Herr Hausmann, Sie sind jetzt 75 Jahre alt, Ihr mittlerweile von den beiden Söhnen Dennis und Patrick geführtes Familienunternehmen Festzelt Hausmann hat in diesem Jahr 125 Jahre des Bestehens gefeiert. Wie viele Jahre davon haben Sie bewusst arbeitend miterlebt?

Wenn ich von der Schule heimkam, war ich gleich im Geschäft. So richtig war ich mit 15 voll im Betrieb. Das war ja damals eine Zeit, in der es erst richtig aufwärts ging. Das war nicht immer einfach.

War es trotzdem selbstverständlich, dass Sie Schausteller werden müssen?

Ich hatte von der Schule aus einen Berufseignungstest gemacht, und ich sollte mir überlegen, ob ich Dekorateur werden will. Mein Sohn Patrick hat übrigens Jahrzehnte später dieselbe Empfehlung bekommen. Aber zu meiner Zeit war klar, dass man zum Vater und den Eltern aufgeschaut hat. Mein Vater hat immer gesagt: Der Bub bleibt bei mir. Selbst die Chance, die ich als Torwart gehabt hätte, weil mich Vereine wie Worms, Mainz, die Eintracht oder Offenbach verpflichten wollten, war kein Argument. Was der Vater sagte, das war Gesetz damals. Aber trotzdem: Ich hatte eine wunderbare Jugend. Und unser Vater brauchte mich wie meine Brüder, wir waren sein Kapital.

Im übertragenen Sinne, oder?

Im wahrsten Sinne des Wortes. Der Herr Sehring, damals Chef der Kiesgrube am Langener Waldsee, hat mal als Verwaltungsratsvorsitzender unserer Bank bei der Geschäftsführung für uns gebürgt, indem er uns Brüder als vier Mercedes bezeichnet hat, die unser Vater als Sicherheit in der Garage stehen hat, während er bescheiden Opel fuhr. Entsprechend hat un­ser Vater den Kredit bekommen, weil die Mercedes gute Schaffer waren.

Mit 15 angefangen: Eddy Hausmann arbeitet seit 60 Jahren im Familienbetrieb.Mit 15 angefangen: Eddy Hausmann arbeitet seit 60 Jahren im Familienbetrieb.Stefan Nieland

Die Schaustellerbranche ist eine Wirtschaftswelt, in der die Zeit ein Stück weit stehen geblieben ist. Volksfeste bleiben weitgehend analog. Das Erlebnis ist immer noch das Authentische am Achterbahnfahren. Trotzdem haben Sie viel Wandel erlebt in den Jahrzehnten. Wann war Ihnen klar, dass Sie sich in der Branche als Unternehmer entfalten können?

Wir sind ja früher dort in die Schule gegangen, wo wir gerade auf einem Fest waren. Mal vier Wochen in Egelsbach, in Frankfurt oder in Walldorf. Da hatte damals keiner Zeit, uns immer in ein und dieselbe Schule zu fahren. Das war nicht so einfach mit dem Lehrplan für uns. Aber wir haben Disziplin gelernt. Als der Vater dann gestorben ist 1973, er war nur 59 Jahre alt, waren wir zudem hoch verschuldet, weil in den Jahren zuvor ein Kinderkarussell und ein Autoscooter und ein neuer Imbiss gekauft worden waren. Da mussten wir zusammenhalten, bis wir schuldenfrei waren. Dann haben wir alles aufgeteilt, und es ist steil nach oben gegangen. Das hat mir Möglichkeiten gegeben, Ideen umzusetzen als selbständiger Unternehmer.

War das immer so eine Gewissheit, dass es mit harter Arbeit klappen wird?

Wir haben einen Familienschatz an Erfahrungen mit Krisen, die alle gemeistert wurden. Ob das Kriege waren oder Corona. Ohne Optimismus müssten wir aufhören. Man muss Liebe zu dem Beruf haben, weil es nicht nur ein Beruf ist, sondern ei­ne Berufung. In dem Wort Schausteller steckt viel mehr: Du musst alles können in verschiedenen Berufen und immer guten Mutes sein. An einem Tag wie heute, wo es regnet, muss man dran glauben, dass es gut wird. Wenn man nicht positiv denkt, hat man in unserem Job nichts verloren.

Ist das ein Grund, warum es selten jemand als Quereinsteiger in die Schaustellerbranche schafft? Muss man da reinwachsen und 125 Jahre Familientradition im Rücken haben?

Das kann man generell so sagen. In un­serer Familie ist es etwas anders, und daran ist der Fußball schuld. Dadurch kamen meine Brüder und ich mit anderen Leuten in Kontakt, wir haben anders als meist üblich nicht in Schaustellerkreisen gehei­ratet. Meine Frau kommt beispielsweise aus einem Getränkegroßhandel in Walldorf, meine Brüder haben eine Friseurin und eine Frau aus einem Steuerbüro geheiratet. Für unsere Frauen war das sicher nicht einfach, in die Schaustellerei rein­zukommen und nebenbei auch noch eine Familie zu führen. Aber uns hat das un­terneh­merisch ganz andere Impulse ge­geben.

Unternehmergeist: Die Organisation eines Frankfurter Oktoberfests war Eddy Hausmanns Idee.Unternehmergeist: Die Organisation eines Frankfurter Oktoberfests war Eddy Hausmanns Idee.Peter Jülich

Wenn Sie den Fußball ansprechen: Sie waren nicht nur ein ausgezeichneter Torwart, sondern später auch lange Verwaltungsrat bei Eintracht Frankfurt. Offenbar können Schausteller ihr Wissen auch an anderer Stelle einbringen. Welche Kompetenzen haben Sie dafür?

Ich war in den Neunzigerjahren Vorsitzender bei Rot-Weiß Walldorf, nachdem ich dort im Tor aufgehört habe, und zeitgleich Vorsitzender vom Schaustellerverband und im Verwaltungsrat der Eintracht. Das hat mir viel gegeben, aber ich konnte auch viel bei der Eintracht einbringen, weil ich Ahnung von den Menschen habe. Schausteller haben schon immer in Netzwerken gedacht, bevor es den Begriff gab. Im Verwaltungsrat war ich immer der, der geradlinig war. Ich war damals beispielsweise gegen den Ausbau am Riederwald. Das Projekt mit immerhin schon 14 Millionen Euro, die der Verwaltungsrat verantworten musste, erschien mir nicht sinnvoll. Ich habe immer dafür plädiert, dass wir ans Stadion müssen. Viele Jahre später ist das dann verwirklicht worden. Mir war da immer wichtig, dass ich meine Meinung vertrete und dazu stehe. Freiheit war mir immer viel wert, das lernt man in unserer Branche. Ich habe deshalb auch immer meine Karten bei der Eintracht selbst bezahlt und wollte nichts geschenkt haben.

Wenn Sie auf 125 Jahre Familiengeschichte zurückblicken, ist das dann vor allem eine Grundlage für die Zukunft oder auch Verpflichtung?

Wir haben das Jubiläum in Dreieichenhain gefeiert. Mein Sohn Patrick hat da ein Video zusammengeschnitten, wo ganz viele über unsere Familie gesprochen haben. Das hat mich sehr gerührt. Gerade auch weil mir noch mal bewusst wurde, wie wir mit Schicksalsschlägen umgegangen sind. Zwei ältere Brüder von mir sind im Krieg noch vor meiner Geburt gestorben. Unser Vater war früh gestorben, mein Bruder hat seinen Sohn Thorsten ganz früh mit einem halben Jahr verloren, wir hatten eine Totgeburt. Aber es ging immer weiter.

Mehr Herbst-Dippemess als früher

Die Herbstausgabe des größten Frankfurter Volksfests dauert mittlerweile anders als noch vor wenigen Jahren stets etwas mehr als 14 Tage – eine Folge von Corona und kostensteigernden Krisen, die der Schaustellerbranche   zugesetzt haben. Gerade große Fahrgeschäfte kann man deshalb nur noch nach Frankfurt locken, wenn man ihnen eine gewisse Standdauer und entsprechenden Umsatz garantiert. So haben die Volksfestbesucher beginnend mit der Eröffnung am Freitag um 15 Uhr an drei Wochenenden gegenüber nur zwei in früheren Jahren Gelegenheit, mehr als ein Dutzend Fahrgeschäfte, rund 40 Imbiss- und Spezialitätenstände oder auch anderweitige Belustigungen zu nutzen.  Eine Besonderheit bietet das fast nagelneue  Riesenrad der Schaustellerfamilie Gormanns: Eine der Gondeln ist barrierefrei mit Rollstuhl befahrbar.