Ein Veranstalter hatte in Göttingen in der Nacht von Gründonnerstag auf Karfreitag eine Tanzveranstaltung durchgeführt – und dafür ein Bußgeld kassiert. Das AG Göttingen fragt sich, ob die maßgeblichen landesrechtlichen Regelungen mit dem Grundgesetz und dem staatlichen Neutralitätsgebot vereinbar sind. Es setzte das bei ihm anhängige Bußgeldverfahren aus, um die Sache dem BVerfG vorzulegen.
Aus Sicht der Göttinger Richterinnen und Richter verletzen die niedersächsischen Normen unter anderem die negative Religionsfreiheit. Nichtchristen würden durch die Tanzverbote dazu gezwungen, sich an Gründonnerstag und Karfreitag wie gläubige Christen zu verhalten und diese Tage unter Verzicht auf weltliche Vergnügungen als „stille Feiertage“ zu begehen. Auch die Berufsausübungsfreiheit und der allgemeine Gleichheitssatz würden verletzt.
Nicht ausreichend mit Rechtsprechung des BVerfG beschäftigt
Die Karlsruher Richterinnen und Richter bemängeln jedoch, das AG habe sich nicht hinreichend mit der Rechtsprechung des BVerfG auseinandergesetzt. Insbesondere habe es nicht dargelegt, dass die Tanzverbote über die nach Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 139 WRV zulässige Sicherung des äußeren Feiertagscharakters hinausgingen und inhaltlich orientierte Befolgungspflichten oder eine bestimmte innere Haltung abverlangten (Beschluss vom 11.08.2025 – 1 BvL 2/25).
Auch die Ausführungen zur Verletzung der Berufsfreiheit verfehlten die vom BVerfG entwickelten Maßstäbe. So seien pauschale Tanzverbote an wenigen stillen Feiertagen grundsätzlich zulässig, solange sie nur den äußeren Charakter des Tages sichern und keine religiösen Bekenntnispflichten auferlegen.
Das AG habe sich auch in Bezug auf eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes nicht hinreichend mit der Rechtslage auseinandergesetzt. Es hat laut BVerfG nicht ausreichend dargelegt, inwieweit es sich bei den von ihm zum Vergleich herangezogenen Veranstaltungen – etwa der Besuch von Kinos, Theatern oder Restaurants – bezogen auf den bezweckten Schutz der Ernsthaftigkeit des Gründonnerstags und Karfreitags um im Wesentlichen gleiche Sachverhalte handele wie öffentliche Tanzveranstaltungen.
BVerfG, Beschluss vom 11.08.2025 – 1 BvL 2/25
Redaktion beck-aktuell, js, 9. September 2025.
Aus der Datenbank beck-online
Rademacher/Schmidt/Brohm, „Heidenspaß am Karfreitag“, JA 2025, 566
BVerfG, Befreiungsfestigkeit des besonderen Stilleschutzes am Karfreitag ist mit Grundrechten unvereinbar, NVwZ 2017, 461
BVerwG, Verbot von öffentlichen Tanzveranstaltungen an Gründonnerstag und Karsamstag, BeckRS 2017, 138152