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Der Schwenk auf Kriegswirtschaft hatte Russlands Entwicklung gestärkt. Nun scheint die Kehrtwende einzutreten. Wichtige Investitionen bleiben aus.

Moskau – In Russlands Wirtschaft knirscht es. Im wichtigen Ölsektor melden selbst die Großkonzerne erhebliche Verluste über 50 Prozent. Der Kohlesektor steht vor einer Insolvenzwelle. In der Luftfahrt fehlen die Ersatzteile und jetzt meldet sich auch noch der Bausektor. Eine aktuelle Untersuchung zeigt, dass der russische Investitionsboom, vormals von der Kriegswirtschaft angeheizt, ins Stocken kommt.

Investitionen in Russlands Wirtschaft gehen zurück – Schwäche in Putins Bausektor

Das Angebot an wichtigen Investitionsgütern schrumpft trotz hoher Staatsausgaben, wie aus einer Studie des kremlnahen Zentrums für makroökonomische Analyse und Kurzfristprognosen (CMASF) hervorgeht. Die Denkfabrik hat die Investitionstätigkeit anhand der Verfügbarkeit von Maschinen, Ausrüstung und grundlegenden Baumaterialien gemessen.

Dabei stellte sie fest, dass das Angebot in den ersten sieben Monaten des Jahres 2024 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 5,7 Prozent zurückging und 8,4 Prozent unter einem Höchststand im dritten Quartal 2023 lag. Das Angebotsniveau liege etwa sechs Prozent über dem Durchschnitt von 2019.

Wladimir Putin in Moskau.Wladimir Putin in Moskau (Symbolfoto). Der Schwenk auf Kriegswirtschaft hatte Russlands Entwicklung gestärkt. Nun scheint die Kehrtwende einzutreten. Wichtige Investitionen bleiben aus. © IMAGO / ZUMA Press

Daten der staatlichen Statistikbehörde Rosstat deuten ebenfalls auf eine starke Verlangsamung des Investitionswachstums hin. Nach einem Anstieg von 8,7 Prozent im ersten Quartal gegenüber dem Vorjahreszeitraum verlangsamte sich das Wachstum im zweiten Quartal auf 1,5 Prozent und lag im ersten Halbjahr insgesamt bei 4,3 Prozent. Das CMASF stellte fest, dass das Angebot im Juli erneut zurückging und in der zweiten Jahreshälfte ein neuer Abwärtszyklus begann. Vorrangig seien Mängel bei der Versorgung mit Baumaterialien der Treiber für die Rückgänge bei den Investments verantwortlich.

EU-Sanktionen schwächen Russlands Wirtschaft – und zielen auf Bereiche mit „hoher Abhängigkeit“

Die EU hatte genau auf eine solche Entwicklung abgezielt, als sie mit Beginn des Ukraine-Kriegs das Sanktionsregime gegen Russland verschärft hatte. Zu den Sanktionen gehörten – nebst einer ganzen Reihe von Import-Verboten – auch gezielte Export-Verbote „in Bereichen, in denen Russland wegen seiner hohen Abhängigkeit von EU-Versorgung verletzlich ist“. So drückte es die EU-Kommission aus. Unter anderen beinhaltete das Quantencomputing, fortschrittliche Halbleiter, sensible Maschinen und Maschinenteile, verarbeiteter Stahl und „baubezogene Waren“.

Darüber hinaus hatte die EU die Ausfuhr von „speziellen Katalysatoren“ verboten. In Summe sollten diese Sanktionen dazu beitragen, „Russlands technologische Basis und Industrie-Kapazität“ zu schwächen.

Im zehnten Sanktionspaket vom 25. Februar 2023 hatte die EU unter anderem Baugüter wie Brücken, Strukturen für turmartige Bauten, Gabelstapler, Kräne und Güter, die für die Funktionsfähigkeit der russischen Industrie notwendig sind, unter Exportverbot gestellt. Dazu gehören auch Elektronik, Maschinenteile, Pumpen oder Maschinen für die Metallverarbeitung.

Kreditprobleme in Russland – Putins Umstellung auf Kriegswirtschaft rächt sich

Ein weiterer Faktor, der die Investitionsbereitschaft in Russland schwächt, ist der Leitzins. Dieser hatte lange jenseits der 20-Prozent-Marke gelegen, ehe die Zentralbank unter Chefin Elvira Nabiullina ihn erst im Juli 2025 wieder auf 18 Prozent senkte. Unternehmen und private Haushalte überlegen es sich zweimal, ob sie derzeit wichtige Käufe tätigen und sich dafür Geld von der Bank leihen wollen.

Zuletzt rächt sich der enorme Schwenk des Kremls in Richtung Kriegswirtschaft. Der private Sektor hatte drastisch darunter gelitten, dass Stahl und Beton nicht für Häuser und Schulen, sondern für Gefängnisse, Schützengräben und Waffenfabriken reserviert waren. Laut dem Nachrichtenportal Kyiv Insider steht ein Viertel der Firmen im Bausektor vor der Insolvenz; sie können ihre Kredite nicht bedienen, Banken verweigern aus Angst vor Zahlungsausfall die Refinanzierung und ein Teil der wichtigen Ingenieure habe das Land verlassen.

Dafür ist auch eine lange unbeachtet gebliebene Banken-Strategie des Kremls verantwortlich. Um die Kriegsindustrie zusätzlich zu füttern, hatte Russlands Präsident Wladimir Putin dafür gesorgt, dass die Banken allen Unternehmen, die mit der Kriegsproduktion zu tun haben, vergünstigte Kredite geben sollten – zu Konditionen, die der Markt eigentlich nicht hergab. Darum hatten Ökonomen wie der Harvard-Forscher Craig Kennedy bereits vor „toxischen Schulden“ am Markt für Unternehmenskredite gewarnt. Die Auswirkungen dieser Strategie werden derzeit immer deutlicher.