Stand: 08.09.2025 19:51 Uhr

Das Bundesverkehrsministerium will offenbar den zweigleisigen Ausbau der Marschbahn nach Sylt verschieben. Das zeigt ein Gutachten, das bundesweit die Zugtaktung verbessern soll. Demnach ist der Ausbau erst 2045 oder noch später geplant.

von Anne Passow

Züge, die nicht fahren, zu spät sind oder sehr voll – das ist Alltag auf der Marschbahnstrecke. Ein Grund: Die Bahnstrecke von Hamburg nach Sylt ist an vielen Stellen eingleisig – zum Beispiel zwischen Niebüll und Klanxbüll und von Morsum bis Westerland. Der geplante zweigleisige Ausbau der Strecke ist also vor allem für Pendler, die vom Festland auf die Insel fahren, wichtig.

Zug nach Sylt: Marschbahn „nicht dringend genug“

Das Bundesverkehrsministerium hat Bahnprojekte priorisiert – nach Dringlichkeit. Und möchte offenbar einige Schienenbauprojekte verschieben, darunter den zweigleisigen Ausbau der Marschbahn zwischen Niebüll, Klanxbüll und Sylt (Kreis Nordfriesland). Außerdem wurde die Elektrifizierung der Strecken Wilster-Brunsbüttel (Kreis Dithmarschen) und Lübeck-Büchen-Lüneburg laut dem vorliegenden Gutachten verschoben. Auch der vierte Bahnsteig in Elmshorn (Kreis Pinneberg) ist nicht bis 2035 vorgesehen. Das Gutachten ist vom 14. August 2025 – es soll dem Bundesverkehrsministerium dabei helfen, bundesweit die Zugtaktung zu verbessern. Demnach sollen diese Projekte erst 2045 oder noch später realisiert werden.

Vorhaben haben keine Priorität

Vorhaben wie die Marschbahn, die Elektrifizierung Lübeck-Büchen, der Bahnsteig in Elmshorn stehen in dem „Gutachten zum strategischen Umsetzungsplan Deutschlandtakt“ unter der Überschrift „In Etappe 2035 nicht enthaltenes Infrastrukturelement des Bedarfsplans“. Priorisiert, also zügiger umgesetzt werden soll laut Gutachten unter anderem der Bau der S-Bahnlinie 4 zwischen Hamburg und Ahrensburg-Gartenholz oder die Puffergleise in Lübeck-Süd.

Pendler-Initiative: „Das ist eine Katastrophe für Sylt“

Das sei ein „Schlag ins Gesicht“, sagte Achim Bonnichsen von der Pendler-Inititative, die sich seit etwa zwölf Jahren für den zweigleisigen Ausbau einsetzt. „Beim letzten Bahngipfel wurde uns das Versprechen gegeben, dass der zweigleisige Ausbau kommt“, so Bonnichsen. Pendler erlebten regelmäßig überfüllte Züge und eine marode Infrastruktur. Dass diese Situation noch länger andauert, will er nicht hinnehmen. „2045 ist für uns absolut nicht akzeptabel.“ Bonnichsen befürchtet, dass noch mehr Unternehmer und Pendler der Insel den Rücken kehren.

SSW: Sylts Lebensader

„Die Marschbahn ist die Lebensader für Sylt und darf nicht weiter belastet werden“, sagte die verkehrspolitische Sprecherin der SSW-Landtagsfraktion, Sybilla Nitsch. „Die Strecke ist unverzichtbar für Pendlerinnen und Pendler, für den Tourismus und für die Versorgung der Insel.“ Schleswig-Holstein sei bei der Elektrifizierung der Marschbahn in Vorplanung und Vorfinanzierung gegangen, um Tempo zu machen. Nun lasse Berlin Kiel im Regen stehen, so Nitsch.

FDP: Absurde Vernachlässigung

Man habe kein Verständnis dafür, dass der neue Bundesverkehrsminister die Marschbahn auf den St. Nimmerleinstag verschieben wolle. „Diese absurde Vernachlässigung Schleswig-Holsteins durch die CDU-geführte Bundesregierung ist völlig inakzeptabel, so der Vorsitzende der FDP-Landtagsfraktion, Christopher Vogt. Der Ministerpräsident müsse nun bei seinen Parteifreunden in Berlin massiv Druck machen.

Grünen-Politikerin Nelly Waldeck weißt auf Dringlichkeit hin

Und die mobilitätspolitische Sprecherin der Landtagsfraktion der Grünen, Nelly Waldeck, betonte Sylt sei auf die Bahnanbindung dringend angewiesen. „Wir haben uns in Schleswig-Holstein bereit erklärt, Planungskosten selbst zu übernehmen und immer wieder die Dringlichkeit deutlich gemacht“. Sie fordere die Bundesregierung auf, „die Interessen der Menschen in Schleswig-Holstein nicht zu übergehen“.

Madsen: „Die Marschbahn ist ein Sonderfall“

Sylt könne man nicht wie andere Bahnstrecken rechnen, nicht „Pro Kopf, pro Stunde“, betonte Schleswig-Holsteins Verkehrsminister Claus Ruhe Madsen (CDU). Denn: „Man kann nur mit der Bahn nach Sylt kommen.“ Der Bundesminister müsse verstehen, dass Sylt eine Ausnahme sei. Der Ausbau sei alternativlos. „Deshalb sind wir ja auch in Vorleistung gegangen.“ Madsen sagte, er könne nachvollziehen, dass „ein zentrales Problem in zentralen Teilen von Deutschland größere Sorgen auslöst als am Rande von Deutschland.“

Trotzdem dürfe der Bund Schleswig-Holstein nun nicht hängen lassen. „Ungewöhnlicherweise haben wir als Land gesagt, wir planen vorweg, um mehr Geschwindigkeit reinzubekommen. Und jetzt erwarte ich auch von dem Bund, dass er diese Planung auch umsetzt“, so Madsen. Bisher habe er mit dem Bundesminister immer konstruktive Gespräche geführt, so Madsen. Er habe ihm nun geschrieben, dass er sich die Situation der Marschbahn nochmal angucken müsse.

Landrat: Schlechte Seifenoper

„Es wirkt wie ein Stück aus einer schlechten Seifenoper“, empörte sich auch Florian Lorenzen, der Landrat des Kreises Nordfriesland. „Wir kämpfen seit Jahren für die Marschbahn. Zigtausende Pendler hängen täglich davon ab.“ Man brauche diese Verbindung. Der Bahndamm sei fast die einzige Verbindung, um auf die Insel zu gelangen. „Jetzt erwarte ich von den Parlamentariern im Bundestag, dass schnellstmöglich die Finanzierungsfrage geklärt wird.“

Eine Anfrage von NDR Schleswig-Holstein an das Bundesverkehrsministerium blieb bis zum Abend unbeantwortet.

Ein modernisierter Marschbahn-Zug steht auf dem Gleis.

Land und Bahn einigen sich in Kiel auf wichtige Projekte im Bahnverkehr. Die Finanzierung der Maßnahmen ist dabei noch offen.

Eine Regionalbahn der Deutschen Bahn fährt über den Hindenburgdamm zwischen Sylt und Niebüll.

Endlich auf zwei Gleisen von Niebüll nach Westerland und zurück – das fordern Pendler und Politiker seit Jahren. – Ein Überblick