10.09.2025 – Das Auto ist weiterhin der Deutschen liebstes Fortbewegungsmittel. Neben dem Wirtschaftsverkehr legen Privatpersonen täglich im Schnitt 15,5 Kilometer mit dem Auto zurück, so das statistische Bundesamt. Im Durchschnitt legten die Menschen zwischen 2023 und 2024 noch immer 53 Prozent ihrer Wege mit dem Auto zurück, wie die Erhebung „Mobilität in Deutschland“ vom Bundesverkehrsministerium zeigt. Sie zeigt auch, dass dieser Anteil nur langsam schwindet. 2017 waren es 57 Prozent.

Vor allem auf dem Land wird weiterhin viel Auto gefahren. Während es in Berlin 24 Prozent sind, liegt der Wert im Hohenlohekreis im Südwesten Deutschlands bei 67 Prozent. Für viele ländlich geprägte Räume sind die öffentlichen Verkehrsmittel aufgrund des schlechten Ausbaus weiterhin keine Alternative.

Für die Verkehrswende gilt es, neben Ausbau von ÖPNV und Radinfrastruktur, auch die E-Mobilität voranzutreiben. Und das nicht nur für die Verkehrswende. Bundeskanzler Friedrich Merz sagte zur Eröffnung der Internationalen Automobilausstellung diese Woche in München, Deutschland müsse im Übergang zur Elektromobilität Vorreiter bleiben und dürfe asiatischen Herstellern nicht das Feld überlassen. Es gilt die Automobilindustrie in Deutschland und Europa als gewichtigen Wirtschaftsfaktor zu erhalten. Im Vergleich zu chinesischen Herstellern wie BYD und Tesla, geriet die europäische Industrie in den vergangenen Jahren beim Zukunftsmarkt E-Mobilität ins Hintertreffen.

Doch eine neue Analyse der zivilgesellschaftlichen Organisation Transport&Environement (T&E) kann die europäische Autohersteller Hoffnungsvoll stimmen. Demnach haben europäische Hersteller ihren E-Auto-Absatz in den ersten sieben Monaten dieses Jahres um 37,5 Prozent gegenüber den Vergleichsmonaten 2024 gesteigert.

Insbesondere Volkswagen mit einer Steigerung von 90,2 Prozent gegenüber dem Vorjahr, sowie Renault (plus 58,9 Prozent) und BMW (plus 31,7 Prozent) konnten ihren E-Autoanteil deutlich verbessern. Auch chinesische Autofirmen konnten weiter zulegen (plus 19,1 Prozent). Tesla dagegen brach ein (minus 38,7 Prozent).

Prognose von zwei Millionen weniger E-Autos

Im Zuge veränderter Regelungen der EU für Flottengrenzwerte halten laut Analyse von T&E bis auf Mercedes-Benz alle europäischen Autohersteller die Emissionsgrenzen für die kommenden zwei Jahre ein. Allerdings führe die Fristverlängerung der CO2-Ziele dazu, dass die Autohersteller ihre Anstrengungen im Bereich E-Mobilität verlangsamt haben. T&E geht daher davon aus, dass zwischen 2025 und 2027 zwei Millionen E-Autos weniger verkauft werden als bei Einhaltung der ursprünglichen Frist. Dazu tragen auch Preisaufschläge von im Schnitt 30 Prozent gegenüber Verbrennern bei, die die Automobilhersteller nach der Fristverlängerung einführten.

2019 hatten sich die EU-Institutionen darauf geeinigt Flottengrenzwerte für die Automobilindustrie festzulegen. Flottenemissionen der Hersteller dürften, im Durchschnitt und bezogen auf alle Neuzulassungen von Pkws, nur noch einen steigenden Grenzwert von CO2 pro Kilometer betragen, sonst drohen Strafzahlungen. Im Mai 2025 legte die EU fest: Strafen für verfehlte Flottengrenzwerte sollen nicht mehr sofort greifen, sondern die Autohersteller bekommen drei Jahre Zeit – zwischen 2025 und 2027 – ihre Reduktionsleistungen zu erreichen. Defizite in einem Jahr können durch Übererfüllung in anderen Jahren ausgeglichen werden.

Mercedes Benz würde die Vorgaben dennoch um 10 Gramm CO₂/km verfehlen und müsste Volvo Cars und Polestar für Emissionszertifikate im Rahmen eines sogenannten Pooling-Zusammenschlusses bezahlen. Mercedes-Benz, das aktuell den Vorsitz des EU-Automobil-Lobby-Verbandes ACEA innehat, gilt als lautstärkster Gegner des gesetzlich festgelegten EU-Ziels für ein Verbrenner-Verbot 2035 – dann dürfen keine Pkws mit Verbrennermotor in der EU neu zugelassen werden, ein Schlupfloch gilt dabei für sogenannte E-Fuels.

Die Debatte über das Verbrenner Aus hat wieder einmal der bayerische Ministerpräsident Markus Söder angekurbelt. In der Bild am Sonntag forderte er, das Verbrenner-Verbot komplett zu kippen, um die kriselnde deutsche Automobilindustrie zu stützen. Die Fraktionsvorsitzende der Grünen Katharina Dröge entgegnete dem im ARD-Bericht aus Berlin, erst mit dieser Forderung mache sich Söder zum „Totengräber der deutschen Automobilindustrie“.

Sebastian Bock, Geschäftsführer von T&E Deutschland, bekräftigt: „Einige Hersteller reden die Erfolge der letzten Jahre mit Absicht schlecht, weil sie die Flottengrenzwerte schwächen wollen. In der Realität sehen wir aber einen schnellen Anstieg der E-Auto-Verkäufe und Ladepunkte in ganz Europa. Die Emissionsrichtlinien spielen dabei die entscheidende Rolle.“ Nur wenn die EU jetzt Kurs halte, habe die europäische Automobilindustrie eine Chance im globalen E-Auto-Wettbewerb. „Verwässern wir die vereinbarten Ziele weiter, dann könnten noch mehr europäische Hersteller Mercedes folgen und bei der Elektrifizierung ins Hintertreffen geraten. Die Konsequenzen für Klima und Beschäftigung in Deutschland und Europa wären fatal.”

Kostensenker Batterietechnologie

Laut T&E sind, neben der Ladeinfrastruktur, vor allem sinkende Batteriekosten hauptverantwortlich für die weitere Elektrifizierung des Autoverkehrs. So sollen die Batteriekosten voraussichtlich zwischen 2022 und Ende 2025 um 27 Prozent sinken und bis 2027 gegenüber dem diesjährigen Niveau nochmal um 28 Prozent zurückgehen.

Bei den Preisen müssen deutsche Hersteller im europäischen und weltweiten Vergleich noch aufholen, wollen sie den Massenmarkt bedienen. Für vergleichsweise kurze Reichweiten gibt es etwa günstige E-Autos von Dacia aus Rumänien (ab 16.900 Euro und 225 km Reichweite) und Leapmotor aus China (ab 18.900 Euro und 265 km Reichweite). Der günstigste Volkswagen (VW ID.3) startet aktuell bei 33.330 Euro und 330 km Reichweite. Ab kommenden Jahr soll es den ID-Polo ab 25.000 Euro und 440 km Reichweite geben, so ein Versprechen des VW-Konzerns auf der IAA. Ab 2027 soll der ID.Every1 mit einem Startpreis von 20.000 Euro und 250 km Reichweite folgen.

Für Michael Müller-Görnert, verkehrspolitische Sprecher des ökologischen Verkehrsclub Deutschland (VCD), ist klar; Das Ziel eines Verbrenner-Aus 2035 sei nur dann erreichbar, wenn mehr kleine und günstige E-Autos auf den Markt kommen. Vor allem die kompakten Modelle französischer und koreanischer Hersteller seien derzeit gefragt. Dass VW erst ab dem kommenden Jahr peu-a-peu mit erschwinglichen und massentauglichen E-Autos auf den Markt kommen will, sei zu spät.

„Der Gesetzgeber kann die Antriebswende mit klugen Anreizen beschleunigen. Dazu gehört zuallererst ein Bonus-Malus-System, wie es bereits Frankreich, die Niederlande oder die nordischen Staaten eingeführt haben.“ Dort zahlen Fahrzeuge mit hohem CO2-Ausstoß bei der Neuzulassung einmalig mehr und finanzieren damit den Bonus für sparsame und emissionsfreie Autos“, so Müller-Görnert. Es gelte nicht den Worten Markus Söders zu folgen, sondern die Herausforderungen der Zeit anzunehmen, also die Elektrifizierung des Autos und dessen Integration in eine nachhaltige Mobilitätswelt voranzutreiben. Dies sollte die IAA abbilden, sonst wird sie zum Auslaufmodell, fordert der VCD. mg