Alfred Koppen mag es, seine Arbeit mit einem Hauch des Mysteriösen zu umgeben. Er sagt: „Ich bin jemand, der sich gerne in der Unterwelt tummelt.“ Dabei ist der 72-Jährige mit dem grauen Bartflaum und der hellblauen Schiebermütze auf dem Kopf weder Kleinganove noch verdeckter Ermittler. Mit Unterwelt meint er: den Boden, auf dem Pflanzen gedeihen.
„Da stecken viele Geheimnisse drin“, sagt er. Und in Zeiten des Klimawandels werde es immer wichtiger, sich mit diesen Geheimnissen zu beschäftigten. Wenn es Pflanzen schlecht geht, liegt der Grund dafür laut Koppen häufig unter Oberfläche. Genau dort will der Ingenieur und Landschaftsarchitekt aus Degerloch mit seiner Erfindung ansetzen, dem Vegetationssubstrat Koveg.
Ingenieur aus Stuttgart meldet Patent für Pflanzenerde an
Vegetationssubstrat ist der Fachbegriff für all das, was landläufig unter zusammengesetzter Pflanzenerde bekannt ist. Im Fall von Koveg besteht das Gemisch aus Blähton oder Kesselsand, Ziegelsand, Pflanzenkohle, etwas Kompost und kohlensaurem Kalkgestein. Koppen tüftelt seit Jahren an dem Produkt, 2021 meldete er ein Patent an. Für die Vermarktung gründete er vor drei Jahren ein Start-up.
Im Vergleich zu herkömmlichen Substraten bringt Koveg nach Angaben seines Entwicklers mehrere Vorzüge mit: Es speichert Wasser effektiver, ist deshalb ressourcenschonend. Aufgrund des hohen Nährstoffgehalts benötigt es keinen zusätzlichen Dünger. Und aufgrund der luftigen Zusammensetzung gedeihen Pflanzen besonders schnell und gut.
Substrat kommt auf Friedhof in Möhringen zum Einsatz
Für diese Aussagen beruft sich Koppen nicht nur auf Studienergebnisse, sondern inzwischen auch auf Erfahrung aus der Praxis. So nutzt der Friedhofsgärtner Christian Günther das Substrat seit zwei Jahren für seine Gräber in Möhringen – und berichtet von einem enormen Effekt. „Berufskollegen, die normale Erde einsetzen, mussten in den Hitzephasen in diesem Sommer ihre Gräber dreimal pro Woche gießen“, erzählt der 36-Jährige. „Bei mir hat einmal Gießen pro Woche gereicht.“
In Möhringen kümmert er sich mit seinem Betrieb Blumenscheuer Günther um rund 400 Gräber. Sein Berufsfeld sei eines, das der Fachkräftemangel besonders hart treffe. Koveg sieht er als einen Weg, diesem Problem entgegenzuwirken. Denn: Wenn weniger Arbeitszeit ins Gießen fließt, bleiben mehr Kapazitäten für andere Arbeiten wie Grabpflanzen schneiden oder Friedhofspfade säubern.
Sechs Sorten von Substrat aus Stuttgart
Die Zusammenarbeit begann, als Koppen eines Tages in der Blumenscheuer Günther auftauchte. „Er hat einen Lagerplatz für Koveg gesucht, weil seine Garage zu Hause schon voll war“, erinnert sich Günther. So kamen die beiden Männer ins Gespräch, und Koppen passte sein Substrat für die Nutzung auf dem Friedhof an. Das entspreche seinem Naturell, sagt der Degerlocher. „Ich bin der Typ Tüftler.“
So gibt es inzwischen sechs verschiedene Sorten von Koveg:
- M1 für Rasenflächen
- M2 für Schotterrasen
- M3 für Baumpflanzen
- M4 für Dachbegrünung, Zimmerpflanzen und Balkonkübel
- M5 für Gartenflächen
- M6 für Grabflächen
Besonders stolz ist Koppen auf den Garten eines Privathauses, den er vor rund zwei Jahren umgestaltet hat, ebenfalls in Möhringen an der Gammertinger Straße. Dort wachsen nun dunkelrote und schneeweiße Rosen, auf dem Garagendach sprießen Gräser. und ein kleiner Apfelbaum trägt bereits erste Früchte. All das hat die Gärtnerei Freischnitt auf Koveg gepflanzt. Etwa 150 Euro pro Quadratmeter koste es, einen Garten mit dem Substrat auszulegen, schätzt Koppen.
Auf einen von ihm gestalteten Garten inklusive Apfelbaum in Möhringen ist Alfred Koppen besonders stolz. Foto: Valentin Schwarz Stuttgarter Ingenieur denkt an Schwammstadt
Während er sich über die Kooperation mit Betrieben wie Freischnitt oder der Blumenscheuer Günther freut, schweben dem Entwickler größere Einsatzgebiete vor. Koppen denkt hier an das Prinzip der Schwammstadt. Grünflächen im urbanen Raum sollen dabei Regenwasser speichern und so einerseits Hitze entgegenwirken und andererseits vor Überschwemmungen schützen. In Stuttgart sieht Koppen beispielsweise auf dem Marienplatz Verbesserungsmöglichkeiten, die er am 28. September bei einen Vortrag im Clara-Zetkin-Waldheim vorstellt.
Grundsätzlich eigne sich Koveg gut für die Begrünung von Gebäudefassaden oder Häuserdächern, sagt Holger Braitmaier. Der 54-Jährige ist in Koppens Start-up für Vertrieb und Vermarktung zuständig. Er erzählt, dass er das Rosmarin auf seinem Balkon aufgrund der Speicherkapazitäten des Substrats kaum noch gießen müsse. „Das lässt sich in der Größe skalieren“, sagt Braitmaier. Gleichzeitig weiß er: „Wir stehen noch am Fuße der Pionierarbeit.“ Mittelfristiges Ziel sei es, Koveg in Baumärkten unterzubringen.
Der Unternehmensgründer Koppen ist dabei weiterhin voll involviert, obwohl er das Renteneintrittsalter längst überschritten hat. „Es gibt für mich kein Ende, genauso wie es beim Klimaproblem auch kein Ende gibt.“ Der 72-Jährige, der jahrzehntelang für Landschaftsarchitekturbüros arbeitete und sich später selbstständig machte, sagt über Koveg: „Das ist für mich so etwas wie ein beruflicher Nachlass.“