Eine Schlappe für Bürgermeister Dr. Max Leitterstorf kurz vor der Kommunalwahl: Das Oberverwaltungsgericht Münster (OVG) hat nach mehrstündiger mündlicher Verhandlung den Bebauungsplan für den Butterberg für rechtswidrig und damit unwirksam erklärt. Eine Revision wurde nicht zugelassen. Das teilt der BUND mit, der geklagt hatte. Auf dem Butterberg soll ein Wissenschafts- und Gründerpark mit einer Gesamtfläche von etwa 62 000 Quadratmetern entstehen.
Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) plant, im nordöstlichen Abschnitt ein mehrgeschossiges Bürogebäude zu erstellen. Zukünftige Erweiterungen könnten durch einen An- beziehungsweise weiteren Neubau möglich sein. Eine Versuchshalle, benachbart zum Bürogebäude, soll in gleicher Höhe platziert werden. Im September 2021 fand eine erste frühzeitige Beteiligung der Öffentlichkeit und der Behörden statt.
Tobias Kroll von PNT Partner Rechtsanwälte wurde mit dem Fall in Sankt Augustin betraut
Der BUND äußerte im weiteren Verfahren Kritik. „Unsere rechtlichen Hinweise wurden allerdings nicht so umgesetzt, wie wir uns das gewünscht hatten“, berichtet Achim Baumgartner, Sprecher des BUND im Rhein-Sieg-Kreis. So sei nur der Weg der Klage geblieben. Man hätte lieber früher eine belastbare Lösung mit der Stadt gefunden. Das sei allerdings nicht möglich gewesen.
Dass das Thema größte Bedeutung für die Umweltschützer hat, sieht man daran, dass eine der führenden Anwaltskanzleien in Deutschland für Umweltrecht beauftragt wurde. Tobias Kroll von PNT Partner Rechtsanwälte erarbeitete die Klageschrift. Der Rechtsanwalt erwirkte zum Beispiel auch aus Lärmschutzgründen das Nachtflugverbot am Frankfurter Flughafen oder erreichte, dass im hessischen Hofheim ein Baugebiet nie verwirklicht werden kann, weil dort schützenswerte Vögel leben. „Ich denke an die Umwelt in Verbindung mit den Menschen“, betont er im Gespräch mit der Redaktion.
Dieser Laubfrosch am Butterberg wurde von Andreas Fey fotografiert, der die Klage des BUND unterstützte.
Copyright: Andreas Fey
Dazu gehöre auch der Artenschutz als relevantes Thema. Dabei komme es auf Kleinigkeiten an. Er nennt ein Beispiel aus dem Klageverfahren Butterberg: „Kreuzkröten und Laubfrösche sind beides Amphibien“, erläutert Kroll. „Sie brauchen aber unterschiedliche Lebensräume.“ Und genau dies sei bei der Aufstellung des Bebauungsplanes nicht berücksichtigt worden. Einfach Flächen für Amphibien als solche auszuweisen, reiche nicht.
„In der Wirkung des Urteils ist die Stadt nun aufgerufen, das Bebauungsplanverfahren neu zu starten und dort dem Artenschutz, der der Abwägung des Rates nicht zugänglich ist, die notwendige Aufmerksamkeit zu widmen und ausreichend bemessene artenschutzrechtliche Ausgleichsmaßnahmen vorzusehen“, teilt Baumgartner mit. Die Stadt müsse dazu voraussichtlich auch zusätzliche Flächen kaufen und diese so herrichten, dass die Tiere vom Butterberg „dort eine neue Heimat finden können“.
Die Umweltschützer gehen nicht davon aus, dass die Stadt das Projekt Butterberg aufgibt. „Wir wollen das auch gar nicht“, betont Baumgartner. Er habe sogar der Stadt vorgeschlagen, parallel zur Klage ein Änderungsverfahren einzuleiten. Das hätte mindestens ein halbes Jahr Zeit gespart. Jetzt könne es unter Umständen mehr als zwölf Monate dauern, bis ein neuer und rechtskräftiger Bebauungsplan erstellt werde.
Auf Nachfrage der Redaktion teilte die Stadt durch Pressesprecher Benedikt Bungarten mit: „Sobald die schriftliche Urteilsbegründung vorliegt, wird die Verwaltung diese Ausführungen mit ihrem Fachanwalt auswerten, um die rechtlichen Möglichkeiten auszuloten. Die weitere Vorgehensweise wird dann, natürlich auch in Abstimmung mit dem DLR, festgelegt. Selbstverständlich verfolgt die Stadt auf Basis des einstimmigen Ratsbeschlusses weiterhin das Ziel, die benannte Fläche für den Wissenschafts- und Gründerpark zu entwickeln.“
Bürgermeister Dr. Max Leitterstorf sieht ein grundsätzliches Problem mit dem Artenschutz bei Bauplänen
Bürgermeister Dr. Max Leitterstorf: „Trotz der umfangreichen Gutachten von externen Experten auf Basis monatelanger Beobachtungen und trotz der konkreten Ausgleichsmaßnahmen für den Artenschutz hat das Gericht den Bebauungsplan nun leider gekippt. Noch im Februar hatte die Stadt im Eilverfahren gegen den Bebauungsplan vor demselben Gericht gewonnen.“ Wenn solche zentralen städtebaulichen Entwicklungen durch den Artenschutz so sehr erschwert würden, dann habe nicht nur Sankt Augustin ein Problem, betonte Leitterstorf. Unabhängig davon sei er zuversichtlich, dass das Projekt ein Erfolg werde.
„Das Urteil des OVG zum Bebauungsplan Butterberg ist ein riesiger Rückschlag für die Entwicklung der Stadt Sankt Augustin. Leider steht damit die gesamte Ansiedlung des DLR auf der Kippe“, sagt Martin Metz, Landtagsabgeordneter der Grünen und Ratsmitglied, auf Nachfrage der Redaktion. „Wir Grüne haben im ganzen Verfahren darauf gedrängt, das Gebiet unter ökologischen Aspekten zu planen. Für Details des Artenschutzrechtes mussten wir auf die Expertise der Stadtverwaltung vertrauen, die eine Beachtung der Vorgaben zusicherte.“ Bürgermeister Dr. Leitterstorf habe die DLR-Ansiedlung zu seiner „Chefsache“ erklärt. Das sei richtig schiefgegangen. „Der Bürgermeister muss schnell aufklären, was schiefgelaufen ist.“ Er solle, fordert Metz, bald gegenüber den politischen Gremien erklären, ob das Projekt noch zu retten sei und wie es weitergehen könne.
„Die SPD-Fraktion hofft sehr, dass es der kommenden Verwaltung gelingt, den ambitionierten Plan – diesmal im Einklang mit allen gültigen Vorschriften – in die Tat umzusetzen und das DLR als wichtigen Partner begrüßen zu dürfen“, erklärt Marc Knülle, Vorsitzender der SPD-Fraktion im Rat. Gleichzeitig fordert die SPD eine schnelle und umfassende Aufarbeitung. „Wir erwarten, dass der Bürgermeister zeitnah einen Bericht zu den finanziellen Konsequenzen des Urteils vorlegt – von möglichen Verpflichtungen aus dem Kaufvertrag mit dem DLR bis hin zu den Auswirkungen auf den städtischen Haushalt.“ Politik und Öffentlichkeit müssten jetzt Klarheit bekommen, um die nächsten Schritte verantwortungsvoll diskutieren zu können, so Knülle.