Vertreter der EU-Kommission verhandeln in Washington über neue scharfe Maßnahmen – möglicherweise auch gegen China und andere Käufer russischer Energieträger.
Hat Wladimir Putin den Geduldsfaden von Donald Trump zerrissen? Der amerikanische Präsident ist nach dem offensichtlichen Scheitern seiner Ultimaten an seinen russischen Amtskollegen bereit, starke neue Sanktionen gegen Russland einzuführen, um Putin an einen Tisch für Friedensverhandlungen mit der Ukraine zu zwingen. Dieser Willenswandel im Weißen Haus stellt allerdings die Europäer vor eine Gewissensfrage, die sie lieber auf das Jahr 2027 hinausgeschoben hätten: Sind wir bereit, zur Unterstützung der Ukraine sofort und ausnahmslos auf Erdgas und Erdöl aus Russland zu verzichten?
China größter Käufer
Am Montag begab sich David O’Sullivan, der Sanktionskoordinator der Europäischen Kommission, für diesbezügliche Verhandlungen nach Washington. Zugleich begannen die Mitgliedstaaten am Sonntag die Verhandlungen über das 19. Sanktionenpaket seit dem russischen Überfall auf die Ukraine im Februar 2022. Es soll erstmals auch sogenannte sekundäre Sanktionen enthalten. Konkret ginge es darum, die Käufer von russischem Rohöl und Flüssiggas zu bestrafen.
Ein heikles Thema. Denn der größte Abnehmer der russischen Energieträger ist heute die Volksrepublik China. Die Union hat mit Peking eine Reihe anderer komplizierter politischer Probleme: die Schwemme billiger chinesischer Produkte etwa, die angesichts der hohen neuen US-Strafzölle nicht mehr auf dem amerikanischen Markt bestehen können und darum nach Europa umgeleitet zu werden drohen, oder der Streit um verbotene staatliche Beihilfen für chinesische Elektroautos. Die Volksrepublik macht bei jeder Gelegenheit deutlich, dass sie es sich verbittet, im Wege sekundärer Sanktionen gegen Russland zum Handkuss zu kommen.
Nadelöhr für Flüssiggastanker
Doch genau das bezweckt die amerikanische Regierung. Sie will Chinas Aufstieg zur dominanten Weltmacht um fast jeden Preis stoppen. Wenn sich das über den Umweg der Russland-Sanktionen tun lässt, umso besser. „Wir sind bereit, den Druck auf Russland zu erhöhen, aber unsere europäischen Partner müssen folgen“, sagte Finanzminister Scott Bessent am Sonntag zum Fernsehsender NBC News.
Seitens der Europäer gibt es grundsätzliche Bereitschaft, nun Hand in Hand mit Washington gegen Moskau vorzugehen. „Wir müssen unseren Druck auf Russland erhöhen, um zu Friedensverhandlungen zu kommen“, sagte António Costa, der Präsident des Europäischen Rats, am Montag anlässlich eines Arbeitsbesuchs in Helsinki. „Das machen wir jetzt, mit den Vereinigten Staaten. Wir koordinieren unsere Bemühungen, um wirksamer zu werden.“
Bis ans Äußerste ihrer Möglichkeiten gehen die Europäer derzeit allerdings noch nicht. Das zeigt das Beispiel jener dänischen Werft in Odense, die weiterhin russische Flüssiggastanker serviciert: die letzte in Europa. Bis vorige Woche gab es noch eine weitere Werft in Brest, die Reparaturen für diese Art von Tankern anbot. Sie zog sich davon aber zurück. „Obwohl diese Reparaturen unter der europäischen Sanktionsgesetzgebung erlaubt sind, haben wir beschlossen, von weiteren Arbeiten an dieser Art von Schiffen abzusehen“, erklärte ein Sprecher der niederländischen Konzernmutter Damen gegenüber dem Fachmedium „High North News“. „Das Unternehmen hat seine eigene Entscheidung im Einklang mit der niederländischen Außenpolitik getroffen, welche niederländische Unternehmen davon abzubringen versucht, diese Art von Arbeiten zu erbringen, die den russischen Flüssiggasexport unterstützen.“
Die EU-Staaten verfolgen in der Frage des russischen Flüssiggases eine ambivalente Politik: Einerseits ist dessen Umladen in europäischen Häfen nunmehr verboten. Andererseits fügt man sich aber der normativen Kraft des Faktischen, dass vor allem Spanien, Frankreich und Belgien weiterhin auf diese Energiequelle angewiesen sind. Zum Neujahrstag 2028 soll sich das ändern: Bis dann sollen alle Mitgliedstaaten keine fossilen Energieträger mehr aus Russland beziehen.
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