Mario Draghi legte einen Bericht vor, in dem er Europa dazu aufforderte, seinen Innovationsrückstand aufzuholen.  - Copyright: Thierry Monasse/Getty Images Mario Draghi legte einen Bericht vor, in dem er Europa dazu aufforderte, seinen Innovationsrückstand aufzuholen. – Copyright: Thierry Monasse/Getty Images

Europas großer Plan zum Aufholen der Innovationslücke gegenüber den USA und China kommt nur schwer in Gang. Vor einem Jahr warnte der frühere italienische Premierminister und ehemaliger Chef der Europäischen Zentralbank Mario Draghi, dass die EU vor einer „existenziellen Herausforderung“ stehe, wenn sie nicht in fortschrittliche Technologien wie künstliche Intelligenz investiere.

In seinem wegweisenden Bericht sagte Draghi, Europa habe den Anschluss bei Cloud-Computing und Quantencomputern verpasst. Allerdings habe es immer noch die Chance, bei generativer KI und anderen Pionierindustrien führend zu werden.

Ein Jahr später sieht die Bilanz laut einem neuen Bericht der Deutschen Bank, welcher am Dienstag veröffentlicht wurde, enttäuschend aus.

Im vergangenen Jahr erklärte Mario Draghi, dass die EU vor einer „existentiellen Herausforderung” stehe. - Copyright: Samantha Zucchi/Insidefoto/Mondadori Portfolio via Getty Images Im vergangenen Jahr erklärte Mario Draghi, dass die EU vor einer „existentiellen Herausforderung” stehe. – Copyright: Samantha Zucchi/Insidefoto/Mondadori Portfolio via Getty Images

Die neue Analyse der Deutschen Bank kommt zu dem Schluss, dass Brüssel bei der Umsetzung von Draghis 383 Empfehlungen für die EU kaum Fortschritte gemacht hat.

Der Bericht zitiert eine neue Analyse der Denkfabrik European Policy Innovation Council. Diese hat festgestellt, dass nur 11,2 Prozent der Empfehlungen Draghis vollständig umgesetzt wurden. Selbst, wenn man die Teilfortschritte berücksichtigt, wurde bis zum 4. September weniger als ein Drittel der Agenda umgesetzt.

Die Prüfung zeigte auch eklatante Lücken in den einzelnen Sektoren auf. Verkehr und kritische Rohstoffe liegen vorn, während Energie und Digitalisierung durch Politik, Regulierung und fragmentierte Eigentumsverhältnisse weiterhin stark behindert werden.

„Insgesamt sind die Fortschritte uneinheitlich. Es gibt keine grundlegenden Veränderungen, aber einige substanzielle Reformen“, fasst die Bank in ihrer Mitteilung zusammen.

Die EU hat sich im Bereich der Verteidigung am schnellsten bewegt. Dabei hat Deutschland die Ausgaben von 74 Milliarden Euro im Jahr 2024 auf knapp 110 Milliarden Euro im nächsten Jahr erhöht. Brüssel hat außerdem einen Darlehensplan in Höhe von 150 Milliarden Euro für die Mitgliedstaaten aufgelegt, um die Rüstungsproduktion anzukurbeln.

Bei der Innovation sieht es dagegen schlechter aus. Die Deutsche Bank erklärte, die Bemühungen der EU hätten „nur begrenzte Fortschritte bei der Schließung der Innovationslücke gegenüber den USA“ gebracht.

Zwar hat der Block eine InvestAI-Initiative angekündigt, um etwa 200 Milliarden Euro für KI, einschließlich Ausschreibungen für KI-Gigafabriken, zu mobilisieren. Aber die meisten Maßnahmen stecken noch in den Kinderschuhen.

Eine bevorstehende „Apply AI“-Strategie zielt darauf ab, die Einführung von KI in der Wirtschaft zu fördern. Aber die Nutzung von KI durch Unternehmen in Europa bleibt lückenhaft, so die Bank.

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Der Bericht warnte auch davor, dass es in Europa weiterhin an Finanzierungen für die Skalierung, an Cloud- und Dateninfrastrukturen und an der Vermarktung von Patenten mangelt. Dadurch bleibt Europa weit hinter dem Silicon Valley und dem chinesischen Technologie-Ökosystem zurück.

Die Europäische Kommission hat sogenannte „Omnibus“-Vorschläge zur Straffung der Vorschriften für kleine und mittlere Unternehmen und zur Senkung der Berichterstattungskosten vorgelegt. Mit diesen Vorschlägen könnten etwa neun Milliarden Euro eingespart werden.

Eine für 2026 geplante neue Gesetzesinitiative könnte es Startups ermöglichen, sich für einen EU-weiten Rechtsrahmen zu entscheiden und so die fragmentierten nationalen Vorschriften zu umgehen. Die Deutsche Bank warnt jedoch davor, dass solche Initiativen nur schrittweise erfolgen und politisch heikel sind.

Strukturreformen in den Bereichen Steuern, Renten und Arbeitsmärkte – allesamt von Draghi als kritisch bezeichnet – bleiben auf der Ebene der Mitgliedstaaten stecken, wo die zunehmende rechtsextreme Politik und fiskalische Zwänge einen Konsens blockieren, so die Bank.

Der Bericht der Deutschen Bank kommt zu dem Schluss, dass die EU nach einem Jahr Dringlichkeit in Bereichen gezeigt hat, in denen die nationalen Interessen übereinstimmen, wie Verteidigung und Bürokratieabbau, aber Innovation bleibt Europas Achillesferse. Die Europäische Kommission hat auf die Anfrage von BUSINESS INSIDER nach einer Stellungnahme nicht sofort geantwortet.

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