.“

Christoph von Dohnányi - im Anzug und mit Schal - blickt in die Kamera

Der Geiger Roland Greutter hat viele Jahre mit von Dohnányi zusammengearbeitet. Im Gespräch erinnert er sich an dessen phänomenales Gehör.

Damals jüngster Generalmusikdirektor Deutschlands

Hineingeboren in eine künstlerisch geprägte und politisch sehr bewusste Familie beginnt er mit fünf Jahren Klavier zu spielen. Er macht bereits mit 16 Jahren sein Abitur, beginnt ein Jurastudium, gibt dieses zugunsten der Musik auf und legt 1951 als bester Absolvent das Kapellmeister-Examen ab. Superlative bleiben ein Begleiter Christoph von Dohnányis. Etwa als er 1957, mit 27 Jahren, Generalmusikdirektor in Lübeck wird – der bis dato jüngste in Deutschland. Ausgerüstet mit intensiven Studieneindrücken bei seinem berühmten Großvater Ernö von Dohnányi in den USA und ersten Dirigiererfahrungen als Korrepetitor und Assistent von Georg Solti an der Frankfurter Oper.

Christoph von Dohnányi, Chefdirigent des NDR Sinfonieorchesters

Er begann ein Jurastudium, wechselte dann an die Münchner Musikhochschule. Lange Zeit wirkte er in den USA. Die Oper spielt eine wichtige Rolle in Dohnányis Leben.

Große Erfolge als Operndirigent

Der Oper bleibt Dohnányi, der lange mit der Sängerin Anja Silja verheiratet war, viele Jahre treu. Nach seiner Zeit als Generalmusikdirektor in Kassel geht er als Generalmusikdirektor und Operndirektor nach Frankfurt am Main und erwirbt sich einen glänzenden Ruf als Opernmanager und Verfechter eines zeitgemäßen Musiktheaters. Er wagt erfolgreich den Spagat zwischen Bewährtem und Avantgarde auf der Bühne.

Dohnányi holt junge, ambitionierte Regisseure, Sängerinnen und Sänger an seine Opernhäuser in Frankfurt, wie auch darauf folgend ab 1977 in Hamburg. Er formt seine Orchester, führt auch selbst Regie und ermöglicht großartige künstlerische Ergebnisse.

Christoph von Dohnányi mit Dirigiertstab und Geste.

Ein Künstler, der aneckte

Einfach gemacht hat Christoph von Dohnányi es sich und seiner Umgebung nie – aber das war auch nie sein Ziel. Klar in Anspruch und Zielen eckt er mit seiner sehr direkten, manchmal als durchaus ruppig empfundenen Art an. Nach großen künstlerischen Erfolgen, aber langwierigen Querelen mit seinem Hamburger Opernorchester und der Opernverwaltung, nimmt er schließlich im Jahr 1984 seinen Hut, um kurze Zeit später als Orchesterleiter noch einmal richtig durchzustarten.

20 Jahre Cleveland Orchestra

Es sollten 20 Jahre eines künstlerischen Höhenfluges werden: Als Nachfolger von Lorin Maazel führt Christoph von Dohnányi sein neues Orchester, das Cleveland Orchestra in den USA, an die absolute Weltspitze und wird einhellig gefeiert. „Best band in the land“ titelt das Time Magazine 1993 zum 75-jährigen Bestehen des Cleveland Orchestra. Dohnanyi ist begeistert von den Arbeitsbedingungen und den hervorragenden Musikern. Das Orchester ist berühmt für seine Perfektion, doch die allein war für Dohnányi kein Wert an sich: „Perfektion ist nur soweit gerechtfertigt, oder sagen wir, der Drang nach Perfektion ist nur so weit gerechtfertigt, wie er aus der Musik herausgefordert wird. Perfektion ist also nie Priorität, sondern immer nur Mittel“, erklärt der Dirigent.

Entgegen eigener Worte: Chef des damaligen NDR Sinfonieorchesters

Nie, so hatte er während seiner glücklichen Jahre in Cleveland gesagt, werde er wieder Chef in Deutschland sein wollen. Dazu seien die Bedingungen in den USA zu gut. Doch es kam anders. So entschied er sich – auch ob der zu erwartenden besonderen medialen Möglichkeiten beim NDR – im Jahr 2004, die Leitung des NDR Sinfonieorchesters, dem heutigen NDR Elbphilharmonie Orchester, zu übernehmen und in seine alte Heimat Hamburg zurückzukehren. Es folgten Jahre des altersreifen Maestros mit vielen konzertanten Höhepunkten in Norddeutschland und auf gefeierten Tourneen. Sein Publikum konnte etwas spüren von dem Geist Dohnányis, der einen deutlich weiteren als nur den musikalischen Horizont hatte.

Video:
NDR Sinfonieorchester mit Christoph von Dohnányi in New York (2007) (4 Min)

Viel politischer Einsatz für die Kultur

Der Sohn des von den Nationalsozialisten ermordeten Hans von Dohnányi und Neffe Dietrich Bonhoeffers hat sich auch politisch immer wieder zu Wort gemeldet. Er setzte sich entscheidend für den Bau der Elbphilharmonie ein, war vor allem aber grundsätzlich in Sorge um den Erhalt der seiner Einschätzung nach einmaligen kulturellen Tradition und Infrastruktur in Deutschland: „Wir müssen mehr tun für Kultur, absolut mehr tun“, mahnte er. „Das geht für mich so weit, dass eine Rechtfertigung, den Menschen permanent auf längeres Leben zu trainieren, sinnlos ist, wenn die Inhalte verloren gehen. Warum wollen Sie denn so lange leben, wenn Sie letzten Endes dann alles, wofür man lebt, nicht mehr genießen können? Das kann nicht nur das Fernsehen, nicht nur das Auto, und es können auch nicht nur irgendwelche Ferienreisen sein. Unsere Kultur muss noch wichtiger werden!“

Die Sendung „Musica“ auf NDR Kultur erinnert am 8. September ab 19 Uhr an Christoph von Dohnányi mit Aufnahmen, die seine kompromisslose Klarheit am Pult hörbar machen, und zeichnet die Stationen eines außergewöhnlichen Musikerlebens nach: von der legendären Ära beim Cleveland Orchestra über seine prägenden Jahre als Chefdirigent des damaligen NDR Sinfonieorchesters bis hin zu seinen entscheidenden Impulsen für den Bau der Hamburger Elbphilharmonie.

Christoph von Dohnányi, Chefdirigent des NDR Sinfonieorchesters von 2004 bis 2010.

Man muss sich Ziele setzen, die schwer erreichbar sind – Zum Tod des Dirigenten Christoph von Dohnányi.

Christoph von Dohnányi mit Dirigiertstab und Geste.

Das NDR Elbphilharmonie Orchester führt 2008 die sinfonische Dichtung von Richard Strauss über den Frauenverführer Don Juan auf.

Die Trompeter und Hornspieler des NDR Sinfonieorchesters sitzen in einer Reihe auf der Bühne.

Mit der hymnischen Brahms-Melodie begrüßt das Hamburg Journal täglich seine Zuschauer: 2007 führte Christoph von Dohnányi die Sinfonie Nr. 1 mit dem NDR Sinfonieorchester auf.

Screenshot: Das NDR Sinfonieorchester spielt unter der Leitung von Christoph von Dohnány György Ligetis Atmosphères beim SHMF im Jahr 2005.

Das NDR Sinfonieochester spielt das Abschlusskonzert des Schleswig-Holstein Musik Festival 2005 unter der Leitung von Christoph von Dohnányi.

Screenshot: Christoph von Dohnányi

Im Kurzinterview erklärt Christoph von Dohnányi, ehemaliger Chefdirigent des NDR Elbphilharmonie Orchesters, die besondere Beziehung zwischen Günter Wand und Anton Bruckner.

Christoph von Dohnányi dirigiert in der Hamburger Laeiszhalle.

2007 dirigierte Christoph von Dohnányi in der Hamburger Laeiszhalle die vier Sinfonien von Johannes Brahms.

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