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Sie sollen einen gewalttätigen Umsturz geplant haben. Nun erhebt der Generalbundesanwalt laut MDR Anklage gegen die mutmaßliche rechtsextreme Terrorgruppe „Sächsische Separatisten“. Im Fall eines Ex-AfD-Politikers sogar wegen versuchten Mordes.
Von Edgar Lopez, Thomas Datt und Marcus Engert, MDR
Der Generalbundesanwalt hat Anklage gegen die sogenannten „Sächsischen Separatisten“ erhoben. Nach Recherchen von MDR und der taz wird acht Personen unter anderem die Gründung und Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung vorgeworfen.
Anfang November 2024 waren Mitglieder der Gruppe in Sachsen und Polen festgenommen worden. Sie sollen sich den Ermittlungen zufolge auf einen sogenannten „Tag X“ vorbereitet haben, an dem sie mit Gewalt Gebiete in Ostdeutschland unter ihre Kontrolle bringen wollten. Nach der geplanten gewaltsamen Übernahme habe die Gruppe laut Bundesanwaltschaft beabsichtigt, diese Gebiete militärisch zu kontrollieren und ein Gemeinwesen zu errichten, das sich am Nationalsozialismus orientiert.
Dabei sollen sie geplant haben, bestimmte Bevölkerungsgruppen – darunter jüdische und zugewanderte Menschen – zu „entfernen“, auch ethnische Säuberungen wurden in Betracht gezogen.
Paramilitärische Trainings und Schießübungen im Ausland
Zur Vorbereitung auf dieses Vorhaben sollen die Männer paramilitärische Trainings durchgeführt haben: Gewaltmärsche, Nachtübungen, Häuserkampf. Stattgefunden haben diese auf einem verlassenen Militärflughafen sowie in einem Waldgebiet nahe Brandis.
Ein Teil der Gruppe wich zudem für Schießübungen offenbar ins Ausland aus. Nach Erkenntnissen der Ermittler fand ein Schießtraining in Tschechien statt, mindestens ein weiteres soll in Polen geplant gewesen sein.
Bei Durchsuchungen waren umfangreiche Ausrüstungsgegenstände sichergestellt worden, darunter Tarnkleidung, Gefechtshelme, Gasmasken und Schutzwesten. Auch Hunderte Silbermünzen sowie zwei Goldbarren wurden gefunden.
Verbindungen in die AfD
Einer der Verdächtigen ist der frühere AfD-Politiker Kurt Hättasch aus Grimma. Er war Schatzmeister der „Jungen Alternative Sachsen“ und saß für die AfD im Stadtrat Grimma. Nach MDR-Recherchen diente Hättasch zuvor als Soldat bei der Bundeswehr, wurde jedoch aus dem Dienst entfernt, nachdem er die Existenzberechtigung der Bundesrepublik geleugnet haben soll.
Bei seiner Festnahme war es zu Schüssen gekommen. Hättasch soll sich dabei mit einer Waffe verschanzt haben. Er erlitt eine Schussverletzung am Kiefer und wurde ins Krankenhaus gebracht. Da er dabei wohl auf Polizeibeamte gezielt haben soll, klagt die Bundesanwaltschaft den ehemaligen AfD-Politiker nun auch wegen versuchten Mordes an.
Neben Hättasch weisen mindestens zwei weitere Beschuldigte Verbindungen zur AfD auf: Kevin R. und Hans-Georg P. waren ebenfalls Mitglieder des AfD-Kreisverbands Leipziger Land. Nach Bekanntwerden der Vorwürfe schloss die AfD alle drei Männer aus der Partei aus.
Militärische Ausrüstung beim Anführer
Ein weiterer Beschuldigter war ebenfalls Mitglied der Bundeswehr. Nach MDR-Recherchen wurde Karl K. jedoch bereits nach dreieinhalb Monaten aus dem Dienst entlassen. Er soll Gegenstände mit NSDAP-Bezug an Kameraden verkauft und ein Tattoo mit einer sogenannten „Schwarzen Sonne“ getragen haben – einem in der rechtsextremen Szene verbreiteten Symbol, das sich aus drei übereinanderliegenden Hakenkreuzen zusammensetzt.
Als mutmaßlicher Anführer der Gruppe gilt Jörg S. Laut MDR-Recherchen soll er unter anderem einen Schalldämpfer aus Polen gekauft und anschließend nach Österreich weiterverkauft haben. Zudem fiel er durch den Handel mit schusssicheren Westen auf – sogenannten militärischen Plattenträgern, deren Wert die Ermittler auf rund 50.000 Euro schätzen.
Ob das Geschäft abgeschlossen wurde, ob S. seine Aktivitäten diesbezüglich womöglich sogar noch ausgeweitet hat, all das ist derzeit unklar. Denn S. soll in Polen ein Lager für Schalldämpfer und Magazine für Maschinengewehre geplant haben.
Die Behörden schließen nicht aus aus, dass S. Zugang zu scharfen Waffen gehabt haben könnte: So hatte ein Mitbeschuldigter berichtet, S. habe behauptet, er könne 100 Magazine für Maschinengewehre über eine polnische Quelle ankaufen. Für die Behörden ein Hinweis darauf, dass S. möglicherweise einen Vorrat für einen „Ernstfall“ anlegen wollte.
Nationalsozialismus als „Lebenseinstellung“
Was mögliche Waffenlager betrifft, so ist die Lage bislang unklar. Eine Durchsuchung nahe Brandis bei Leipzig war ohne Ergebnis geblieben. In einem Lager in Österreich, das der Gruppe zugerechnet wird, fanden die Behörden jedoch rund 30 Kilogramm Munition.
Nach den bisherigen Ermittlungen sollte der Handel mit NS-Devotionalien und Militärausrüstung auch der Finanzierung der Aktivitäten der „Sächsischen Separatisten“ dienen. Jörg S. tauschte sich in verschiedenen Chatgruppen über Waffen, Ausrüstung und rechtsextreme Schriften aus. Dabei soll er den Nationalsozialismus als seine „Lebenseinstellung“ bezeichnet haben.
Jörg S. ist der Sohn eines bekannten österreichischen Neonazis. Wie Recherchen von Spiegel, Standard und MDR zeigen, pflegte er auch darüber hinaus gemeinsam mit seinem Bruder Jörn S. Verbindungen zur rechtsextremen Szene in Österreich.
Weltbild geprägt von rassistischer Ideologie
Auf die Gruppe aufmerksam wurden deutsche Sicherheitsbehörden durch die Überwachung von Chat-Gruppen und Kanälen im Messenger-Dienst Telegram. Nach Recherchen von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung kam zudem ein Hinweis vom US-amerikanischen FBI.
Nach bisherigen Erkenntnissen sollen der Gruppe insgesamt 15 bis 20 Personen angehört haben. Ihr Weltbild war laut Bundesanwaltschaft geprägt von rassistischer, antisemitischer und apokalyptischer Ideologie.
Neben dem Vorwurf des versuchten Mordes gegen Hättasch erhebt der Generalbundesanwalt gegen die acht Beschuldigten nun Anklage wegen der Bildung einer terroristischen Vereinigung sowie wegen der Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens.
Über die Zulassung der Anklage muss nun das Oberlandesgericht Dresden entscheiden. Der dortige Staatsschutzsenat ist mit Verfahren dieser Größenordnung vertraut: Neben mehreren Verfahren aus dem linksextremen Spektrum rund um Lina E. wird dort derzeit auch der Spionageprozess gegen einen ehemaligen Mitarbeiter des AfD-Bundestagsabgeordneten Maximilian Krah verhandelt.