Kiel. Im Fall mutmaßlicher Polizeigewalt bei einem Einsatz im Januar 2023 in der Schönberger Straße in Kiel hat die Staatsanwaltschaft nun Anklage gegen einen Beamten erhoben. Der Vorwurf: Körperverletzung im Amt. Der Polizist soll auf den damals 26-jährigen Kieler Mert K. eingeschlagen haben, als dieser von mehreren Einsatzkräften bereits zu Boden gebracht worden war.
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Dies war von einem unbekannten Zeugen in einem 59 Sekunden langen, tonlosen Handyvideo festgehalten worden, das schließlich als Grundlage für interne Ermittlungen bei der Polizei diente. Friedrich Fülscher, Rechtsanwalt aus Kiel, vertritt Mert K. in dem Fall und hat Beschwerde gegen die Entscheidung der Staatsanwaltschaft Kiel eingelegt, Ermittlungen jenseits der erfolgten Anklage einzustellen.
Für mich ist es nach wie vor erschreckend, dass die anderen anwesenden Beamten nicht eingeschritten sind oder dieses Verhalten zur Anzeige gebracht haben.
Friedrich Fülscher
Rechtsanwalt aus Kiel
Es sei absehbar gewesen, dass der Beamte, der auf den bereits am Boden liegenden und fixierten Mert K. weiter eingeschlagen habe, angeklagt wird, sagte Fülscher. Aber: „Für mich ist es nach wie vor erschreckend, dass die anderen anwesenden Beamten nicht eingeschritten sind oder dieses Verhalten zur Anzeige gebracht haben. Dazu wären sie verpflichtet gewesen.“
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Auf dem Handyvideo sind mehr als eine Handvoll Polizisten zu sehen, die an dem Einsatz beteiligt waren. Intern ermittelt hatte die Polizei im Auftrag der Kieler Staatsanwaltschaft gegen zwei Beamte. Eines der Verfahren stellte die Staatsanwaltschaft ein.
Polizei Kiel: Angeklagter Beamter ist weiterhin normal im Dienst
Der angeklagte Polizist sei weiterhin normal im Dienst, da nach wie vor die Unschuldsvermutung gelte, heißt es auf Nachfrage seitens der Polizeidirektion in Kiel.
Der Auftrag für die internen Ermittlungen gegen die beiden Beamten erfolgte bereits im Sommer 2024. Die Aufarbeitung zog sich jedoch hin. Im Mai hatte Oberstaatsanwalt Axel Bieler auf KN-Nachfrage erklärt, dass man sich der Schwere des Vorwurfs bewusst sei. Für das Abbilden des gesamten Tatgeschehens bei dem Polizeieinsatz in der Schönberger Straße brauche es aber „einer nicht unerheblichen Zeit“.
Polizeigewalt in Kiel? Zunächst saß Mert K. selbst auf der Anklagebank
Die internen Ermittlungen waren ins Rollen gebracht worden, weil das besagte Handyvideo zuvor als entlastendes Beweismaterial in einem Prozess am Amtsgericht Kiel aufgetaucht war. Dort saß nämlich Mert K. auf der Anklagebank.
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Polizisten hatten den heute 29-Jährigen aus Kiel nach dem Einsatz in der Schönberger Straße wegen eines tätlichen Angriffs angezeigt. Nach den Eindrücken aus dem Handyvideo sprach ihn eine Richterin am Amtsgericht frei.
Richterin am Amtsgericht Kiel: Polizei-Durchsuchung von K. war rechtswidrig
Die Polizisten hatten in der Verhandlung geschildert, dass sie am 2. Januar 2023 zu einer Schlägerei von rund zehn Personen in der Schönberger Straße gerufen worden waren. Doch sie seien vor Ort nur noch auf K. getroffen, den sie wegen seiner blutähnlichen Flecken am Oberteil kontrollieren wollten.
Die Durchsuchung von K. war zur Eigensicherung erfolgt, hatten die Beamten geschildert. Doch die Amtsrichterin stufte die Durchsuchung in ihrem abschließenden Urteil als rechtswidrig ein, weil die dafür nötigen Voraussetzungen nicht vorgelegen hätten.
Angesichts des 59 Sekunden langen Handyvideos sei K. nicht nur unrechtmäßig durchsucht worden, sondern zudem geschlagen und „malträtiert in einer Weise, die der Darstellung der Polizeibeamten in geradezu erschreckenderweise widerspricht und diametral gegenübersteht“, heißt es im schriftlichen Urteil.
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In dem Video ist zu sehen, wie mehrere Polizisten K. kontrollieren und fixieren. Nachdem ein erster Schlag eines Beamten in Richtung Kopf des damals 26-Jährigen erfolgt, befreit sich der Kieler und schlägt einmal in Richtung eines Polizisten. Daraufhin wird er von mehreren Beamten zu Boden gebracht und fixiert. Der nun angeklagte Polizist schlägt am Ende des Videos mehrfach mit der Faust in Richtung Kopf des heute 29-Jährigen.
KN