Vom kommenden Fahrplanwechsel am 14. Dezember an wird ein ICE von Stuttgart aus einen ganz neuen Weg nach Berlin nehmen – und die bisherige Fahrzeit um mehr als eine Stunde unterbieten. Statt wie bisher in etwa 5 Stunden und 45 Minuten über Frankfurt zu fahren, nimmt der neue Zug erstmals die direktere Route über Nürnberg und spart so eine Stunde.

Als so genannter ICE-Sprinter fährt er nonstop über die Murrbahn Richtung Backnang und Crailsheim und hält auf dem Weg nur einmal in Nürnberg. Erstmals darüber berichtet haben die Bahnzeitschriften „Eisenbahn-Magazin“ und „Drehscheibe“. Von der Deutschen Bahn gibt es bisher keine offizielle Bestätigung. Sie verweist auf geplante Mitteilungen zum neuen Fahrplan Ende September.

Tagesfahrt hin- und zurück nach Berlin möglich

Nach Informationen unserer Redaktion ist der Fahrplan des ICE-Zugpaares so gelegt, dass eine Tagesfahrt nach Berlin hin- und zurück möglich ist. Abfahrt in Stuttgart soll demnach um 7.03 Uhr sein, die Ankunft in Berlin Hauptbahnhof ist 11.46 Uhr. Seinen einzigen Zwischenhalt in Nürnberg soll der Zug um 8.57 Uhr erreichen. Damit wäre man auch dorthin von Stuttgart aus um fast eine Viertelstunde schneller als bisher mit dem IC über Aalen. Den Rückweg mit dem Sprinter kann man nach den bisher unbestätigten Angaben in Berlin um 16.12 Uhr antreten und ist um 20.57 Uhr in Stuttgart. Die Fahrzeit von Nürnberg aus in die Landeshauptstadt beträgt hier eine Stunde und 55 Minuten.

Bisher bietet die Bahn trotz des Potenzials dieser direkten Route nach Berlin über Nürnberg lediglich Verbindungen mit langer Umsteigezeit an. Mit wenigen Ausnahmen wartet man in Nürnberg rund eine Dreiviertelstunde. Dennoch sind schon aktuell diese Umsteigeverbindungen gleich schnell wie der Direkt-ICE über Frankfurt.

Warum fährt die Bahn nicht öfter auf der schnellen Route?

Dass es bisher keine direkten Berlin-Züge über die Murrbahn gab und es zunächst wohl bei einem Sprinter-ICE bleiben wird, hat zwei Gründe.

Der erste wird jetzt für Nahverkehrsnutzer von Stuttgart nach Nürnberg sofort spürbar sein. Der Nonstop-ICE muss nämlich in jeder Fahrtrichtung den direkten Regionalexpress RE90 Stuttgart-Nürnberg überholen, und zwar auf dem eingleisigen Abschnitt zwischen Backnang und Schwäbisch Hall-Hessental, dem größten Engpass der Strecke. Dies sorgt bei diesem Zug für einen Zwangsaufenthalt von vermutlich rund zehn Minuten, der ihn aus dem normalen Fahrplantakt wirft. Für mehr ICE fehlt also Kapazität.

Von Stuttgart aus ist man mit der neuen Verbindung in unter fünf Stunden in Berlin am Hauptbahnhof. Foto: IMAGO/Ardan Fuessmann

Zweitens ist das Fahrgastpotenzial auf der Route über Nürnberg geringer. Die aktuelle ICE-Verbindung über Mannheim und Frankfurt erschließt Gebiete mit viel mehr Bevölkerung. Der bisherige Intercity Karlsruhe-Nürnberg ist eher gering ausgelastet.

Neue ICE-Verbindung nimmt Konkurrent Flixtrain ins Visier

Die längere Route über Frankfurt wird auch vom Bahnkonkurrenten Flixtrain genutzt. Der neue, schnelle ICE hat wohl nicht zufällig sehr ähnliche Abfahrtszeiten wie eine der drei täglichen Flixtrain-Verbindungen.

Der DB-Konkurrent verlässt Stuttgart um 7.17 Uhr, also nur 14 Minuten später als der künftige ICE. Abfahrt des Flixtrain in Berliner ist um 15.28 Uhr, 44 Minuten früher als der künftige ICE-Sprinter, der trotzdem schneller in Stuttgart ist.

Bisher ist Flixtrain nur zehn bis 15 Minuten langsamer als die direkten ICE über Frankfurt – bei deutlich niedrigeren Fahrpreisen. Ein Beispiel: Eine Woche im voraus kostet ein für den morgendlichen Zug gebuchtes Ticket nach Berlin nur ein Fünftel des von der Deutschen Bahn angebotenen Super-Sparpreises mit Zugbindung.

Mit Tempo 300 durch den Thüringer Wald

Mit dem direkten Sprinter liefert die DB das Argument einer deutlich kürzeren Fahrzeit. Wie viel die Direktverbindung kosten wird, ist unklar. Sie dürfte aber im Durchschnitt teurer sein als der bisherige Weg über Frankfurt.

Ebenfalls unbekannt ist, welcher Zugtyp eingesetzt wird. Das für die knapp kalkulierte Fahrzeit notwendige Tempo 300 auf der Schnellstrecke durch den Thüringer Wald nördlich Nürnberg bis südlich von Erfurt, kann beispielsweise der noch recht neue ICE des Typs 408 erreichen. 

Deutschen Bahn setzt auf Rennstrecken

Das neue Angebot folgt dabei einer auch bei anderen Verbindungen nach dem Fahrplanwechsel sichtbar werdenden Strategie: Die wirtschaftlich im Fernverkehr stark unter Druck stehende DB setzt verstärkt auf Hauptachsen und Rennstrecken mit ICE-Sprintern, die wenig halten und kurze Fahrzeiten bieten. Hier kann sie rentablere Preise verlangen. An der Peripherie wird das Angebot hingegen ausgedünnt. In Baden-Württemberg gibt es Hinweise für einzelne betroffene Züge, wie einen Wegfall des IC nach Tübingen oder einen gestrichenen Railjet-Direktzug Stuttgart-Friedrichshafen Arlberg.

Der jetzt eingeführte ICE hat sogar einen historischen Aspekt: Bis vor der deutschen Teilung führen die Züge von Stuttgart nach Berlin nicht über Frankfurt, sondern über Würzburg oder Nürnberg. Jahrzehnte nach der Wiedervereinigung wird diese Relation nun ein Stück weit wiederbelebt.