Alles hat damit begonnen, dass die evangelische Johanniskirche am Mainzer Leichhof vor 13 Jahren eine neue Heizung erhalten sollte. Daraus wurde eine der aufwendigsten, aber auch ergiebigsten Grabungen in der rund 2000 Jahre alten Stadt, die gerade im Mittelalter ein bedeutendes Machtzentrum am Rhein gewesen ist.
Gut eine halbe Million Funde haben der eigens für dieses Projekt aus der Schweiz geholte Archäologe Guido Faccani und sein Team aus dem Erdreich geholt. Darunter war auch der mehr als 1000 Jahre alte steinerne Sarkophag, in dem nach allem, was man weiß, 1021 der Mainzer Erzbischof Erkanbald seine letzte Ruhestätte gefunden hatte.
Älteste Funde aus dem fünften Jahrhundert
Über die im Volksmund nur Alter Dom genannte einstige Bischofskirche, die 1828 in den Besitz der seinerzeit nach einem passenden Versammlungsraum suchenden evangelischen Gemeinde gekommen war, ist mittlerweile vieles bekannt, über das zuvor nur spekuliert werden konnte.
Entdeckt: Das Grab des Mainzer Erzbischofs ErkanbaldGerhard Fleischer, privat
So stammen die Fundamente der ältesten Mainzer Kirche aus dem fünften Jahrhundert. Das Innere des Bauwerks muss mit einer Länge von 50 und einer Breite von 29 Metern dereinst von imposanter Größe gewesen sein. Sankt Johannis wurde, nachdem der noch größere und eindrucksvollere Willigis-Dom in direkter Nachbarschaft erst einmal fertiggestellt war, 700 Jahre lang als Stiftskirche, also als Nebenkirche, genutzt.
Mittlerweile sind alle Bauzäune abgebaut. „Statisch ist nun alles gesichert. Die Kirche wackelt nicht mehr“, sagte Dekan Andreas Klodt nach dem offiziellen Ende aller Grabungs- und Bauarbeiten. Diese dürften seit 2013 wohl mehr als zwölf Millionen Euro verschlungen haben. „Jetzt können ohne eine zeitgleiche Baustelle Dinge ausprobiert und die inhaltlichen Angebote weiterentwickelt werden“, kündigte Klodt an.
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Die Johanniskirche, in der immer noch Metallstege über alte Mauerreste hinwegführen und der Boden zum Teil metertief ausgehoben ist, soll künftig wieder für Veranstaltungen aller Art zur Verfügung stehen – also für Gottesdienste, Vorträge und Konzerte, aber auch für Führungen und Besichtigungen. Letztere sind auch für Sonntag, 14. September, vorgesehen, wenn der Tag des offenen Denkmals ausgerufen ist.
Eine normale Gemeindekirche wird Sankt Johannis vermutlich nicht wieder werden können. Wie man das an der Schöfferstraße gelegene Bauwerk künftig angemessen präsentieren könnte, soll ein Konzept verraten, das in den nächsten zwei Jahren allerdings erst noch erarbeitet werden soll. Dabei gehe es darum, den Alten Dom einerseits als „einzigartigen Erinnerungsraum“ zu erhalten, so Dekan Klodt, zudem aber auch als „lebendigen Ort des Glaubens“ zu bewahren.
Projektleiter Faccani, der für die bau- und kulturgeschichtliche Erforschung einer der ältesten Bischofskirchen in Deutschland nicht nur nach Mainz gezogen ist, sondern in Sankt Johannis 2020 sogar auch geheiratet hat, wird noch eine Weile damit beschäftigt sein, die circa 500.000 Fundstücke zu sichten und zu dokumentieren: von der Austernschale über mittelalterliche Bocciakugeln bis hin zur Coladose aus den Achtzigerjahren.
Für die Grabungen in vier bis sieben Meter Tiefe seien gut und gern 5000 Kubikmeter Erde abgetragen worden, erklärt Faccani; dies größtenteils mit Spitzhacke, Schaufel und Staubsauger, bei Bedarf aber auch mit feineren Instrumenten. Zudem seien etliche Wände vom Putz befreit, alte Einbauten entfernt und die Seitenschiffe wieder geöffnet worden. Das alles ermögliche es, „die Dimensionen des Kircheninnenraums heute wieder so zu erleben wie die Gläubigen vor 1000 Jahren“.