Sie ist – neben der Gesamtschule Berger Feld und der Gesamtschule Erle – mit derzeit genau 1543 Schülerinnen und Schülern eine der größten weiterführenden Schulen der Stadt: die Gesamtschule Horst. Trotz ihrer Größe ist sie eine „Stadtteilschule“, wie sie ganz bewusst von Schulleiterin Jessica Joeck und ihrer Stellvertreterin Swantje Schweppe genannt wird. Das Gros ihrer Schülerschaft komme schließlich aus dem Stadtteil, der Nachbarschaft, dem Quartier rund um den Schulstandort an der Devensstraße, sagen sie. Vor nicht allzu langer Zeit sorgte eine städtische Bestandsaufnahme für einigen Wirbel: Hohe Zuwanderung, viel Armut, schlechte Chancen für Kinder war das Ergebnis und bescheinigte Horst nicht nur schlechte Zahlen, sondern vermittelte gleichsam auch ein schlechtes Bild über diesen Stadtteil im Westen Gelsenkirchens. Im Gespräch mit der WAZ allerdings räumen Jessica Joeck und Swantje Schweppe nun damit auf.
Gesamtschule Horst in Gelsenkirchen: Starke Vernetzung mit den Akteuren vor Ort
„Horst ist ein ganz toller Stadtteil“, sagt etwa Swantje Schweppe, die seit 20 Jahren unweit von Schloss Horst lehrt und arbeitet. Sie kennt ihre Schule, ihre Schülerinnen und Schüler, die Eltern, die Familien. Schweppe berichtet von engen Beziehungen zu den Akteuren vor Ort, von einer starken Vernetzung mit der lokalen Handwerkerschaft und von den regelmäßigen Begegnungen mit „vielen engagierten Menschen.“ Jessica Joeck, seit knapp einem Jahr Schulleiterin, erwähnt in diesem Zusammenhang das gute Miteinander, vor allem an ihrer Schule, aber auch im Stadtteil selbst.
Jessica Joeck, Schulleiterin der Gesamtschule Horst: „An unserer Schule und im Stadtteil selbst haben wir ein gutes Miteinander.“
© FUNKE Foto Services | Sebastian Sternemann
Beide betonen, wie gut das Arbeiten an ihrer Schule und innerhalb der Schulgemeinschaft funktioniere – und machen es an folgendem, konkreten Beispiel fest: dass sie es schaffen, die Kolleginnen und Kollegen an ihrem Standort zu halten. Swantje Schweppe berichtet von drei Sonderpädagoginnen und -pädagogen, die von einer anderen Schule an die Gesamtschule Horst abgeordnet wurden und nach dieser Zeit geblieben sind, obwohl sie wieder zu ihrer ehemaligen Schule hätten zurückkehren können.
Start-Chancen-Schule und Zukunfstwerkstatt
Die Gesamtschule Horst ist ab dem kommenden Schuljahr Teil des millionenschweren, bundesweiten Start-Chancen-Programms. Sie erhält somit finanzielle Förderung, um Bildungsungleichheiten abzubauen und Zukunft zu gestalten.
Die Grundsteine für eine neue Ära in der Schulentwicklung an der Gesamtschule Horst sind aber nicht nur das Start-Chancen-Programm, sondern auch eine im März 2025 durchgeführte „Zukunftswerkstatt“, zu der sich über 170 Lehrkräfte, Kräfte aus der Schulsozialarbeit und den multiprofessionellen Teams, Schülervertreterinnen und Schülervertreter und Eltern zusammengefunden hatten. Die dort entwickelte Vision: Die Schule soll zu einem „grünen MINT-Lern- und Lebensort für den gesamten Stadtteil Horst werden“. Das Motto, das über allem steht: „Gemeinsam stark handeln – Talente entfalten, Zukunft gestalten“.
Zum Hintergrund: In der Bezirksvertretung West wurde im September 2023 eben jene 18-seitige Bestandsaufnahme vorgestellt. Die wichtigste Schlussfolgerung des Papiers: Dass mehr getan werden müsse, um den Zusammenhalt zwischen Alteingesessenen und Neu-Zugezogenen mit und ohne Zuwanderungsgeschichte zu stärken. Insgesamt lebten (zum Stichtag 31. Dezember 2020) in Horst mehr Menschen mit einem Migrationshintergrund als in der Gesamtstadt (35,7 Prozent). In Horst-Nord waren es 39 Prozent (Rang 13), in Horst-West 37,6 Prozent (Rang 14) und in Horst-Süd 36,2 Prozent (Rang 17).
Horst-West verzeichnete zum Stichtag die zweithöchste (2,4 Prozent) und Horst-Nord die sechsthöchste (2 Prozent) direkte Zuwanderung aus dem Ausland (Gesamtstadt: 1,2 Prozent). Die neu Hinzugezogenen blieben oft weniger als drei Jahre. Laut Stadt kann diese höhere Fluktuation insgesamt auf instabilere Nachbarschaften und einen höheren Integrationsbedarf hinweisen. Sprich: Die Nachbarschaft muss sich immer wieder neu orientieren; einen Zusammenhalt auszubilden, fällt schwer.
Nach alarmierender Bestandsaufnahme hat sich in Horst einiges getan
Die Kinder in Horst-Nord und -West sind statistisch betrachtet gegenüber Mädchen und Jungen im Stadtdurchschnitt (16,6 Prozent) benachteiligt: In Horst-West hatten 2019 insgesamt 20 Prozent (Rang 9) schwierigere Ausgangsvoraussetzungen für die Entwicklung elementarer Kompetenzen (Horst-Nord: 18,1 Prozent, Rang 13). Und die Übergewichtsquote von Vorschulkindern in Horst-West lag 2019 mit 16,9 Prozent (Rang 2) und in Horst-Süd mit 14,6 Prozent (Rang 11) über dem gesamtstädtischen Mittel von 12,3 Prozent.
Swantje Schweppe, stellvertretende Schulleiterin an der Gesamtschule Horst: „Wir müssen irgendwie improvisieren, die Kollegen sind da sehr kreativ.“
© Gesamtschule Horst
Mittlerweile hat sich einiges getan, sind drei wichtige, große Projekte auf den Weg gebracht worden. Das sogenannte Quartiersmanagement (verantwortet vom Diakoniewerk Gelsenkirchen/Wattenscheid), das Citymanagement (getragen von der Stadt und dem Verein „Zukunft Horst“) und die „Prima.Klima.Ruhrmetropole“, die beispielsweise für Fassadenbegrünungen und insgesamt eine Attraktivitätssteigerung im Quartier sorgen soll.
Eingebettet in diese Gegebenheiten arbeiten 174 Lehrer und pädagogisches Fachpersonal an der Gesamtschule Horst. Für das gerade erst begonnene Schuljahr 2025/26 hatten sich 230 Kinder für die fünften Klassen angemeldet – genommen wurden am Ende 196, verteilt auf sieben (!) Klassen. Die Zahl der Schülerinnen und Schüler pro Klasse liegt nun bei 28 (eventuelle Nachzügler noch nicht hinzugezählt). Die Klassengröße ist eigentlich gedeckelt auf 27, weil die Gesamtschule Horst als „Schule des gemeinsamen Lernens“ ausgewiesen ist. Demnach können und sollen dort Kinder mit und ohne sonderpädagogischen Förderbedarf unterrichtet werden.
Zu viele Kinder auf zu kleinen Räumen – das sorgt im Schulalltag für Konflikte
Jessica Joeck und Swantje Schweppe heben besonders das „große Engagement“ des Kollegiums hervor, das mittlerweile durch Inklusion und Integration viel mehr gefordert sei, als noch vor einigen Jahren. „Wir müssen irgendwie improvisieren, die Kollegen sind da sehr kreativ“, so Schweppe. Doch sie stoßen auch an Grenzen, etwa was die räumliche Situation betrifft. Die Klassenräume seien gar nicht ausgelegt auf moderne Lernformen, sie sind zu klein („Das birgt Konflikte“), zudem fehle eine weitere Sporthalle und eine weitere Lehrküche, sagen die beiden. Der zehnte Jahrgang wird schon seit geraumer Zeit in modernen Containern unterrichtet, die gut ausgestattet und als Container-Lösung kaum zu erkennen sind.
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Worauf Joeck und Schweppe hoffen, ist, dass endlich ein Versprechen von Politik und Verwaltung eingelöst wird: nämlich, dass weitere Container aufgestellt werden, wenn der fünfte Jahrgang von sechs auf sieben Klassen erhöht wird. Das war vor drei Jahren – die Container aber stehen noch immer nicht.