Es hat eine gefühlte Ewigkeit gedauert, bis die führenden vier Boote am Mittwoch den jüngsten Wegpunkt erreicht hatten. Erst nach der Rundung der nur acht Quadratkilometer kleinen Insel Ustica nordwestlich von Sizilien konnten die Spitzenreiter dann nach Süden abbiegen. “Paprec Arkéa” hielt am Donnerstagvormittag eine Acht-Seemeilen-Führung vor “Biotherm”, die aber teilweise etwas schneller unterwegs war.

Kein Dolce Vita im Ocean Race Europe

Dem Duo vorne folgten in Schlagdistanz die italienische “Allagrande Mapei” und die am Vortag noch führende “Malizia – Seaexplorer”. Diese Top-Gruppe wurde zur Halbzeit der fünften, letzten und längsten Etappe im Ocean Race Europe in weniger als fünf Tagen im Zielhafen Boka Bay in Montenegro erwartet. Dolce Vita haben die Crews bis dahin aber auch weiterhin nicht zu erwarten.

Die wechselhaften Wetterbedingungen, Flaute, Stürme, Gewitter, wieder nachlassende und erneut Anlauf nehmende Winde fordern die Segler und Seglerinnen an Bord der Imocas stark. “Allagrande Mapei”-Skipper Ambrogio Beccaria fasste die jüngsten Mittelmeer-Szenarien am Donnerstagmorgen zusammen und sagte: „Es ist sehr kompliziert … sagen wir einfach, es war sehr stürmisch.“

Vergessen war die große Flaute der Anfangsphase. Der gebürtige Mailänder fuhr fort und sagte: „Jeder hatte unterschiedlichen Wind. Es ist ein bisschen wie ein Auf und Ab; die Stürme bringen den Wind mit sich, und man muss sich ständig anpassen.“ Am besten gelang das zuletzt den Crews auf “Paprec Arkéa” und “Biotherm”, die das Klassement im Ocean Race Europe in umgekehrter Reihenfolge anführen.

Den Spaß am Ocean Race Europe wiedergefunden

„Es stimmt, dass die beiden Ersten sich etwas absetzen konnten“, räumte Ambrogio Beccaria ein. „Wir hatten eine Winddrehung erwartet, die aber nie wirklich kam, sodass wir ein wenig unter der Situation gelitten haben.“ Inzwischen hat auch “Holcim-PRB” den Wegpunkt nordwestlich von Sizilien gerundet und seinen Rückstand auf die Spitze auf gut 50 Seemeilen verkürzen können. Deutlich weiter zurück liegen Canada Ocean Racing – Be Water Positive bei zuletzt 172 Seemeilen Rückstand auf “Paprec Arkéa” und Team Amaala bei 330 Seemeilen Rückstand.

Auch im hinteren Feld ist man froh, endlich in frischen Winden zu segeln. „Das sind die schnellsten Stunden, die wir seit dem Start hatten“, freute sich Sébastien Marsset. „Es fühlt sich gut an, und es ist aufregend, das Boot wieder in Bewegung zu bringen, die Geschwindigkeit, das Gleiten und den Spaß zu finden.“

Das kanadische Team, das lange Zeit durch Sturmböen und Windstille ausgebremst wurde, die den Rückstand weiter anschwellen ließ, hofft nun, sich schnell aus dem Norden Siziliens befreien zu können. „Die Idee ist, die Zone um Ustica zügig zu verlassen, bevor wieder Windstille einsetzt”, sagte Marsset in der Hoffnung, nun nicht in eine neue Flautenfalle zu tappen. Hier geht es zum Tracker und dem Überblick über die jeweils aktuellen Positionen der Teams.

Herrmann zieht Halbzeitbilanz auf Etappe fünf

Dringlichkeit kommt auch in Ambrogio Beccarias Stimme zum Ausdruck, wenn er zuletzt über die Herausforderungen an diesem Donnerstag sprach: „Es ist schwer, sich ein klares Bild von dem zu machen, was vor uns liegt. Aber die Stürme werden nicht verschwinden! Wir wissen, dass wir so agil wie möglich sein und mögliche Rückschläge begrenzen müssen.“

Eine kleine Halbzeitbilanz hatte schon am Mittwoch Boris Herrmann gezogen. Der “Malizia – Seaexplorer”-Skipper sagte: „Wir hatten auf dieser Etappe wirklich alle möglichen Wetterbedingungen, von sehr leichtem Wind bis hin zu richtig starken Stürmen von hinten. Manchmal war der Wind so stark, dass wir sogar einmal die Kontrolle verloren haben und in den Wind geschossen sind. Aber bisher läuft alles gut.”

Mit seinem Team am Mittwoch noch in Führung liegend, hatte Boris Herrmann gesagt: “Es wird wirklich zwischen uns vier an der Spitze entschieden werden, wer am Ende auf dem Podium steht.” Dass “Malizia – Seaexplorer” am Mittwoch einen Sonnenschuss erlebte, hat Boris Herrmann, Will Harris, Francesca Clapcich und Cole Brauer in ihrem Kampf nicht lange aufgehalten.

Ocean Race Europe: erst die Adria, dann Boka Bay

Die Adria, die das führende Vierergespann schon bald erreichen wird, kenne er, so Herrmann, “nicht sehr gut”. Sein Ausblick: “Ich erwarte launische Winde, wie es oft überall im Mittelmeer der Fall ist, insbesondere im östlichen Mittelmeer. Deshalb ist es so wertvoll, unsere lokale Expertin und Heldin Frankie an Bord zu haben. Sie kennt die Adria sehr gut.”

Die Adria ist die Zielautobahn im Ocean Race Europe 2025, die leicht auch zum Hindernisparcours werden könnte. Sie führt die Flotte in den Finalhafen Boka Bay, wo die fünfte Etappe zu Wochenbeginn zu Ende gehen wird, bevor am 20. September das letzte Küstenrennen im Punktwert einer ganzen Etappe steigt. Erst danach werden die Sieger am 21. September in Montenegro gefeiert.

“Wir haben eine Reihe von Freunden und Gästen, die angekündigt haben, dass sie dort zu Besuch kommen. Sie sind neugierig auf diesen neuen Hafen im Ocean Race Europe. Und wir sind es auch! Bis dahin gilt wie immer: Es ist erst vorbei, wenn es vorbei ist”, sagte Boris Herrmann.

“Wir spielen mit!” Das sagte Boris Herrmann am Mittwoch. Und das gilt auf Kurs Boka Bay am Donnerstag weiter. Auch wenn “Malizia – Seaexplorer” aktuell die Führung abgeben musste und etwas an Boden verloren hat, bleibt die deutsche Imoca doch weiter dran an den Spitzenreitern:

Einblicke ins Bordleben auf “Holcim-PRB”, wo die Crew weiter darum kämpft, ihren in den ersten Tagen nach dem Start entstandenen Rückstand von zwischenzeitlich mehr als 150 Seemeilen auf das führende Quartett zu wieder verkürzen: