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Michel M. zeigt im Museum Wilhelm Morgner etwa 70 Zeichnungen. Seine persönliche Ausstellung überrascht mit Motiven, die mal skurril, mal schräg, provokant oder auch verstörend sind.

Soest – „Unbestimmtes wahrheiten“. Der Titel der Ausstellung, die am Samstag, 13. September, im Museum Wilhelm Morgner eröffnet wird, ist einer, den man zweimal lesen muss, denn in diesem Fall wird „wahrheiten“ als Verb und nicht als Substativ genutzt. Um den ehrlichen Blick hinter die Fassaden also geht es dem Soester Künstler Michel M., dessen knapp 70 Zeichnungen aus 40 Jahren von 1984 bis 2025 Schaffenszeit bis zum 16. November zu sehen sind.

Schräg, verstörend, persönlich: Michel M. stellt 70 Zeichnungen im Museum Wilhelm Morgner aus

Dass es eine sehr persönliche Ausstellung wird, hört man gleich heraus: „Ich mach‘ mich nackig“, sagt Michel M. über seine Arbeiten, die ausnahmslos Zeichnungen im DIN-A4-Format sind, die er mit Graphit in allen Stärken und Tönen kreiert hat. Weil er Grautöne liebt und Linien von zart bis fett. Und das, was er „zwischen den Zeilen“, die durch das Schwarz-Weiß besonderen Tiefgang erhalten, vermitteln kann. Die Motive laden ein hinzuschauen, weil sie skurril sind, schräg, schonungslos offen, bisweilen verstörend und provokativ. Seine Arbeiten haben surreale Anklänge, seien aber eher der fantastischen Kunst, einer Art „fantastischem Realismus“ zuzuordnen, versucht Museumsleiter Michael Stockhausen eine Einordnung.

Der Soester Künstler Michel M. (rechts) stellt mit „Unbestimmtes wahrheiten …“ im Museum Wilhelm Morgner aus. Mit ihm in den Vorbereitungen waren Museumsleiter Michael Stockhausen (Mitte) und Kulturdezernent Peter Wapelhorst. Der Soester Künstler Michel M. (rechts) stellt mit „Unbestimmtes wahrheiten …“ im Museum Wilhelm Morgner aus. Mit ihm in den Vorbereitungen waren Museumsleiter Michael Stockhausen (Mitte) und Kulturdezernent Peter Wapelhorst. © Peter Dahm

Zu „lesen“ sind sie dafür nicht immer leicht, dafür braucht es den zweiten Blick. Wenn man das Motiv vor seinem geistigen Auge dreht oder weiterdenkt, ergibt sich so manches Mal eine neue Perspektive, ein noch unentdecktes Motiv. „Schlaf Vernunft!“, heißt das Titelbild. Es zeigt einen ruhenden Kopf auf einer Ebene, aus dem heraus sich filigrane Linien zu Konturen mehrerer Gesichter formen. Das Motiv assoziiert das Träumen, den leeren Kopf, der im Schlaf seinen Verstand abzugeben scheint, das Gehirn aber unkontrolliert auf Hochtouren weiterlaufen lässt. Mit dem Träumen verweist Michel M. auf den Versuch, Dinge zu verallgemeinern und Prozesse zu vergleichen.

Auf der Suche nach dem Ursprünglichen

In „Scheidenweg-Bescheidung“, „Freundekegeln“ oder „TOT Geburt“ sind es skelettartige Figuren, die schemenhaft in skizzierter Darstellung Lebewesen zeigen, die Böses tun oder erfahren. Der Blick fällt auf Genitalien, gruselige, verzerrte Gesichter und Horrorwesen, die ein Tier reißen. Aus ihnen heraus entwickeln sich weitere Figuren und Linienführungen. Sie lassen das Motiv wachsen, gehen über den Bildrand hinaus oder lassen ihn leer zurück. Mit einer Idee im Kopf lässt Michel M. seinen Gedanken freien Lauf, schaltet er, wie er sagt, die Kontrolle aus. Das erklärt auch, warum er seine Serie „Automatische Zeichnungen“ genannt hat. Dabei finden intime Dinge, Gedanken aufs Blatt, „die immer auf der Suche nach Erkenntnis, dem Ursprünglichen sind“, bringt Museumsleiter Michael Stockhausen das „wahrheiten“ auf den Punkt.

Gerne hätte Michel M., der ein Atelier bei der Echtoper Ateliergemeinschaft Graf Yorck hat, 300 Arbeiten gezeigt, doch musste eine sorgfältige Auswahl getroffen werden. Gewählt hat er Arbeiten, die in all ihrer zeichnerischen Wirkung auch mal schwerer zugänglich sind.

Arbeiten sollen das Publikum mitnehmen – „Kunst ist Kommunikation“

Um diese durchaus gesellschaftspolitisch assoziierten Zeitdokumente verstehen zu können, müsse man „eben manchmal die Zeichnungen so lange betrachten, wie ich gezeichnet habe“, schmunzelt Michel M., der sich gerne von Zeichnern wie Horst Janssen inspirieren lässt. Von Picasso halte er wenig, von Hans Kaiser hingegen schon. Da hängen seine Arbeiten im Hans Kaiser-Saal genau richtig. Er möchte das Publikum mitnehmen und es erreichen, „etwas ehrlich verhandeln und nicht verstecken. Kunst ist Kommunikation“. Dass es ihm dabei immer um die Sache und nicht die Person geht, sei letztendlich auch der Grund gewesen, seinen Namen zu anonymisieren. Nicht zuletzt setzt sich der ausstellungsaktive und engagierte Künstler im Berufsverband Bildender Künstler stark für seine Berufsgruppe ein.

Familientag und Künstlergespräch

Die Ausstellung „Unbestimmtes wahrheiten“ des Künstlers Michel M. wird am Samstag, 13. September, um 17 Uhr im Museum Wilhelm Morgner eröffnet. Zur Vernissage werden Vize-Bürgermeisterin Christiane Mackensen, Wolfgang Türk, Kulturamtsleiter aus Warendorf, und Michael Stockhausen, Leiter der Soester Museen, einführende Worte sprechen. Das Begleitprogramm umfasst ein Künstlergespräch unter dem Titel „Schlaf Vernunft!“ mit Michel M. um 19 Uhr im Museum sowie einen Museumsrundgang mit Dr. Martina Padberg, Direktorin des Kunstmuseums Ahlen, am Dienstag, 14. Oktober, 18 Uhr. Der Sonntag, 2. November, ist dem Familientag vorbehalten, an dem von 11 bis 17 Uhr im Museum mit Bleistift und Farben gewerkelt werden darf. Zur Ausstellung erscheint ein Katalog.

 In einer Ausstellung im Museum Wilhelm Morgner können Besucher außerdem die ausgewählten Werke des renommierten Morgner-Preises bewundern – und die könnten kaum verschiedener sein.