In der Nacht auf Mittwoch waren während eines massiven russischen Angriffs auf die Ukraine mehrere Drohnen in den polnischen Luftraum eingedrungen und abgeschossen worden. Nicht nur die Bundesregierung hat dies auf das Schärfste verurteilt (mehr dazu in unseren Nachrichten des Tages und in unseren Leseempfehlungen). Wie bewertet die Presse den Drohnen-Vorfall? Wir haben einen Blick in die Meinungsspalten geworfen.
Ukraine-Update
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So schreibt die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“: „Welchen Zweck aber verfolgt der Kreml mit dieser Provokation? Sie war und ist ein doppelter Test der Nato: ihrer politischen Geschlossenheit und ihrer Fähigkeit zur Verteidigung des Bündnisgebiets. Die militärische Prüfung hat die Nato ganz gut bestanden.“
Die „Magdeburger Volksstimme“ kommentiert: „Moskau hat den Westen seit Beginn seines Überfalls 2022 mit immer wiederkehrenden Luftraumverletzungen des Nato-Gebiets getestet. Polen sendet nun ein überfälliges Stopp-Signal. Die rote Linie des Westens ist die Nato-Grenze – und das Bündnis steht.“
Bei der „Welt“ heißt es: „Was jetzt folgen muss? Die Europäer sollten sich nach den Solidaritätsaussprüchen endlich einen Werkzeugkasten gegen äußere Feinde zulegen und nicht davor zurückschrecken, ihn einzusetzen. Das Folterwerkzeug müsste bald schon auf den Tisch gelegt werden. Andernfalls ist damit zu rechnen, dass Russland Europa nicht nur wie bislang provozieren oder austesten, sondern immer weiter eskalieren wird – was soll nach dem Drohnenangriff auf das Nato-Mitglied Polen folgen?“
Der „Stern“ kommentiert: „Polens Premier Tusk aktiviert nach dem Abschuss russischer Drohnen Artikel 4 des Nato-Vertrags. Für das Verteidigungsbündnis gilt jetzt: Ruhe bewahren und eine klare Antwort geben.“
Und bei der „Neue Zürcher Zeitung“ heißt es: „Der Einsatz von russischen Drohnen im polnischen Luftraum war keinesfalls ein Versehen. Moskau will zeigen, dass die Nato zu einer entschlossenen Reaktion unfähig ist. Nun sollte die Allianz das Gegenteil beweisen.“
Die wichtigsten Nachrichten des Tages:
- Mehrere aus Russland stammende Flugobjekte sind in den polnischen Luftraum eingedrungen. Die Europäische Union identifizierte sie als Drohnen vom iranischen Typ Shahed. Nato-Chef Mark Rutte richtet eine Warnung an Kremlchef Wladimir Putin. Alles Wichtige dazu hier.
- Das russische Verteidigungsministerium erklärt, es habe nicht geplant, Ziele in Polen zu treffen. Es habe einen erfolgreichen Großangriff mit Drohnen auf militärische Einrichtungen in der Westukraine gegeben, so das Ministerium. Weitere Reaktionen und Nachrichten in unserem Newsblog.
- Bundeskanzler Friedrich Merz etwa wirft Russland angesichts der Verletzung des polnischen Luftraums „rücksichtsloses Vorgehen“ vor. Dieses reihe sich ein in eine lange Kette von Provokationen im Ostseeraum und an der Ostflanke der Nato, teilt Regierungssprecher Stefan Kornelius mit.
- Das russische Präsidialamt lehnt eine Stellungnahme zu dem Einflug der Drohnen ab. Dies sei eine Angelegenheit des Verteidigungsministeriums, erklärt der Kreml.
- Beim Vorgehen gegen die russischen Drohnen im polnischen Luftraum hat nach Angaben der Nato auch die Luftabwehr des Verteidigungsbündnisses geholfen. Es sei das erste Mal gewesen, dass Nato-Flugzeuge „potenzielle Bedrohungen im Luftraum eines Verbündeten angegriffen haben“, erklärte ein Nato-Sprecher.
- Belarus hat in der Nacht nach eigenen Angaben mehrere Drohnen abgeschossen, die durch elektronische Störmaßnahmen vom Kurs abgekommen seien. Dies teilt der belarussische Generalstabschef Generalmajor Pawel Murawejko in einer Erklärung auf Englisch mit. Um wessen Drohnen es sich handelte, lässt er offen.
- Der Rubel ist nach dem Abschuss mutmaßlicher russischer Drohnen über Polen unter Druck geraten. Die russische Landeswährung fiel am Mittwoch auf den tiefsten Stand zum Dollar seit fünf Monaten und durchbrach dabei zeitweise die Marke von 85 Rubel. Der Rubel schwächte sich um 1,6 Prozent auf 84,00 zum Dollar ab.
- Bei der Finanzierung der Militärhilfe für die Ukraine hat Deutschland nach Angaben von Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) den bisherigen Hauptgeber USA abgelöst. Deutschland sei „jetzt der größte Unterstützer, mit den Beträgen, die wir im Haushalt abgebildet haben, ungefähr neun Milliarden Euro“, sagte Pistorius im Bundestag.
- EU-Kommissionspräsidenten Ursula von der Leyen hat eine Allianz mit der Ukraine zur Produktion von Drohnen angekündigt. Für das Projekt werde Europa sechs Milliarden Euro bereitstellen, sagte sie in einer Rede vor dem EU-Parlament. Das Geld solle aus einem Darlehen kommen, das über Zinserträge aus der Verwahrung von eingefrorenen russischen Vermögen zurückgezahlt wird.
- Japan hat beschlossen, alle sechs Filialen des Japanischen Zentrums für Handels- und Wirtschaftsbeziehungen in Russland zu schließen, teilte Kabinettssekretär Yoshimasa Hayashi mit. Wie die japanische Zeitung „47NEWS„ berichtet, befanden sich die Zentren in Moskau, Sankt Petersburg, Nischni Nowgorod, Chabarowsk, Wladiwostok und auf Sachalin.
- Russland hat nach ukrainischen Angaben in der Nacht zum Mittwoch mehr als 400 Drohnen und Raketen auf die Ukraine abgefeuert und dabei mindestens einen Menschen getötet. Wie die ukrainische Luftwaffe am Morgen mitteilte, griffen die russischen Streitkräfte die Ukraine mit 415 Drohnen und 43 Raketen an.
- US-Präsident Donald Trump will nach eigenen Angaben noch in dieser oder Anfang nächster Woche mit seinem russischen Amtskollegen Wladimir Putin telefonieren. Nähere Angaben machte er dazu nicht. Der Kreml hat das Telefonat noch nicht bestätigt.
Hintergrund und Analyse Putin schickt Drohnen in EU-Luftraum „Alles deutet darauf hin, dass Russland die Nato-Luftverteidigung testet“ Russland schickt Drohnen nach Polen Putin hat keinen Grund, die europäischen Nato-Staaten zu fürchten Reaktion auf Bedrohung durch Moskau Polen beantragt Artikel 4 des Nato-Vertrags – was bedeutet dieser Schritt?