Wenn im Club das Putzlicht angeht, ist das stets so etwas wie der Nosferatu-Moment jeder Party. Gerade noch im Halbdunkel im Rhythmus versunken, suchen Tanzende angesichts dieser betont grellen Beleuchtung meist schnell das Weite, bevor der nun taghelle Dancefloor alsbald einer morgendlichen Reinigung unterzogen wird. Anders gesagt: Mehr unmissverständliches Aufbruchssignal geht eigentlich nicht.
Und doch sah das im Rahmen der famosen House-Reihe „Flokati“ im kleineren Grünen Raum des Ultraschall im Kunstpark Ost von 1998 an für einige Jahre auch gerne mal ganz anders aus. Tobi Neumann, der damals mit Anfang 30 als spät berufener DJ und Flokati-Initiator dafür sorgte, dass an einem Freitag im Monat erstmals auch eher rare House Music von internationalen DJs im Münchner Techno-Tempel Ultraschall aufgelegt wurde, erinnert sich im online abrufbaren Decisive Podcast etwa an schier endlose „Putzlicht-Partys“.
Partys also, bei denen gegen Ende eine derartige Euphorie den Grünen Raum flutete, dass sich die DJs und allerlei ausdauernd Tanzende weder vom grellen Putzlicht noch vom anrückenden Putzpersonal beeindrucken ließen. Also wurde dann eben einfach parallel und in schöner Einträchtigkeit getanzt und geputzt. Und irgendwann ging auch das signalhafte Putzlicht wieder aus. Und wieder an. Und wieder aus. Und so weiter und so fort.
Für den heute 60-jährigen Münchner Neumann war es eine Zeit, die ebenfalls im Zeichen des Aufbruchs stand, wenngleich natürlich in einer anderen Form davon. Gerade mal zwei Jahre zuvor hatte er seinen Freelancer-Job als Toningenieur für TV-Formate wie die Sportsendung „ran“ an den Nagel gehängt – und einen finanziell lukrativen Lauf, den er zusammen mit seinem Spezl Peter Horn von den Bananafishbones als fleißiger Schaffer von Musik und Jingles für Film, Fernsehen und Werbung hinlegte, für einen Neuanfang genutzt.
Schwer angefixt von einem Besuch der Love-Parade und einem Techno-Trip nach Ibiza, wollte er seine Kreativität lieber ins Auflegen und in die Produktion von Bands und eigenen Tracks in seinem stetig wachsenden Studio stecken, als Visuelles zu untermalen oder tontechnisch zu bedienen. Et voilà, die Rechnung ging gleich mehrfach auf. Etwa als Resident-DJ der Muffathalle. Als Miterfinder und DJ der besagten Flokati-Reihe, die er dem damaligen Ultraschall-Betreiber Peter Wacha aka Upstart erfolgreich unterjubelte. Oder auch als Produzent und Gitarrist des wunderbar durchgeknallten internationalen Münchner Performance- und Electropunk-Kollektivs Chicks On Speed, samt Charterfolg mit dem New-Wave-Cover „Kaltes klares Wasser“.
Tobi Neumann hat ein Faible für Siebenstundensets
Sein richtiger Durchbruch sollte dennoch erst noch kommen. Als er zur Jahrtausendwende zu den Glücklichen zählte, die mit dem deutschen DJ-Gottvater Sven „Papa“ Väth auf einem Boot vor Thailand Silvester feiern durften, und den Meister und dessen engste Entourage dabei mit einem DJ-Set überzeugte, gehörte er bald zum erlesenen Kreis von Väths Cocoon-Label. Es folgte ein Umzug nach Berlin – und ein Nullerjahre-Hype, der ihn als DJ sowohl in die angesagtesten Clubs der Frankfurter Szene um Väth als auch auf Riesensausen in aller Welt wie die Love-Parade oder das Sonar Festival in Barcelona führte.
Abgehoben ist der multitalentierte Münchner mit dem Faible für Siebenstundensets und dem besonderen Gespür für die Vibes der Tanzfläche dabei dennoch nie. Er hat sich als Technik-Freak vor dem Herrn mit seinem vor raren bis modularen Synthies und Drumcomputern nur so berstenden Apollo-Studio in Berlin einen Ort geschaffen, an dem er bis heute seinen musikalischen Leidenschaften unabhängig nachgehen kann – und sich dabei vom Auflegen vermehrt aufs Produzieren, Remixen und auch auf die Weitergabe seines Wissens verlegt.
Mal greift er einer Indieband wie den australischen Wahlberlinern Parcels tontechnisch unter die Arme. Mal tut er sich für neue Tracks mit jungen Elektronikern wie dem Duo Fjaak vom tollen Berliner Techno-Kollektiv Spandau20 zusammen. Mal gibt er Schulungen oder vergibt begehrte Studio-Praktika. Als (Vinyl-)DJ ist er trotzdem immer noch sehr gerne unterwegs, nicht zuletzt in München, wo er zum einen als ewiger House-Meister, zum anderen aber auch als Vater und Großvater stets freudig erwartet wird.
Tobi Neumann, Samstag, 13. September, Blitz Club, Museumsinsel 1